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Welt findet in der Quarantäne sehr gern auch auf dem Flachbildschirm statt.

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"F is for Family"

Eine Zeichentrickserie für Erwachsene führt uns in die US-Suburbs der frühen 1970er. Frank Murphy arbeitet in einem scheiß Job bei einer abgetakelten Fluglinie, seine Familie bemüht sich, den Fliehkräften zu trotzen – nicht immer mit Erfolg. Die Dichte der Schimpfwörter ist beträchtlich, jene der genialen Charaktere ebenso. Auf Netflix, vier Staffeln. (flu)

Anne-Frank-Podcast

Vom Bundespräsidenten über Austrofred, Angelika Niedetzky, Gregor Gysi, Josef Hader, Hanna Herbst, Danielle Spera bis hin zu Dirk von Lowtzow, Yasmo und Dirk Stermann: Insgesamt vier Dutzend Persönlichkeiten haben den vom Büro Butter initiierten neuen Podcast zu Anne Frank eingelesen. Er soll insbesondere Jugendliche über die Verbrechen des NS-Regimes aufklären. Ab 27. 1. auf www.annefrank.digital gratis online. (afze)

Genau hinhören

Klavierstar Igor Levit.
Foto: epa

Beethovens 32 Klaviersonaten hat er alle schon seit dem Jubeljahr 2020 durch. In seinem neuen Klavierpodcast für den Bayerischen Rundfunk widmet sich der Weltklassepianist Igor Levit nun musikalischen Variationen zwischen klassisch (Händel variiert Brahms, Goldbergvariationen) und avantgardistisch (Ronald Stevenson, Frederic Rzewski). Sachkundig und persönlich. (wurm)

28 kurze Minuten

Dauert nur 28 Minuten, und keine davon ist zu viel. In ihrem Regiedebüt Olla skizziert die französisch-griechische Schauspielerin Ariane Labed (bekannt aus Attenberg), wie eine Frau aus Osteuropa, auf eine Internetannonce hin, bei Pierre und seiner pflegebedürftigen Mutter in einer französischen Vorstadt einzieht. Wie man sie dort im und außerhalb des Hauses bewertet und wie sie sich vier Zigaretten gleichzeitig anzündet: hart und lustig. Abrufbar auf Mubi. (afze)

Gemüse kochen

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Yotam Ottolenghi, Held der fleischfreien Küche.
Foto: Reuters

Angefangen hat alles 2020 mit ehrlichem Sauerteigbrot aus dem Backofen. Mittlerweile ernährt sich der zu Hause in der Quarantäne mit Waschbärbauch geerdete Mensch fast ausschließlich von Beilagen. Deshalb schwärmt die Social-Media-Welt derzeit von Yotam Ottolenghi und seinen vegetarischen Gerichten. Die findet man im Internet oder kann sie sich in Buchform zukommen lassen. Der im Rohr mit Tahini-Sauce überbackene Brokkoli war jetzt nicht so der Bringer. Kein Wunder, dass Brokkoli schlank macht. Das Kartoffelgratin mit Kokosmilch ist aber gut. Vor allem als Beilage zu Lamm. (schach)

Hippie shake

Apropos Ewigkeit: In Jonathan Frantzens neuestem Romanwälzer Crossroads (Rowohlt) wird die Entstehung der US-Moral aus dem Zusammenwirken von Bigotterie und Hippietum nicht nur erschöpfend, sondern vor allem zum Brüllen komisch erklärt. (poh)

Yanagihara-Kosmos

Schreibt Literatur im Wälzerformat: Hanya Yanagihara.
Foto: imago

Gerade ist der neue Wälzer Zum Paradies der US-amerikanischen Autorin Hanya Yanagihara erschienen. Die deutsche Fassung zählt fast 900 Seiten (Claassen). Obwohl sich die meisten Feuilletons in harscher Kritik über den Neuling übten, kann man nach dem Überraschungserfolg Ein wenig Leben (fast 1.000 Seiten; 2015) der Versuchung kaum widerstehen. Zu wenig Zeit ist keine Ausrede mehr. (kr)

Endlich entdecken

Egal, ob einem in der Quarantäne ein frischer Luftzug fehlt und man die Wolken vom Erdgeschoßfenster aus schlecht sehen kann oder ob man erfahren will, welch ein Spektakel ein Honigklecks auf dem Frühstücksteller, das "Fenster vis-à-vis" oder die Erinnerung an Freunde sein können: Die zu wenig gelesene Friederike Mayröcker ist die richtige Adresse. (wurm)

Zen-Musik

Wer unfreiwillig sehr viel Zeit zu füllen hat, muss bisweilen Musik wählen, die sich selbst Zeit nimmt und per Ohr das Innere entschleunigt. Diesbezüglich empfiehlt sich eine Legende der klingenden Kontemplation. Music for Zen Meditation von Tony Scott ist ein Klassiker der improvisatorisch betriebenen Versenkung. Der Klarinettist schaffte 1964 Klänge, die das Zeitgefühl aufheben. Um mit Richard Wagner zu sprechen: Zum Raum wird hier die Zeit. (toš)

Memoiren

Neoliterat Edgar Selge.
Foto: imago

Der deutsche Schauspieler Edgar Selge memoriert in seinem ersten Buch, Hast du uns endlich gefunden, seine Kindheit zwischen Nazi-Eltern, Hochkultur und Unglück bringenden Handgranaten in bestechender Erzählform. Frisst man wie eine Tafel Schokolade. Erschienen bei Rowohlt. (flu)

Burgtheater auf Zoom

Vorstellungen streamt das Burgtheater nicht, stellt aber allwöchentlich am Donnerstag um 18.45 Uhr eines der auf dem Spielplan stehenden Werke im Rahmen eines Online-Gesprächs über die Plattform Zoom vor: Bei Werk im Fokus steht diese Woche Die Schwerkraft der Verhältnisse im Zentrum, zu Gast sind Schauspielerin Katharina Lorenz und Dramaturg Andreas Karlaganis. Link über die Webseite des Burgtheaters. (afze)

Blaue Legenden

Die Vinyl-Alben des Blue-Note-Labels gehören zu den begehrtesten von Sammlern der Neigungsgruppe Jazz. Sophie Hubers Dokumentarfilm Blue Notes Records: Beyond the Notes führt hinter die Kulissen der Institution, bei der Musiker wie Bud Powell, Miles Davis und John Coltrane einen Hafen fanden (z. B. auf iTunes). (kam)

Familienbusiness

Wer spät eingestiegen ist, ist im Fall einer Quarantäne nun besser dran. 2018 lief in den USA die erste Staffel von Succession: Der Patriarch der Familie, die den fünftgrößten Medienkonzern der Welt besitzt, ist nach einem Schlaganfall außer Gefecht. Zwar derappelt er sich bald, doch der Kampf um die Nachfolge unter den vier Kindern hat begonnen. Inzwischen ist auch Staffel drei online, das ergibt auf Amazon eine Bingedauer von 24 Stunden. Irre viele Helikopterflüge, Ferienhäuser, Panoramablicke über New York inklusive. (wurm)

Geteiltes Leid

Eingesperrt sein, das geht an die Substanz. Wer solche Zustände durchlebt, braucht Vorbilder. Ohne seinen Rachefeldzug nachmachen zu müssen ist diesbezüglich Der Graf von Monte Christoeine lehrreiche Wahl. Alexandre Dumas’ Roman über den zu Unrecht eingesperrten Seemann Edmond Dantès beschreibt, was wahres Durchhalten bedeutet. Der musste 14 Jahre lang hinter Gitter. (toš)

Museum im Bett

Kunstmuseum Basel

Falls man von mühsamen Symptomen geplagt wird und sich an manchen Tagen wie von einem Bus angefahren fühlt, braucht man schöne Berieselung. Seicht muss diese aber durchaus nicht sein! In der Online-Tour durch die Ausstellung Sophie Taeuber-Arp. Gelebte Abstraktion im Kunstmuseum Basel führt die Kuratorin 44 Minuten durch die umfassende Personale der Pionierin der Avantgarde und Abstraktion. Das kostenlose Kulturerlebnis (auf Youtube) bekommt man direkt ins Bett geliefert. (kr)

Überleben im Hip-Hop

Die 1980er in Baltimore: Crack und Gewalt dominieren die Straßen, Familien fallen auseinander, für jungen Schwarze besteht die Zukunft meist aus der Wahl zwischen Gefängnis oder Tod. In diesem Endzeitszenario wächst Ta-Nehisi Coates auf, eine der gefeiertsten Stimmen des linken Amerika. Die Geschichte seiner Jugend, The Beautiful Struggle, ist 2008 erschienen, die unlängst im Blessing-Verlag aufgelegte Übersetzung ist ein eindrucksvoller und etwas anderer Bildungsroman. (hil)

Jugenderinnerung

George Clooneys jüngste Regiearbeit, The Tender Bar, ist still und heimlich direkt zu Amazon Prime gesegelt. Sie hat durchaus Aufmerksamkeit verdient, bezirzt sie doch mit ihrem warmherzigen, nuancierten Tonfall. Im Zentrum: der Bursche JR, der ohne Vater aufwächst. Barkeeper Onkel Charlie (Ben Affleck) übernimmt die Ersatzrolle und weiß – zu – viel über Männlichkeitsbilder. (kam)

15 Männer

Wer Montagabend die Fernsehpremiere versäumt hat: Die klirrend technokratische und bedrückend sehenswerte Neuverfilmung der Wannseekonferenz ist auf der ZDF-Homepage noch zwei Jahre (!) abrufbar. Mit Philipp Hochmair. (hil)

(red, 25.1.2022)