Die besten Tage hat das imposante Gebäude Ecke Löwen-/Paracelsusgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk hinter sich. Sowohl im übertragenen als auch im realen Sinne. Die letzte Generalsanierung beauftragte die Generali-Versicherung als Eigentümer Anfang der 1990er-Jahre. Über dem Eingang, zwischen Mezzanin und erstem Stock, ist noch der Schriftzug "Palais des Beaux Arts" erkennbar. Was es damit auf sich hat, erschließt sich Passanten nicht.

In den 1920er-Jahren wurden die Verkaufsausstellungen im "Palast der schönen Künste" im 3. Wiener Gemeindebezirk regelmäßig beworben.
Foto: Anno, „Moderne Welt“

Gestalterisch verbanden die Architekten Anton und Josef Drexler hier 1908/09 Elemente des Wiener Späthistorismus mit solchen des französischen Art nouveau. Der turmartige Erkerbau ist oben von zwei Frauengruppen flankiert, die vergoldete Globen tragen und damit die internationale Tätigkeit des ursprünglichen Bauherrn in Erinnerung rufen.

Sein Name war Arnold Bachwitz, und er galt als "Begründer des Modefachblattwesens in Österreich", wie in seinem Nachruf 1930 zu lesen war. Ein symbolischer Blick hinter die Fassade offenbart sowohl die Erfolgsstory eines Verlegers als auch das tragische Schicksal der Familie, die größtenteils im Holocaust umkam.

"Wie in Paris!"

Georg Gaugusch, der seit vielen Jahren zum jüdischen Großbürgertum Wiens forscht, widmete ihr 2011 in seinem Buch Wer einmal war (Amalthea-Verlag) ein Kapitel. Demnach hatte der aus Preußen gebürtige Arnold Bauchwitz, der seinen Namen 1892 in Bachwitz änderte, im Jänner 1883 mit Sigmund Freudenthal ein auf Damenmäntel spezialisiertes Einzelhandelsunternehmen in Wien gegründet.

Einblick in einen der bis zu zehn mit Kunstwerken gleichsam tapezierten Ausstellungsräume im "Palast der schönen Künste"
Foto: Anno, „Moderne Welt“

Zur Jahrhundertwende betrieb Bachwitz bereits ein nach ihm benanntes Atelier am Hohen Markt, das etwa unter dem Titel "La Mode Parisienne" Modelle mit beiliegenden Schnittmusterbögen oder ganze Alben unter dem Sammelnamen "Beaux Arts de Mode" publizierte. Der Erfolg sollte sich auch im repräsentativen Neubau spiegeln.

Die Frage der Architekten, wie dieser denn aussehen sollte, habe Bachwitz mit "Wie in Paris! Und ein bissel romantisierend!" beantwortet, wie Autorin Eva-Maria Mandl in einem Artikel zum Palais des Beaux Arts 2017 erwähnte.

Der "Verlag der schönen Künste", der Mitte der 1920er-Jahre in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, gab rund 15 unterschiedliche – handkolorierte (!) – mehrsprachige Modefachblätter heraus, die auch in Paris, New York oder Madrid erschienen. Aus einem kleinen Betrieb war "ein Welthaus" entstanden, "das in seinen vielen Atelier- und Bureauräumen hunderte Angestellte beschäftigte", wie Ludwig Hirschfeld anlässlich des 70. Geburtstages "seines" Chefs 1924 schrieb.

Verkaufsgalerie

Arnold Bachwitz (1854-1930): Sein Modejournal- und Zeitschriftenverlag galt als einer der führenden Europas. Zu einer der liebsten Freizeitbeschäftigungen des passionierten Virginia-Rauchers gehörte das Fischen.
Foto: Anno, „Moderne Welt“

Der große und legendäre Feuilletonist, der nach 1942 in Auschwitz ermordet werden sollte, war nicht nur für die Neue Freie Presse tätig, sondern von 1918 bis 1927 auch Chefredakteur der von Bachwitz ebenfalls verlegten Modernen Welt: eine Illustrierte mit den Schwerpunkten Kunst, Literatur und Mode, die bis Ende 1939 erschien und seit einiger Zeit, digitalisiert, über Austrian Newspaper Online, den virtuellen Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek, abrufbar ist.

In dieser Zeitschrift wurden auch Kunstwerke aus bekannten Privatsammlungen wie jener Heinrich Riegers oder der Wilhelm Kuffners abgebildet. Ob es hier einen Zusammenhang zu Arnold Bachwitz’ Tätigkeit als Kunsthändler gibt, ist nicht bekannt. Gesichert ist, dass er einen Kunsthandel betrieb. Ein Geschäftszweig, der wohl während des Ersten Weltkrieges mit einer Verkaufsausstellung des Kriegsfürsorgekomitees mit Antiquitäten und Bildern begann, für die Bachwitz Räumlichkeiten zur Verfügung stellte.

In den Folgejahren erschienen da und dort Anzeigen, in denen man auf bis zu 2000 "Ölgemälde und Aquarelle erster Künstler des 19. und 20. Jahrhunderts" zu "fixen Katalogpreisen" hinwies, die in bis zu zehn Ausstellungsräumen angeboten wurden.

"Durch die Schaffung der Verkaufsgalerie ‚Palast der schönen Künste‘, attestierte die Österreichische Buchhändler-Correspondenz anlässlich seines 75. Geburtstages 1929, habe ‚Kommerzialrat Bachwitz‘ auch ‚anregend auf den Wiener Kunstmarkt gewirkt‘."

Arisierung & Deportation

1919 erschien in der "Modernen Welt" ein Nachruf auf den kurz zuvor verstorbenen Künstler Egon Schiele, der mit Werken aus der Sammlung Heinrich Riegers illustriert wurde.
Foto: Anno, „Moderne Welt“

Ende 1934 bewarb man die "Große Gemälde-Ausstellung" ein letztes Mal. Dann dürfte der Handel mit Kunst des 1931 in Chic Parisiene Bachwitz AG umbenannten Unternehmens eingestellt worden sein. Zuletzt war Anton Heinrich Drexler zuständig, der Sohn des Architekten Anton Drexler, der 1931 Arnold Bachwitz’ Enkelin geheiratet hatte.

Der erfolgreiche Verlag wurde kurz nach dem "Anschluss" arisiert. Arnold Bachwitz’ Witwe Rosine wurde ebenso wie die Töchter Alice (Strel) und Margarete "Grete" (Lebach) sowie die Schwiegersöhne Adolf Strel und Willy Lebach ihrer Vorstandsmandate enthoben. Noch bevor die Ariseure als Vorstandsmitglieder eingesetzt wurden, musste man Adolf Strel in aller Stille begraben: Er hatte sich am 18. März das Leben genommen. Fünf Monate später sollte Margarete, eine enge Freundin Albert Einsteins, im Rothschildspital an Krebs sterben.

Als die April-Ausgabe der Modernen Welt erschien, war die Schriftleitung bereits ausgewechselt worden und pries man die "Wiedervereinigung": "zum ersten Male seit ihrem 20-jährigen Bestehen" zeige man "als deutsche Modezeitschrift Aktuelles in Wort und Bild – Heil Hitler!". Die Chic Parisiene Bachwitz AG wurde – nach einem Intermezzo der Familie Leithe-Jasper, Eigner des Braumüller-Verlages – von Adolf Luser arisiert, bis Juli 1938 Inhaber des gleichnamigen und völkisch-national ausgerichteten Verlages.

Restitutionen

Auch in der Illustrierten "Moderne Welt" wurde laufend eine Modebeilage publiziert, die, wie hier im Jahr 1925 ("Revue Mondaine"), händisch koloriert wurde.
Foto: Anno, „Moderne Welt“

Unter seinem Druck musste die Familie im Oktober 1939 auch die Immobilien abtreten: sowohl das Palais des Beaux Arts als auch das Miethaus in der Paracelsusgasse nebenan. Rosine Bachwitz wurde im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und kurz nach Vollendung ihres 79. Lebensjahres Ende Oktober ermordet. Ihre Tochter Alice war von Prag aus im Juni 1942 nach Polen deportiert worden. Auch sie überlebte den Holocaust nicht.

Der Verlag war später in den der Deutschen Arbeitsfront übergegangen. Nach dem Krieg versuchte Alice Strels Tochter den von ihrer Familie begründeten Verlag wiederzubeleben. Vergeblich. Die beiden Immobilien bekamen die Überlebenden zurück: vom Sohn des im November 1941 verstorbenen Ariseurs, der sich für seinen Vater schrecklich geniert habe.

"Man kann die Dinge nicht ungeschehen machen, man darf sie aber auch nicht unerwähnt lassen", merkt der heute 86-jährige Urenkel von Bachwitz und Enkel des Architekten an. 2003 restituierte die Wiener Stadt- und Landesbibliothek eine Kollektion von Modezeitschriften an die Familie: 45 Exemplare, die mehrheitlich schon unter arischer Leitung erschienen waren. (Olga Kronsteiner, 22.1.2022)