Parteichef Werner Kogler und Ewa Ernst-Dziedzic bei der Präsentation des grünen Wahlprogramms im Sommer 2019

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Als die Grünen im Herbst 2017 aus dem Nationalrat geflogen waren, hatte Ewa Ernst-Dziedzic gemeinsam mit David Stögmüller die Stellung gehalten: Die beiden waren damals im Bundesrat die letzten grünen Farbtupfer im Parlament. Zwei Jahre später ist die Lage der Grünen eine komplett andere: Man ist eine selbstbewusste Regierungspartei; pragmatisch, effizient und diszipliniert – und Ernst-Dziedzic sieht sich im grünen Klub zusehends isoliert. Mit ihrem öffentlichkeitswirksamen Fernbleiben von der Abstimmung über die Impfpflicht hat sich Ernst-Dziedzic endgültig als grüne Abweichlerin präsentiert.

Bei der internen Klubsitzung soll es sogar zu Rücktrittsaufforderungen gekommen sein. Auch andere grüne Abgeordnete hätten Bauchweh bei der Entscheidung für die Impfpflicht gehabt, waren aber nach internen Debatten der Mehrheitsentscheidung gefolgt – auch um öffentlich Einigkeit zu zeigen. Das Agieren von Ernst-Dziedzic sei von vielen als unsolidarisch wahrgenommen worden, heißt es. Seit ihrem Fernbleiben herrsche weitgehend Funkstille mit Ernst-Dziedzic, die auch interne Chatgruppen verlassen habe, heißt es von Involvierten.

Keine Impfskeptikerin

Gegenüber der Öffentlichkeit hält sich die Abgeordnete bedeckt. Nur eines will sie klarstellen: Sie halte viel von der Impfung, sei selbst geimpft und sicher nicht im Milieu der Corona-Maßnahmen-Skeptiker einzuordnen; es gehe ihr um grundrechtliche Bedenken. Andere im Klub sollen davon nicht überzeugt sein. "Von wem will sie dafür Applaus haben?", heißt es etwa aus der Kollegenschaft.

Unterschiedliche Versionen bekommt man auch über den internen Diskussionsprozess zu hören. Ernst-Dziedzic wohlgesinnte Kolleginnen und Kollegen attestieren ihr Engagement und Prinzipientreue, andere legen ihr das als Sturheit und Opportunismus aus. Fakt ist, dass die grüne Menschenrechtssprecherin immer wieder ausschert: Während des türkis-grünen Streits rund um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria besuchte Ernst-Dziedzic das Lager öffentlichkeitswirksam. Auch rund um den Widerstand gegen Kinderabschiebungen tat sie sich als Wortführerin hervor.

Nicht die erste Kontroverse

Das könnte eine Rolle dabei gespielt haben, dass Ernst-Dziedzic im Jänner 2021 nicht mehr als Vizeklubobfrau verlängert wurde – auch wenn das offiziell bestritten wird. Statt ihr wurden die parlamentarisch eher unerfahrenen frischen Abgeordneten Meri Disoski und Olga Voglauer zu Stellvertreterinnen von Klubobfrau Sigrid Maurer. Dass Dziedzic aneckt, zeigte schon die Wahl des grünen Bundesvorstands im Jahr 2018: Da erhielt sie lediglich 78 Prozent der Stimmen. Geschadet hat ihr das später jedoch nicht – und so manche bei den Grünen sind ganz froh, wenn jemand den türkis-grünen Kurs nicht so diszipliniert wie andere mitträgt. Auch außerhalb der eigenen Partei wird Ernst-Dziedzic ambivalent wahrgenommen.

Sie sei zwar engagiert, presche dann aber doch vor, statt geduldig zu verhandeln, heißt es. Beispielhaft dafür könnte die Gründung der überparteilichen LGBTQI-Plattform im Parlament herangezogen werden: Ernst-Dziedzic setzt sich leidenschaftlich dafür ein, dass LGBTQI-Rechte gestärkt werden, und wollte das mit Verbündeten aus anderen Fraktionen forcieren. Doch dann kündigten sie und Mario Lindner (SPÖ) plötzlich die Initiative im Alleingang an, obwohl Neos-Abgeordnete wie Yannick Shetty und auch ÖVP-Mandatare wie Nico Marchetti eine Mitarbeit signalisiert gehabt hätten.

Bislang kann sich Ernst-Dziedzic intern aber gut halten: Schon 2008 dockte sie, damals als Referentin, an den grünen Parlamentsklub an. Sie wurde Bezirksrätin in der Brigittenau, im Jahr 2015 dann Bundesratsmitglied. 2019 erfolgte der Einzug in den Nationalrat, als Listenzweite der Wiener Grünen – nur der jetzige Umweltsprecher Lukas Hammer erhielt damals mehr Stimmen als Ernst-Dziedzic. (Fabian Schmid, 23.1.2022)