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Wien – Einen Rückschritt in Sachen Gewalt an Frauen hat die SPÖ beim "Barbara-Prammer-Symposium" am Montag moniert. Im Zentrum stand heuer die Istanbul-Konvention, die Frauen vor Gewalt schützen soll. Um diese in Österreich umzusetzen, forderte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner unter anderem mehr finanzielle Mittel sowie Personal in Gewalt- und Opferschutz und eine unabhängige Koordinierungsstelle, die Gewaltschutzmaßnahmen in Österreich evaluiert.

34 Staaten haben die Istanbul-Konvention des Europarates ratifiziert, für sie ist der Vertrag zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bindend. Zehn weitere haben ihn unterzeichnet, so Johanna Nelles, Leiterin des Sekretariats im Europarat zum Monitoring der Umsetzung der Konvention. Seine Grundpfeiler seien Prävention von Gewalt, Opferschutz, Strafverfolgung und ineinandergreifende politische Maßnahmen. Als eines der ersten Länder wurde die Umsetzung in Österreich evaluiert. Dabei begrüßte das Komitee die Aufstockung von Mitteln, sprach sich aber auch für Nachbesserungen aus, etwa für einen besseren Zugang zu Beratungsstellen und Frauenhäusern für Betroffene mit Behinderungen, Suchtproblemen und Asylwerberinnen sowie für Betroffene von Zwangsheirat und weibliche Genitalverstümmelung.

Gesellschaftliche Ächtung

Um sich von häuslicher Gewalt zu befreien, brauche es Hilfsangebote, gesetzliche Rahmenbedingungen und die gesellschaftliche Ächtung von Gewalt, meinte die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, die für eine "feministische, menschliche Zukunft" kämpfen will. Österreich sei das einzige Land in Europa, in dem mehr Frauen als Männer ermordet werden, sagte Rendi-Wagner und wies auf die 31 Femizide im Jahr 2021 hin. Es brauche deshalb einen Ausbau der Hochrisikokonferenzen und einen nationalen Aktionsplan Gewaltschutz.

Die Oppositionspartei scheute bei der Veranstaltung erwartungsgemäß nicht mit Kritik an der Regierung: "In der aktuellen Frauenpolitik fehlt uns sehr viel", meinte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner. Sie sieht die mühsam erkämpften Fortschritte ihrer Vorreiterinnen bröckeln. Sie kritisierte den von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) geplanten Frauenfonds – eine ihres Erachtens "komplett undurchsichtige Box", die sich jeder parlamentarischen Kontrolle entziehe. Man könne nicht mehr fragen, wohin das Geld fließe. Kritische Frauenorganisationen würden sich sorgen, dass ihnen die Finanzierung so gestrichen oder gekürzt werde.

Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, prangerte an, dass Migranten und Flüchtlinge als Sündenböcke für ungelöste Probleme dargestellt würden. Marginalisierung bringe Betroffene in ausweglose Situationen – dass Asylwerber etwa nicht arbeiten dürften, führe bei manchen zu Gewalt. Logar forderte erneut 228 Millionen Euro pro Jahr sowie 3.000 neue Arbeitsplätze zur Verhinderung von Gewalt an Frauen. Auch brauche es einen Betreuungsschlüssel für Opferberater, die teilweise 250 bis 300 Betroffene betreuen müssten.

Kein temporäres Problem

Die Corona-Pandemie wurde von den Sprecherinnen und Sprechern der virtuellen Veranstaltung, die jedes Jahr anlässlich des Geburtstages der 2014 verstorbenen SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer stattfindet, zu einem Treiber der Gewalt gegen Frauen erklärt. Maßnahmen wie Lockdowns hätten zu mehr Gewalt geführt, betroffene Frauen sehr begrenzten Zugang zu Hilfsangeboten gehabt, sagte László Andor, Generalsekretär der Stiftung für Europäische Progressive Studien FEPS ("Foundation for European Progressive Studies"). Geschlechterbasierte Gewalt sei aber ein systemisches, kein temporäres Problem in Europa. (APA, 24.1.2022)