Im Austria Center Vienna (ACV) werden Impfungen durchgeführt. Eventuell könnten dort künftig Schutzzonen errichtet werden.

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Wer sich einst für den Beruf der Ärztin, des Pflegers oder Sanitäters entschied, dachte sich wohl nicht, eines Tages mit Tipps seitens des Verfassungsschutzes konfrontiert zu sein: Möglichst im öffentlichen Raum keine Arbeitsbekleidung zu tragen wird einem etwa seit Anfang Jänner geraten. Oder: keine Hinweise auf Privatadressen in Impfboxen zu hinterlassen, oder: achtsam zu sein bei verdächtigen Lieferungen.

Die Bedrohungslage gegen Gesundheitspersonal steigt. Das legt nicht nur die Einschätzung der Sicherheitsbehörden nahe, sondern das zeigen auch bereits konkrete Zwischenfälle in Krankenhäusern oder im Umfeld von Demonstrationen. Die Regierung will nun auf diese Bedrohungslage reagieren. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sieht "rote Linien" überschritten, wie er bereits vor einigen Wochen deutlich machte. Deshalb sollen in absehbarer Zeit Schutzzonen vor Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern, Impfzentren oder Teststraßen errichtet werden können. Das wurde am Mittwoch im Ministerrat besprochen. Bereits im Dezember wurde Karner durch einen Entschließungsantrag dazu aufgefordert, den Schutz von Gesundheitspersonal sicherzustellen.

Wegweisung

Konkret soll das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, heißt es aus gut informierten Kreisen. Dort ist bisher schon geregelt, unter welchen Umständen die Sicherheitsbehörde eine sogenannte Schutzzone bestimmen kann. Die Regelung zielt aktuell vor allem auf Kindergärten und Schulen ab und könnte künftig um Gesundheitseinrichtungen erweitert werden. Den Behörden wäre es dann möglich, Orte rund um entsprechende Einrichtungen per Verordnung als Schutzzone zu definieren – zum Beispiel, wenn es immer wieder zu Vorfällen wie Schmierereien, Drohgebärden oder Ähnlichem kommt. Die Polizei könnte dann Personen wegweisen oder das Betreten des Ortes verbieten, wenn der Betrieb der Einrichtung durch das Verhalten oder die Anwesenheit erschwert oder gefährdet wird.

Sollten die Pläne auf diese Art umgesetzt werden, würde dies bedeuten, dass es kein generelles Demonstrations- oder Kundgebungsverbot vor Spitälern und vergleichbaren Einrichtungen geben würde. Auch derartige Verbote wären laut Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk unter bestimmten Umständen möglich, wie er bereits vor einigen Wochen im STANDARD-Gespräch erläuterte.

Wie die Schutzzonen-Regelung im Detail ausgestaltet sein wird, ist allerdings noch offen. "Wie man es verfassungs- und gesetzeskonform umsetzt, dazu braucht es noch Verhandlungen", sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat. Vorerst solle diese neue Regelung jedenfalls bis Ende 2022 befristet umgesetzt werden.

Auflösungen

Schon jetzt kann eine Demo, die zum Beispiel den Zugang zu Gesundheitseinrichtungen beeinträchtigt, aufgelöst werden. Bei einer derartigen Bedrohungslage soll die Polizei künftig offenbar auch härter durchgreifen. "Angesichts der steigenden Infektionszahlen im Zusammenhang mit der Omikron-Variante und der damit verbundenen hohen Gesundheitsgefährdung könnte es künftig zum Schutz der Gesundheit – selbstverständlich unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen – unumgänglich sein, verstärkt von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen", heißt es seitens der Regierung.

Zeigt jemand eine Versammlung an, soll zudem "verstärkt und deutlich auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen bei verbalen wie physischen Angriffen auf das Personal der Gesundheitseinrichtungen hingewiesen werden".

Derzeit existiert eine generelle Bannmeile, die Versammlungen per se untersagt, nur in wenigen Ausnahmefällen, und zwar dann, wenn Nationalrat, Landtag oder Bundesrat eine Sitzung abhalten. Im Umkreis von 300 Metern darf dann keine Demonstration stattfinden. Schlagend wird diese Regelung zum Beispiel morgen, Donnerstag, wenn der Beschluss der Impfpflicht auf der Tagesordnung im Parlament steht. Impfgegner haben bereits Protest angekündigt und tauschen sich in einschlägigen Foren darüber aus, welche Plätze man knapp außerhalb der Bannmeile für eine Versammlung ansteuern könnte. In der Innenstadt könnte es jedenfalls zu mehreren, auch spontanen, Kundgebungen kommen. (Vanessa Gaigg, 19.1.2022)