Peter Bogdanovich beim Filmfestival in Venedig, August 2014.

Foto: AFP/GABRIEL BOUYS

Der Psychologe Elliott Kupferberg hat im Universum der Fernseh-Mafia-Familie Sopranos eine kleine, aber gewichtige Nebenrolle. Zu ihm kommt die Kollegin Jennifer Melfi, wenn sie selbst Hilfe braucht. Sie hat es beruflich mit dem Paten Tony Soprano zu tun. Bei Kupferberg ist sie in Supervision, er ist also derjenige, der in einer Kette von Neurosen, Projektionen und Übertragungen eine Art letzte Instanz markiert.

Für Peter Bogdanovich wurde dieser im Halbdunkel sitzende Elliott Kupferberg zu einer melancholischen Altersrolle. Er hatte selbst mehr als genug erlebt, um nun in Ruhe und in halbwegs abgeklärter Distanz noch einmal alles zu reflektieren. Die Position eines Analytikers zweiter Ordnung war dabei ausgesprochen sinnfällig, denn Bogdanovich hatte sich in Hollywood seit den 60er-Jahren eine einmalige Rolle erarbeitet: Er war für eine Weile einer der erfolgreichsten Regisseure, dabei aber auch immer ein Interpret seines Metiers, also einer, der über das Filmemachen nachdachte, der darüber schrieb und der von dem Wissen getrieben war, dass die große Zeit von Hollywood unwiderruflich vorbei war.

Experte für klassisches Hollywoodkino

An einem seiner größten Erfolge kann man schön sehen, wie Bogdanovich sich in diese Tradition stellte. In der Komödie Is' was, Doc? (1972) geht es um einen Musikologen namens Howard Bannister, der eine Theorie über die Bedeutung klingender vulkanischer Steine in der menschlichen Frühgeschichte entwickelt hat. Er trifft auf eine Gaunerin namens Judy (eine hinreißende Barbra Streisand), die sein Leben gründlich aufmischt.

Man kann diesen Howard, gespielt von Ryan O’Neal, als eine Hommage an Cary Grant und an klassische Komödien wie Leoparden küsst man nicht sehen. Bogdanovich hatte diese Ära gründlich studiert. Er hatte ein Buch über John Ford geschrieben, mit Orson Welles hatte er einen großen Interviewband gemacht, und er trat auch in dessen unvollendetem Spätwerk The Other Side of the Wind auf, das 2018 rekonstruiert wurde. Man sieht ihn dort an der Seite von Legenden wie John Huston.

Was für die französische Nouvelle Vague in den 50er-Jahren die Cinémathèque française war, war für Bogdanovich, den 1939 in New York geborenen Sohn einer österreichischen Jüdin und eines serbischen Vaters, das Kino im Museum of Modern Art. Er eignete sich dort ein enormes Filmwissen an und verehrte Regisseure wie Allan Dwan, die nicht zuletzt ihm ihre Wiederentdeckung verdankten.

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Mitte der 60er-Jahre wollte er dieses Wissen unbedingt auch selbst anwenden. Er ging nach Kalifornien, traf dort auf den legendären Produzenten Roger Corman und debütierte 1968 mit dem Thriller Targets, der auch schon eine Hommage enthielt, nämlich an den Horrorschauspieler Boris Karloff.

Eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen Bogdanovichs war damals seine Frau Polly Platt. Die Ehe ging allerdings 1971 in die Brüche, denn Bogdanovich hatte am Set seines großen elegischen Film Die letzte Vorstellung (1971) Cybill Shepherd kennengelernt. Sie wurde seine neuen Partnerin, die Beziehung hielt bis Ende der 70er-Jahre. In dieser Dekade erlebte Bogdanovich alle Höhen und Tiefen, die man im amerikanischen Filmgeschäft erleben kann, mit Is' was, Doc? war er auf dem Höhepunkt, mit Daisy Miller (1974, nach Henry James) begann sein Stern zu sinken.

Kritik von feministischer Seite

Als Bogdanovich 1980 die Komödie Sie haben alle gelacht drehte, arbeitete er quasi auf Bewährung. Mit der Schauspielerin Dorothy Stratten, die als Playboy-Model bekannt geworden war, hatte er eine Affäre begonnen, die katastrophal endete: Stratten wurde von ihrem Ehemann erschossen. Der Fall wurde intensiv diskutiert, auch Bogdanovich wurde von feministischer Seite stark kritisiert und reagierte mit einem eigenen Buch The Killing of the Unicorn (1984). 1988 heiratete Bogdanovich schließlich Louise, die jüngere Schwester von Dorothy Stratten. Da war er längst ein beliebtes Thema für psychoanalytische Ferndiagnosen, aber eben auch für Versuche einer Entzauberung der Männermythologie geworden, die Hollywood nun einmal lange Zeit vorwiegend war.

Bogdanovich musste sich im strengen Sinn für nichts rehabilitieren, aber es hatte doch den Eindruck einer Wiedergutmachung, als er 1990 mit Texasville an Die letzte Vorstellung anschloss. Seine Hommage an die "Music City" Nashville The Thing Called Love (1995) atmete einen Geist neuer Unbeschwertheit, wenngleich der Film heute von dem frühen Tod des Schauspielers River Phoenix überschattet ist.

Peter Bogdanovich litt zuletzt unter Parkinson, an den Folgen dieser Krankheit ist er am Donnerstag in Los Angeles im Alter von 82 Jahren gestorben. Das amerikanische Kino hat mit ihm einen seiner einflussreichsten Intellektuellen verloren. (Bert Rebhandl, 7. 1. 2022)