Auf Sophia Blendas schaurig-schönes Debütalbum, das im Spätsommer 2022 erscheinen wird, darf man sich freuen.

Foto: Michael Wuermer

Oskar Haag

Oskar Haag

16 Jahr, Superstar. Zumindest in spe. Denn bis jetzt gibt es nur eine Single des jungen Barden, Stargazing. In ihrem melancholischen Minimalismus, in ihrer bezaubernden Unmittelbarkeit hat sie sich sofort in die Herzen eines immer größer werdenden Publikums gebohrt. Veröffentlicht hat sie Haag auf seinem eigens gegründeten Label Lullaby Records, das namentlich bereits verspricht, Heimat noch vieler Wiegenlieder und verhallter Gitarrenträumereien zu werden. Für Juni 2022 ist die Veröffentlichung des Debütalbums geplant. Bis dahin wird der stetig wachsende Hype um Haag schon bis zu den Sternen reichen.

Nenda

NENDA

Nenda Neururer hat, was es braucht. Das haben auch andere bereits erkannt, und so werden wir die Ötztaler Schauspielerin und Musikerin im Frühjahr auf Sky in der Serie The Rising sehen. Klar, dass da für die Musik nicht mehr so viel Zeit bleibt. Trotzdem plant Nenda, 2022 eine EP zu veröffentlichen. Mit den Singles Mixed Feelings und Borders hat sie die Erwartungshaltung in die Höhe geschraubt. Sprechgesang auf Tirolerisch, Hochdeutsch und Englisch auf sehr lässigen funky Beats – hat man so noch nicht gehört. Mit Humor und viel Coolness packt sie gekonnt gesellschaftspolitische Themen wie Rassismus und Repräsentation in ihre völlig eigenständigen Songs.

Kenji Araki

Affine Records

Omikron, schleich dich! Nicht nur, aber auch, damit die Clubs aufsperren dürfen und Kenji Araki dort "all this bass in your face" schleudern kann, wie es auf seiner hervorragenden Debütsingle Boom Boom Boom heißt. Der österreichische Produzent mit japanischen Wurzeln, der rein digital arbeitet, ist der neueste Zugang auf Affine Records, der heimischen Bastion qualitativer Experimente. Araki vermengt Hyperpop – Fans von Sophie oder 100 Gecs werden sich freuen – und 50 Shades of Bass zu einer tanzbaren Mischung, die man gemeinhin Deconstructed Club Music nennt. In der ersten Jahreshälfte erscheint sein Debütalbum.

Verifiziert

Verifiziert

Vor lauter Deutschpop-, Deutschrap-, Cloudpoprap- und Autotunebäumen sieht man manchmal den Wald nicht mehr. Der Sound ist nach wie vor irrsinnig beliebt, interessant ist er längst nicht mehr. Trotzdem gibt es Leute wie die junge Wiener Musikerin Verifiziert, die zwar genau in diesem Wald zu Hause ist, aber dennoch heraussticht und fasziniert. Ihre Textzeilen mögen lapidar wirken, auch weil sie so unterkühlt präsentiert werden, aber eigentlich steckt in ihren Songs das verdichtete Lebensgefühl ihres Milieus. So etwas hinzubekommen ist nicht einfach. Auch offenbart, was man für eine melancholisch-abgeklärte Pose halten könnte, bei genauerem Hinhören Verletzlichkeit mit Tiefgang. Prädikat: very relatable. Manchmal ist Verifiziert auch einfach sehr, sehr lustig. Ihr erstes Album 40100 ist bereits 2021 via Columbia Records erschienen, 2022 wird sie ihren Siegeszug fortsetzen.

Xing

XING

Xing ist schon als Backgroundsängerin von Lou Asril positiv aufgefallen – es war klar, dass jemand mit so viel Personality, wie Heidi Klum sagen würde, sein Leben nicht in der zweiten Reihe fristen sollte. Umso besser, dass die 23-jährige Linzerin mit der sonoren Stimme sich schon länger musikalisch selbstständig gemacht hat. Aktuell arbeitet sie an ihrer zweiten EP, auf der die Auseinandersetzung mit sich selbst in den Texten zentral sein wird, wie die Musikerin sagt. Xings Sound klingt organisch, das meiste dürfte live mit Band eingespielt worden sein, Einflüsse von Jazz und Soul durchziehen ihre fast zeitlose Musik, die sowohl aufs Popfest als auch ins Porgy & Bess passt.

Bipolar Feminin

Numavi Rec

Hass, Wut und Frust tragen nicht unbedingt zu einem positiven Lebensgefühl bei, aber sie sind der beste Treibstoff für Musik, die fetzt. "Ich töte euch alle / ich bring euch alle um" beginnt der Refrain von Süß Lächelnd, der ersten Single des Quartetts Bipolar Feminin um Frontfrau Leni Ulrich. Wörtlich muss man ihre Drohungen gegen Männer vom Typ g’schissn nicht nehmen, aber den Wunsch dahinter, das Patriarchat anzünden zu wollen, schon. EP folgt.

Sophia Blenda

Sophia Blenda

Die schlechte Nachricht zuerst: Das Debütalbum von Sophie Löw, die sich als Solokünstlerin Sophia Blenda nennt – bisher kennt man sie als Stimme der Band Culk –, erscheint erst im August. Dann wird dieses schauderhaft hervorragende Werk allerdings ordentlich einschlagen. Guten Kammerpop zu machen ist eine Gratwanderung – schnell kann’s fad oder schablonenhaft werden. Nicht jede und jeder vermag es, melancholische Streicherflächen auch mit würdigen Inhalten zu füllen. Aber genau dort glänzt Blenda mit ihren famosen Texten, die Themen wie Angst und Macht in all ihrer Komplexität zu beschreiben wissen. Das ist Lyrik, nicht Lyrics. Die neue Heiterkeit wird nicht nur ein Album des Jahres sein, es verdient auch einen Literaturpreis.

Kaltenkirchen

kaltenkirchen

Meistens steht heutzutage in Pressetexten über Musiker: "Sie wollen sich nicht auf ein Genre reduzieren lassen." So hätte das Wiener Duo Kaltenkirchen, dem Philip Maria Stoeckenius Stimme und Gesicht verleiht, es auch ausdrücken können. Aber er schrieb: "Der Sound schwebt irgendwo zwischen 00er-Emo-Core im letzten Wagon des Trap-Zugs, mit Grönemeyer-Attitüde." Besser kann man’s nicht sagen. Kaltenkirchen, deren erstes Album Im Namen der Liebe 2019 erschienen ist, sind die Sad Boys, die wir brauchen. Gefühlshymnen, Gitarren, Schlagereinsprengsel mit Punknote und Drumcomputer fügen sich zu einem entzückend bizarren Ganzen. Live: 23. 4. im B72.

Miblu

MIBLU

Miriam Orth-Blau ist nicht nur erfolgreiche Schmuckdesignerin, sondern liefert seit einiger Zeit unter dem Namen Miblu immer wieder kleine Synthpop-Perlen. Ihre Musik fällt manchmal selbstermächtigend positiv und verspielt aus wie auf Still Me, kann aber auch dunkel und sexy wie auf Duchess oder der aktuellen Single Demons daherkommen. Als Alleinstellungsmerkmal kommt Miblus im Wortsinne merkwürdige Stimme hinzu. Ob sie sich auf ihrem im Herbst erscheinenden Debütalbum für einen Stil entscheidet?

Loeweloewe

Radio International

Einen kleinen Startvorteil hat das Quintett Loeweloewe sicher, immerhin sind zwei bereits bei Wanda erfolgreiche Herren, Christian Hummer und Reinhold Weber, mit dabei. Obwohl auch die Löwen auf Deutsch singen, unterscheidet sich der kaleidoskopartig, leicht psychedelische Sound, der an frühere Zeiten erinnert, doch deutlich von dem massenkompatiblen der Erfolgsband. Lauter als die Stimme im Kopf ist eine tolle erste Single, auf die auch Tame Impala neidig wäre (Bongos!). Hoffentlich bald mehr davon.

Oska

OSKA

"Mah!" ist das Wort, das einem bei Oska zuerst in den Sinn kommt. Diese bitter-süßen Coming-of-Age-Popsongs, die auch von einer Olivia Rodrigo oder Taylor Swift in einer ihrer folky Gitarrenphasen stammen könnten, will man wie ein Punschkrapferl in den Mund stecken. Die 23-jährige Waldviertlerin Maria Burger ist eine sehr begabte Songschreiberin, was ihr bereits ein Signing auf dem kanadischen Label Nettwerk und erste internationale Erfolge eingebracht hat. Ihr meistgehörter Song auf Spotify hält bei über zwei Millionen Klicks. Im Februar wird Oskas mit Spannung erwartetes Debütalbum My world, My love, Paris erscheinen.

W1ZE

W1ZEVEVO

Who is she? Diese popkulturelle Frage, die sich beim Anblick einer besonders ikonischen Person, ja einer Erscheinung, egal welchen Geschlechts, zu stellen etabliert hat, passt wie die Faust aufs Auge auf das Talent W1ZE. Der flamboyante junge Mann mit simbabwischen Wurzeln ist nicht nur dank seines selbstbewussten Auftretens eine Bereicherung für die österreichische Musiklandschaft, es ist auch definitiv Zeit für seinen Sound. Einen brillanten Pop-Entwurf mit Einflüssen aus Afrobeats, Hip Hop, R&B und sogar Jersey Club lieferte er bereits mit seiner EP Down Low, die sexy, bunt, spaßig und persönlich ist sowie mit solidem Songwriting glänzt. All hail this Queen!

Anthea

Anthea

Stellen wir uns das Phänomen Anthea mal als Wortwolke vor. Da stünden Begriffe wie Manga, Alien, Babydoll, Motorrad, Ritual, Rave, Goth, Cyborg und ganz oft Internet. So viel mal zum sogenannten Vibe. Auch musikalisch ist bei dem Gesamtkunstwerk Anthea Schranz, das auf der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert, die Hölle los. Analog zu internationalen Musikexperimentiererinnen wie Grimes oder, fast treffender, Rina Sawayama hat sich Anthea dem Crossover verschrieben. Die Basis ihrer Songs ist im Grunde genommen melodiös und im guten Sinne kitschig, damit vermengen sich Versatzstücke aus Gabba und Hyperpop, wie ihre 2021 erschienene EP XEA zeigte. Anthea hört hier aber nicht auf. Gerade arbeitet sie an ihrem Debütalbum, das von D’n’B, Hardcore Punk, Screamo und Pop inspiriert ist, wie sie erzählt. Dunkel, schwer und intensiv soll es werden und so klingen, wie Lava aussieht. Am 7. 1. erscheint ein erster Crossover-Song zwischen Metal und Pop, für den sie mit der Wiener Metal-Musikerin Julie Hill alias Requiem und den Retrofuturisten Powernerd kollaboriert hat. Zusammenarbeit ist bei Anthea überhaupt wichtig, denn die junge Künstlerin weiß: Mehr ist mehr!

Fred Owusu

FRED OWUSU

Es soll nichts Schlimmers passieren, als mit Bruno Mars verglichen zu werden. Dessen aalglatt produzierte Melange aus Pop, Funk, Soul und R’n’B ist ein Erfolgsrezept, von dem sich auch der Grazer Fred Owusu etwas abgeschaut haben dürfte. Einen Mars-Song sang er auch in einer der Starmania-Folgen, wo er im Finale Zweiter wurde. Für eine längerfristige Musikkarriere ist das nicht die schlechteste Ausgangsposition. Im Frühjahr 2022 wird er nun seine erste EP, Freedom, vorlegen. Zwar ist auch diese ziemlich smooth produziert, aber der junge Mann hat genug vom guten Dreck in der Stimme, um den vier Songs Charakter zu verleihen, sie angenehm erwachsen klingen zu lassen. Auch die Zutat Gospel tut einer sinnlichen Nummer wie Milk & Money gut und beschwört den Glamour und die Nonchalance vergangener Zeiten.

Aramboa

ARAMBOA

Der aus Salzburg stammende Produzent Moritz René Scharf war ursprünglich Jazzgitarrist, bevor er sich der Elektronik zuwandte. Durch seine Musik, die man grosso modo dem bei vor allem jüngeren Menschen aktuell sehr beliebten Genre Downtempo zuordnen kann, wandert auch mal ein Fagott – hört man sogar in den Afterhour-Stunden im Club eher selten. 2017 ist sein letztes Album erschienen, im Herbst 2022 wird der zweite Streich folgen. Die Vorabsingle Earth, die am 21. 1. veröffentlicht wird, verbindet pandemiebedingte Melancholie mit einem positiven Blick in die Zukunft.

Als Playlist:

(Amira Ben Saoud, 2.1.2022)