Der Verfassungsgerichtshof betont, dass die aktuelle Bestimmung der gemeinsamen Adoption durch Lebensgefährten nicht entgegenstehe. Sie wurde vom Bezirksgericht falsch ausgelegt.

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Zell am See / Wien – Lebensgefährten dürfen ebenso wie verheiratete oder verpartnerte Paare gemeinsam ein Kind adoptieren. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einer am Montag zugestellten Entscheidung klargestellt. Ins Rollen gebracht hatte den Fall eine Familie aus Salzburg, die einen Beschluss des zuständigen Bezirksgerichts bekämpfte.

Der Mann hatte ein Kind adoptiert, das er zusammen mit seiner Partnerin, mit der er unverheiratet in einer Lebensgemeinschaft lebt, zuvor in Pflege hatte. Die leibliche Mutter hatte das Kind zur Inkognitoadoption freigegeben. Das heißt, die Adoptiveltern wissen zwar, wer die leibliche Mutter ist, und kennen die Vorgeschichte des Kindes, die leiblichen Eltern erfahren jedoch nicht, wohin das Kind kommt. Die Adoptiveltern hatten das Kind bereits kurz nach der Geburt in Pflege. Im Adoptionsverfahren wurde festgestellt, dass beide gute Eltern sind.

Schon seit 2016 steht Kindeswohl im Zentrum

Der Vater hatte den Antrag auf Adoption allein gestellt, "weil das Jugendamt behauptet hat, dass er und seine Lebensgefährtin nicht gemeinsam adoptieren können", erklärt der Anwalt der Familie, Helmut Graupner. Dem Antrag wurde stattgegeben. Daraufhin schlossen die Lebensgefährtin und das Kind einen Adoptionsvertrag ab und beantragten beim zuständigen Bezirksgericht Zell am See, den Vertrag gerichtlich zu bewilligen. Das Gericht wies den Antrag jedoch ab, da es der Rechtsansicht war, nur Ehegatten und eingetragene Partner dürften gemeinsam adoptieren.

Das jedoch sei mit 1. Jänner 2016 aufgehoben worden, präzisiert Graupner. "Seither können alle ein Kind adoptieren, wenn es das Kindeswohl fördert." Daher erhob die Familie gegen den Beschluss Rekurs beim Landesgericht Salzburg und beantragte gleichzeitig beim VfGH, die Bestimmung im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch als verfassungswidrig aufzuheben.

Bezirksgericht hat Bestimmung falsch ausgelegt

Der VfGH stellte fest, dass das Bezirksgericht die angefochtene Bestimmung falsch ausgelegt hat. Den Antrag der Lebensgefährten, die Regelung aufzuheben, lehnte er ab. Die Bestimmung stehe nämlich der gemeinsamen Adoption durch Lebensgefährten gar nicht entgegen, heißt es in einer Aussendung des Höchstgerichts. Es verstoße sowohl gegen das Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens als auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, Lebensgefährten generell von der Möglichkeit der Adoption auszuschließen.

Die Adoption sei zu bewilligen, wenn sie dem Kindeswohl entspreche und eine Beziehung, die jener zu leiblichen Eltern ähnelt, bestehe. Unter diesen Voraussetzungen stehe auch Lebensgefährten die Adoption grundsätzlich offen, betont der VfGH.

"Die Familie ist sicherlich hocherfreut", sagt Graupner zu der Entscheidung. Er hofft, "dass damit nun für alle Gerichte in Österreich klar ist, wie die Rechtslage seit 2016 ist. Man muss nicht verheiratet sein oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, um gemeinsam zu adoptieren. Vielmehr steht das Kindeswohl im Zentrum."

Das pflegschaftsgerichtliche Verfahren über die Bewilligung des Adoptionsvertrags wird nun vom Landesgericht Salzburg als Rekursgericht fortgesetzt. Das Landesgericht werde die ablehnende Entscheidung wohl aufheben und sie an das Bezirksgericht Zell am See rücküberweisen, sagt Graupner. (Stefanie Ruep, 10.1.2022)