Auch eine Kinderecke findet in Elke Kahrs Grazer Bürgermeisterinnenbüro Platz. Ansonsten dominiert eine Vielzahl an Grünpflanzen.

Foto: J. J. Kucek

Graz – Die Warnungen vor der Grazer Gemeinderatswahl Ende September klangen düster: Die steirische Landeshauptstadt dürfe kein "marxistisches Versuchslabor für linkslinke Träumereien werden", bat die ÖVP das Wählervolk inständig, nicht vom rechten Pfad abzuweichen und womöglich die Kommunisten zu wählen.

Die Warnung wurde in den Wind geschlagen und KPÖ-Chefin Elke Kahr schließlich zur ersten kommunistischen Grazer Bürgermeisterin gewählt. Sie residiert nun gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin von den Grünen, Judith Schwentner, auf der Bürgermeisteretage.

ÖVP-Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl hat sich nach der historischen Wahlniederlage seiner Partei und dem Verlust der Macht zugunsten der KPÖ ins Privatleben zurückgezogen. Kahr und Schwentner sind nun seit einem Monat offiziell per Angelobung im Amt. Und sie haben – mit Unterstützungen der SPÖ im Gemeinderat – bereits erste sichtbare Spuren gezogen: Kostspielige Prestigeprojekte aus der Nagl-Ära wie der Bau einer U-Bahn oder eine 30 Millionen Euro teure innerstädtische Untertunnelung wurden ad acta gelegt. Gleich zu Beginn gaben Kahr und Schwentner die Order aus, die Leasingverträge für die Dienstlimousinen nicht zu verlängern. Fahrrad und Bim sind angesagt.

Klima first

Angesichts der schwierigen finanziellen Situation für zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner in der Pandemiezeit verzichtet die Stadt nun auf eine Erhöhung der Kanal- und Müllgebühren. Auch die Gemeindemieten bleiben unverändert, verspricht Bürgermeisterin Elke Kahr. Außerdem erlässt die Stadt in gewerblich vermieteten städtischen Immobilien für die Zeit der Lockdowns die Geschäftsmieten. Den großen Brocken des Verkehrs und der Stadtplanung hat die Grünen-Vizebürgermeisterin Judith Schwentner übernommen. Und auch hier wurden die Weichen schon neu gestellt. "Es gibt einen Paradigmenwechsel, alle Projekte werden dem Klimaziel untergeordnet", sagt Schwentner. Damit einher gehe eine "Entsiegelungsoffensive, zum Beispiel: Es muss ja nicht sein, dass bei jeder Baustelle, sobald sie behoben wird, alles einfach wieder zubetoniert wird. Wir wollen künftig bei jeder Straßenbaustelle überlegen, ob es nicht Möglichkeiten zur Begrünung oder Verkehrsverbesserung gibt", sagt die Vizebürgermeisterin im STANDARD-Gespräch.

Bereits fixiert ist auch eine tiefgreifende Machtverschiebung in der Stadt. Die Kontrolle der Holding, in der sämtliche Beteiligungen der Stadt – vom Flughafen bis zu den Freizeitbetrieben und dem Kunsthaus – zusammengefasst sind und die bisher von ÖVP und FPÖ kontrolliert wurde, wird neu sortiert. Kahr und Schwentner schicken nun Grüne-, SPÖ- und auch Neos-Aufsichtsräte in die Kontrollgremien. Den Vorsitz im Aufsichtsrat der Holding übernimmt ein SPÖ-Vertreter.

Neu geregelt wurde auch die Klubförderung, sie wird um zehn Prozent gekürzt. Aus "demokratiepolitischen Gründen", wie es heißt, erfolgt die Kürzung nicht linear. Für die beiden kleinsten Parteien Neos und SPÖ schaut sogar mehr heraus. Die durch die Kürzung bei den Großen frei werdenden Mittel fließen in einen Sozialtopf.

Anfragen aus ganz Europa

"Was mich wirklich überrascht hat: Das Interesse an Graz ist umwerfend. Ich bekomme so viele Anfragen aus ganz Europa, von Städten und Unis. Viele wollen etwas über Graz und unsere Politik wissen. Auch Anfragen um Städtepartnerschaften sind dabei", sagt Kahr im Gespräch mit dem STANDARD. Gewöhnen müsse sie sich nur noch an die Größe des Bürgermeisterbüros, das sie vorerst einmal mit Grünpflanzen und einer Kinderecke eingerichtet habe.

Die ÖVP traut der ganzen Sache noch nicht und bleibt auf kritische Distanz zur linken Koalition. "Es gibt bisher wenig Licht, aber viel Schatten. Es ist nur viel populistische Show dabei", schimpft ÖVP-Chef und Stadtrat Kurt Hohensinner. Da propagiere die linke Regierung die Demokratisierung und Objektivierung der städtischen Posten. "Bei der Bestellung der Bezirksvorsteher aber wird die ÖVP ausgebremst. Obwohl sie in einigen Bezirken stärkste Partei ist. Außerdem werden wir immer wieder darauf angesprochen, dass sich die Bürgermeisterin nicht von Tito und der diktatorischen Politik distanziert. Das Image der Stadt leidet darunter", sagt Hohensinner.

Die FPÖ ist noch abwartend: "Wir werden die Linke an ihren Taten messen", sagt Stadträtin Claudia Schönbacher. (Walter Müller, 17.12.2021)