Cecilia Bartoli hat nicht nur eine neue CD herausgebracht. Sie gab auch ihre Pläne für die Salzburger Pfingstfestspiele 2022 bekannt. Es gibt u. a. Rossinis "Barbier von Sevilla".

Foto: Decca

Nicht erst seit kurzem: Bereits in jener gemütlichen Zeit, als die CD-Branche ökonomisch noch keiner panischen Titanic glich, agierte Mezzosopranistin Cecilia Bartoli als schlaue Marketingdiva. Sie veröffentlichte nicht Kochbücher (parallel zu CDs). Bartoli erkannte vielmehr, dass ein reines Abspulen des immer gleichen Repertoires nicht nur kommerziell sackgassenverdächtig ist. Sie verstand auch, dass jene von ihr entdeckten Raritäten eine einrahmende, spannende Story brauchen – als Ergänzung zur sängerischen Qualität.

Ihr Stöbern in Archiven und Bibliotheken erbrachte u. a. Projekte wie Mission, durch das der Komponist Agostino Steffani entdeckt wurde. Abgebildet als glatzköpfiger, mit einem Kreuz drohender Geistlicher, thematisierte Bartoli dabei auch das Unsympathische der katholischen Kirche.

Historische News

Recht mutig auch ihr Bartwuchs auf dem Cover von Farinelli, jener Aufnahme, die um das Schicksal des berühmten Kastraten kreiste. Bartoli dachte und denkt also über die Notenwelt hinaus. Ihre Veröffentlichungen sind oft auch buchdick und also prall gefüllt mit historischen News. Quasi: Singen, Geld verdienen und dabei unbedingt etwas Bildungsauftrag reinwürzen.

Es konnte denn auch nicht ausbleiben, dass die Italienerin weltkrisenbedingt ein vom Zeitungeist inspiriertes musikalisches Lebenszeichen setzt. Das Spezielle: Statt in Archiven nach Noten zu stöbern, gab es auch für Bartoli wegen Corona einiges an erzwungener Häuslichkeit, es galt "innezuhalten, durchzuatmen und nachzudenken".

Kostbares vergessen

Das Märchen zur neuen Einspielung: Wie sie so in ihren Archiven stöberte und sich "stundenlang in der Musik und den damit verbundenen Erinnerungen verlor", stieß Bartoli auf Kostbarkeiten aus dem Jahre 2013. Es waren Konzertarien der Wiener Klassik, die sie mit dem renommierten Kammerorchester Basel unter Dirigent Muhai Tang aufgenommen hatte.

Warum diese Stücke von Haydn, Mozart und Beethoven seinerzeit tatsächlich "vergessen" und nicht veröffentlicht wurden, bleibt ein dunkles Geheimnis. Jedenfalls ist Unreleased (Decca) nun da, ein Album, bei dem die Weltsängerin ihre Qualitäten als geläufige und intensive Sängerdarstellerin bisweilen jedoch etwas ungezügelt auslebt.

Edles Timbre

Beethovens Ah! Perfido geht sie mit einem Furor an, der sich als Pas de deux mit der Marotte eines allzu kräftigen Vibratos präsentiert. Als wäre Vibrato nicht einfach ein dosiert einzusetzendes Ausdrucksmittel. Besser, da entspannter wirkt Bartoli bei Se mai senti spirarti sul volto von Josef Mysliveček. Hier verbindet sich ihr Timbre edel mit einer melancholischen Linienführung und der bekannten Leichtigkeit bei Läufen.

Das Gute dieser Aufnahme leuchtet hin und wieder auch bei Mozart auf, bei dem – in zwei Stücken – Stargeiger Maxim Vengerov "soliert". Die Arie Resta o cara hat bei allem dramatischem Donnern (auch hier das Vibrato) das innige gewisse Etwas. Nach dem Hören die Vermutung: Womöglich war der stilistisch nicht ganz trittsichere Zugang zu diesem Repertoire der Grund für die späte Veröffentlichung, welche Bartoli-Fans sicher Freudebereite wird. (Ljubiša Tošić, 13.12.2021)