Von 2005 bis 2017 zu einer globalen (Geld-)Trophäe inszeniert: "Salvator Mundi".

Foto: Dianne Modestini

Wo auch immer sich das berühmteste Abbild des "Salvator Mundi" (Erlöser der Welt) derzeit befindet, auf der Jacht des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman oder doch in einem Zollfreilager: mit einem Kaufpreis von 450 Millionen Dollar bleibt es vorerst das teuerste Kunstwerk der Welt.

Dazu trugen gierige Kunsthändler und übereifrige Kunsthistoriker ebenso bei wie ein cleveres Auktionshaus und ein um ein neues Image bemühter Käufer. Dessen stellenweise fragwürdige Genese steht im Mittelpunkt eines neuen Dokumentarfilms, der jetzt in Österreichs Kinos läuft.

In The Lost Leonardo lässt der dänische Regisseur Andreas Koefoed einige der direkt involvierten Akteure in Interviews ihre spezifischen Rollen und Sichtweisen darlegen. Ergänzend kommen kritische Experten sowie ehemalige FBI-Ermittler oder ein CIA-Agent zu Wort. Vorweg: Die seit Jahren schwelende Debatte, ob es sich nun um ein Werk von Leonardo da Vinci oder doch um eine Arbeit eines seiner Schüler handelt, bleibt ungeklärt. Sie bekam erst jüngst über eine Ausstellung im Prado (Madrid) neue Nahrung, da das Bild im begleitenden Katalog nicht als authentischer Leonardo gelistet wird: sondern als "zugeschrieben" oder unter seiner Aufsicht oder Autorisierung in seiner Werkstatt entstanden.

Gestartet bei 1.175 Dollar

Außerhalb der Kunsthistoriker-Bubble mag derlei wie I-Tüpferl-Reiterei klingen, jedoch sind das elementare Details, die noch immer einer professionellen Klärung harren: von neutralen Experten, die keinerlei finanzielles oder politisches Interesse am Ergebnis haben dürfen. Denn die bisherige Geschichte von Salvator Mundi lehrt das Gegenteil.

Sie nahm im Jahr 2005 ihren Anfang, als das Bild bei einer Nachlassauktion in New Orleans auftauchte. Beschrieben als Werk eines Nachfolgers von Leonardo da Vinci. Hatten sich die Experten des Auktionshauses vertan oder zu wenig recherchiert? Ein auf solche Fälle spezialisierter Kunsthändler wähnte einen vielversprechenden Irrtum und erwarb es gemeinsam mit einem Kollegen aus New York: für läppische 1.175 Dollar.

Sony Pictures Classics

Eine befreundete Restauratorin bekam es in einem schwarzen Müllsack überreicht: Dianne Modestini, die das Werk mehrere Jahre "behandelte". Sie entfernte alte Übermalungen und brachte – wie Kritiker jetzt monieren– neue auf. Fakt ist: Mehr als 80 Prozent der gegenwärtig sichtbaren Malerei stammen aus ihrem Pinsel. Viel zu "leonardesk", um ein authentischer Leonardo zu sein, merkt etwa Frank Zöllner an. Der deutsche Kunsthistoriker aus Leipzig hatte 1995 zum Renaissancekünstler habilitiert.

Modestini kommt, und das führt der Dokumentarfilm in dieser Deutlichkeit erstmals vor Augen, eine entscheidende Rolle zu. Sie war es, die die Hoffnungen ihrer Auftraggeber nicht nur nährte, sondern sogar bestätigte. Wie viele Werke von Leonardo da Vinci sie zuvor restaurierte, um ein solches Urteil zu fällen? Man weiß es nicht. Laut dem Kunsthändler Kenny Schachter sowie dem Schweizer Geschäftsmann Yves Bouvier soll sie finanzielle Interessen an dem Bild gehabt haben. Es ging nicht nur um die Restaurierung, sondern auch um eine Beteiligung am gesamten Authentifizierungsprozess, wie sie offen zugibt.

Entlarvte Mär

Zusammen mit einer Provenienzgeschichte, die mittlerweile teils als falsch entlarvt wurde, nahm das weitere kommerzielle Schicksal des Bildes seinen Lauf. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei die National Gallery in London, die Salvator Mundi bereits 2012 in einer Leonardo-Ausstellung als Entdeckung feierte. Eine Anmaßung, wie viele kritisieren. Die damalige Behauptung, dass unter Leonardo-Experten Konsens über die Authentizität herrsche, entpuppt sich nun als Mär.

Das vor und hinter den Kulissen gehypte Werk landete 2013 für 127,5 Millionen Dollar im Besitz eines Oligarchen, der bei dem Deal allerdings übervorteilt worden war. Schließlich kam das Auktionshaus Christie’s zum Zug, wo das Bild in einer Marketingkampagne den letzten Schliff zur globalen Trophäe erhielt. Mit erwiesenem Erfolg.

Dass Salvator Mundi – entgegen der Erwartung vieler – bei der Retrospektive zum 500. Todestag Leonardo da Vincis im Louvre 2019 nicht gezeigt wurde, hatte wohl politische Gründe. Obwohl längst mit den Saudis paktiert, wollten sich die Grande Nation und ihr Staatschef letztlich nicht blamieren. Oder so ähnlich. Die bisherigen Profiteure dieser historisch wohl beispiellosen Gewinnmaximierung kümmert das alles reichlich wenig. (Olga Kronsteiner, 28.12.2021)