Die österreichische Erfolgsgeschichte nach 1945 war nicht zuletzt deshalb möglich, weil die zwei staatstragenden Parteien, ÖVP und SPÖ, ebenso wie der Gewerkschaftsbund in der Besatzungszeit einheitlich geblieben sind. Für den gefährlichsten Spaltungsversuch in der SPÖ in den Vierzigerjahren war der SPÖ-Abgeordnete und Zentralsekretär Erwin Scharf verantwortlich gewesen.

Scharf vertrat einen kommunistenfreundlichen Kurs. Nach seinem Ausschluss aus der Partei gründete er eine linkssozialistische Gruppe, die aber bald danach in der Versenkung verschwand.

Viele Jahre später ein persönliches Gespräch mit ihm, damals Chefredakteur der kommunistischen Volksstimme, bestätigte für mich das, was der Historiker der österreichischen Sozialdemokratie, Norbert Leser, einmal feststellte: Scharf sei keine Symbolgestalt einer großen Vergangenheit, sondern nur eine unbedeutende und kurzlebige Nachkriegsfigur gewesen.

Ganz anders war die Bedeutung Franz Olahs, der nach Scharfs Parteiausschluss dessen Mandat im Nationalrat übernommen hatte. Nach acht Jahren in Gefängnissen und Konzentrationslagern im austrofaschistischen Ständestaat und in der NS-Zeit hatte er als Chef der Bau- und Holzarbeitergewerkschaft im Herbst 1950 bei dem Widerstand gegen den kommunistischen Generalstreikversuch und in den Sechzigerjahren als ÖGB-Vorsitzender und als Innenminister in der SPÖ eine Schlüsselrolle gespielt.

Ich habe mit ihm oft gesprochen und sein tragisches Schicksal nach dem verlorenen Machtkampf aus der Nähe verfolgt.

Medienoffensive

Sein Sturz 1964 provozierte spontane Streiks und Massenkundgebungen für ihn. Er wurde wegen missbräuchlicher Verwendung von Gewerkschaftsgeldern für die Finanzierung seiner 1965 gegründeten Demokratischen Fortschrittlichen Partei (DFP) zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Die rechtspopulistische DFP schaffte bei der Nationalratswahl 1966 zwar den Einzug nicht, doch trug sie mit 160.000 Stimmen zweifellos zur absoluten Mandatsmehrheit der ÖVP bei.

Seit der verlorenen Nationalratswahl 2019 spielt sich in der SPÖ im Sinne des berühmten Gleichnisses von Karl Marx nach der "Olah-Tragödie" eine "Doskozil-Farce" ab. Der burgenländische Landeshauptmann pocht auf seine absolute Mehrheit im Landtag. Der einstige Polizist tritt immer wieder in polarisierenden Selbstinszenierungen gegen die Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und ihre vom Parteipräsidium unterstützte Linie, zuletzt in der Frage der Impfpflicht und der Wiederwahl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, auf.

Eine von langer Hand vorbereitete Medienoffensive soll den erfolgreichen Lokalpolitiker (noch immer ohne eine modulationsfähige, starke Stimme) als Retter in der Not für die Sozialdemokratie aufbauen. Seine anonymen Anhänger verbreiten sogar Abspaltungsgerüchte im Falle seines Misserfolgs beim innerparteilichen Kräftemessen. Doskozil beeilte sich freilich, solche Ideen sofort von der Hand zu weisen.

Mit seinen ständigen Wortmeldungen ist dem burgenländischen Lokalmatador immer wieder eines gelungen: die in der letzten Zeit gestiegenen Popularitätswerte der SPÖ wieder abzusenken. (Paul Lendvai, 18.1.2022)