Doppeldeutige Kippbilder: Das Gemälde "Schwäne spiegeln Elefanten wider" steht exemplarisch für Dalís "paranoisch-kritische Theorie".
Foto: Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022 / Robert Bayer, Bildpunkt

Zu diesem Anlass wird sogar das spanische Königspaar nach Österreich reisen. Immerhin treffen zwei National-Ikonen aufeinander: Mit eineinhalbjähriger Verspätung wird im Unteren Belvedere die Ausstellung Dalí – Freud. Eine Obsession eröffnet. Den Surrealisten Salvador Dalí und den Psychoanalytiker Sigmund Freud verband eine innige Affinität – wobei diese nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhte. Felipe und Letizia werden die Ausstellung am Montag offiziell eröffnen, ab heute darf sie schon von Publikum besucht werden.

Vorausgesetzt, dieses findet den leicht versetzten Eingang ins Untere Belvedere, das nun frisch saniert wieder öffnet. Obwohl in den Ausstellungsräumen keine sichtbaren Veränderungen vorgenommen wurden, wird es die Orangerie kaum wiedererkennen. Für die Schau wurde der längliche Saal von Margula Architects offen gestaltet und in ein fleischig rotes Kleid gehüllt: Wände und Fußboden scheinen fast amorphe Züge anzunehmen. Wie in einem Fiebertraum können in fünf Stationen die Einflüsse von Freuds Theorien auf Dalís malerische Bildwelten nachvollzogen werden: ein Blick in die Abgründe bizarrer Träume, absurder Fantasien und Ängste.

Zahlreiche Ausstellungsobjekte wie Briefe, Zeichnungen, Bücher, Magazine und Filme belegen die Obsession. In der Unterzahl sind die Gemälde: Insgesamt gibt es 16 Originale Dalís zu sehen. Grund dafür sei die Schwierigkeit, Werke aus der Zeit von 1929 bis 1937 geliehen zu bekommen, da diese oft konservatorisch fragil seien, erklärt Gastkurator Jaime Brihuega. Zusätzlich haben die Werke des Malers ihren Preis: Mit 700.000 Euro gilt die Schau für das Museum als ungewöhnlich teuer.

Exemplarisches Schlüsselwerk "Das finstere Spiel". (1929)
Foto: Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022 / White Images/Scala, Florence

Begierden und Frustrationen

Bereits 2014 entstand die Idee für die Schau, wobei das einzige Treffen der beiden Männer 1938 ausschlaggebend war. Begonnen hatte dieses intensive Interesse seitens Dalís, als er in den 1920er-Jahren Zugang zu den Übersetzungen von Freuds Schriften – allen voran Die Traumdeutung – hatte und den Arzt abgöttisch zu verehren begann. Dieser wurde Idol und Schutzpatron der Surrealisten. Ja sogar als "Vaterfigur" bezeichnete ihn Dalí einmal.

Der Maler sah seine eigenen Werke als Rätsel des Unbewussten, die nur Freud gänzlich verstehen könne. Gepaart mit den Einflüssen des Surrealismus, mit denen er 1929 in Berührung kam, fand Dalí Legitimation durch Freuds Theorien und so schließlich zu seiner einzigartigen Ikonografie. Als exemplarisches Schlüsselwerk dafür sieht Brihuega das nur selten ausgestellte Das finstere Spiel. Es weise ein "regelrechtes Inventar von Obsessionen, unterdrückten Begierden, sexuellen Frustrationen, Angst vor der Überschreitung von Tabus" auf.

Angeblich soll der Maler mehrmals versucht haben, Freud in Wien anzutreffen, belegt ist allerdings nur eine Reise. Erst 1938 konnte auf Vermittlung von Edward James und Stefan Zweig ein Treffen im Londoner Exil arrangiert werden. Dabei brachte Dalí sein Werk Metamorphose des Narziss und seine theoretischen Schriften mit, um sie Freud zu zeigen. Der exzentrische Künstler schien danach eher enttäuscht, wie er schriftlich festhielt. Er durfte Freud zwar zeichnen, für ihn hatte es aber "keine Funken" gegeben.

Sexuelle Ängste, Verluste und Phobien: "Ich im Alter von zehn Jahren, als ich ein Heuschreckenkind war (Kastrationskomplex)". (1933)
Foto: Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Surrealisten als "Narren"

Freud hingegen änderte seine Meinung. Bis dahin hatte er die Surrealisten für "absolute Narren" gehalten, wie er an Zweig schrieb. "Der junge Spanier mit seinen treuherzig fanatischen Augen und seiner unleugbaren technischen Meisterschaft hat mir eine andere Schätzung nahegelegt." Mit dem lang ersehnten Treffen endet die Ausstellung. Freuds Tod ein Jahr später beendete Dalís Freud’sche Phase.

Um diese Entwicklung nachzuvollziehen, geht die Schau chronologisch vor und beginnt – wie kann es anders sein – mit der Kindheit. Was hat zu den Neurosen Dalís geführt? Der jähzornige Vater? Der Tod des älteren Bruders, dessen Namen er übernehmen musste?

Sexuelle Ängste, Verluste und Phobien werden in Werken wie Ich im Alter von zehn Jahren, als ich ein Heuschreckenkind war (Kastrationskomplex) verarbeitet und überdeutlich mit Freuds Theorien in Verbindung gesetzt. Die Zypresse als Phallussymbol taucht immer wieder auf.

Treffen 1938 in London: Salvador Dalí zeichnete sein Idol Sigmund Freud.
Foto: Salvador Dalí, Fundació Gala-Salvador Dalí / Bildrecht, Wien 2022

Enge Begegnungen

In der sehr eng arrangierten Ausstellungsarchitektur dienen dunkle Möbel (Hommage an Friedrich Kiesler) als cleane Displays für die Objekte. Das macht die Begegnung vor allem mit den kleinformatigen Werken ungemein intim, viel Platz zur Betrachtung bleibt jedoch nicht.

Im Zentrum steht Dalís "paranoisch-kritische Methode". Das 1936 veröffentlichte Konzept sollte es der Kunst möglich machen, das Unbewusste gleichwertig wie die Psychoanalyse zu erforschen. In dem Gemälde Schwäne spiegeln Elefanten wider wandte er die dafür typisch doppeldeutigen Kippbilder an.

Etwas schade ist, dass kein einziges Werk mit dem passenden Motiv der Schublade als ergründbare Psyche zu sehen ist, von denen Dalí zahlreiche malte. Eine weitere Absenz: Am Schluss hängt nicht das Original von Metamorphose des Narziss, sondern eine als Wandbild aufgezogene Vergrößerung, da das in der Londoner Tate Modern beheimatete Werk nicht nach Wien reisen durfte. Als Demonstration funktioniert das aber überraschend gut. Genauso wie es die klare Narration der Ausstellung tut. Detaillierte Erklärungen zu Symbolen im Bildkosmos bleiben jedoch verwehrt, und somit eine inhaltliche Tiefe. Eine erzwungene Erforschung der Abgründe einer surrealen Welt? (Katharina Rustler, 28.1.2022)

Etwas beengte, aber intime Ausstellungsarchitektur von Margula Architects.
Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien