Coronakrise, Rohstoff-, Material- und Lieferengpässe, Deglobalisierungstendenzen, steigende Energiepreise, Inflation, Schuldenberge, politische Risiken, Naturkatastrophen – und das vor dem Hintergrund einer beispiellosen Transformation hin zu mehr Klimaschutz und neuen Technologien: 2022 wird für Unternehmen wie Volkswirtschaften nicht minder herausfordernd werden, als das heurige, an Überraschungen nicht eben arme Jahr.

Wird die Pandemie die weltweite wirtschaftliche Erholung bremsen – und wenn ja in welchem Ausmaß? Werden auch ärmere Staaten ausreichend Impfstoff zur Verfügung haben, um ihre Bevölkerung zu immunisieren? Können Industrie sowie Klein- und Mittelbetriebe die höheren Preise verdauen? Wie werden die Konsumenten darauf reagieren? Es gibt derzeit viele offene Fragen, auf die niemand eine eindeutige Antwort hat.

Dennoch gilt es, Unaufschiebbares wie Klimaschutz, Schuldenproblematik und Geldpolitik mit dem gebotenen Weitblick anzugehen. Das gilt vor allem für Europa. Aber auch die USA und China spielen bei all den Fragen eine gewichtige Rolle. Wie Donald Trump sieht US-Präsident Joe Biden in China den größten Rivalen der USA weltweit. Anders als der Republikaner will der Demokrat jedoch den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen und setzt auf eine begrenzte Zusammenarbeit beispielsweise im Kampf gegen den Klimawandel. Zudem steht Biden auch in den USA selbst unter Druck – viele Amerikaner sind unzufrieden mit dem Kurs des US-Präsidenten. Sie machen die Regierung für die hohe Inflation verantwortlich. China wiederum wird wohl weiter versuchen, sich wirtschaftlich verstärkt von der Welt abzuschotten und Technologie-Konzerne und Privatunternehmen unter Druck setzen. Das globale Gleichgewicht ist also äußerst fragil.


SCHULDENREGELN: Reform der EU-Defizit- und -Schuldenregeln steht ins Haus

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In Europa wurde zur Corona-Krisen-Bewältigung viel Geld in die Hand genommen. Die Gesamtschulden der Euroländer sind in der Pandemie im Schnitt auf fast hundert Prozent der Wirtschaftsleistung angewachsen. Der Stabilitätspakt erlaubt den Mitgliedsstaaten höchstens 60 Prozent und eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent. In der Krise hat die EU die Regeln ausgesetzt, um milliardenschwere Hilfen für die Wirtschaft zu ermöglichen. Österreich erfüllt derzeit weder die Defizit- noch die Schuldenregelung. Die anstehende Reform des EU-Stabilitätspakts entzweit die Länder: Während Österreich zur Gruppe jener zählt, die den "Abbau exzessiver Schulden" fordern, setzen sich andere Staaten wie Frankreich für eine Lockerung der "Maastricht-Kriterien" ein. Anfang kommenden Jahres will die EU-Kommission einen Leitfaden präsentieren. Die reformierten Regeln sollen ab 2023 greifen.

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GELDPOLITIK: US-Notenbank Fed wird 2022 Zinsen erhöhen, EZB zögert

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Lange war sie kaum wahrnehmbar, doch seit heuer ist die Inflation der Verbraucherpreise wieder sehr präsent. Bereits darauf reagiert hat die US-Notenbank Fed: Gemäß ihrem Fahrplan sollen die Corona-Hilfen durch Wertpapierkäufe im März auslaufen und anschließend der Leitzins bis Jahresende drei Mal erhöht werden. Die Bank of England hat bereits die Zinszügel gestrafft und auf rasant steigende Verbraucherpreise auf der Insel reagiert.Obwohl die Teuerung im Euroraum auf 4,9 Prozent gestiegen ist, steigt die EZB nur zögerlich vom Gas – obwohl ihr Inflationsziel bei zwei Prozent liegt. Zwar wird auch ihr Corona-Hilfsprogramm im Frühjahr auslaufen, das normale Anleihenkaufprogramm aber weitergeführt. Eine Zinserhöhung im Jahr 2022 erscheint unwahrscheinlich, obwohl der expansive Kurs der EZB auch intern umstritten ist und für zunehmende Kritik von Volkswirten sorgt.

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KLIMAWENDE: Emissionshandel und Klimazoll sollen Wende mitfinanzieren

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Es ist wohl eines der größten Vorhaben der Europäischen Union: das EU-Klimapaket. Es geht um nichts weniger als darum, in den nächsten 30 Jahren die europäische Wirtschaft vollkommen zu dekarbonisieren. Gesetze und Verordnungen müssen geschrieben oder angepasst, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft muss mit entsprechender Förderpolitik sichergestellt werden. All das will auch bezahlt werden – neben der Finanzierung der Corona-Hilfen. Die EU-Kommission will auf Mittel zurückgreifen, die durch die Ausweitung des Emissionshandels, den geplanten Klimaschutzzoll und die geplante globale Steuerreform eingenommen werden sollen. Für den rund 800 Milliarden Euro schweren Corona-Topf nimmt die EU-Kommission über Anleihen Schulden auf, die durch den EU-Haushalt besichert sind. Die Gelder sollen dann mit eigenen Mitteln abgelöst werden.

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GLOBALE MINDESTSTEUER: Gesetzesvorschlag der EU liegt auf dem Tisch

Großkonzerne müssen künftig auf ihre Gewinne eine Mindeststeuer von 15 Prozent abführen. Darauf haben sich 130 Länder geeinigt, die G20-Staaten haben bei ihrem letzten Gipfel den Weg dafür geebnet. Gelten wird diese Mindeststeuer für Konzerne, die jährlich mindestens einen Umsatz von 20 Milliarden Euro und einen Gewinn von zehn Prozent erzielen. Zurzeit trifft das auf rund 100 Unternehmen zu. Die bekanntesten sind Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft – deren bisherige Versteuerungstaktik hat die Debatte um eine globale Mindeststeuer befeuert. Weltweit rechnet die OECD durch die Mindeststeuer mit Einnahmen von rund 130 Mrd. Euro. Die EU-Kommission will Mittel aus der Mindeststeuer ins EU-Budget fließen lassen, um die Kosten für die Corona-Hilfen zu decken. Einen Gesetzesvorschlag für die Umsetzung der Mindeststeuer hat die EU vor Weihnachten vorgestellt. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, Bettina Pfluger, 30.12.2021)