Hier tanzt der Brutalismus: Elena Bartosch in "Béton Brut".
Foto: Jelena Jankovic

Die Coolness der Moderne ist hart, gewagt und oft monumental. Damit steht sie eindeutig in Opposition zur kuschligen Postmoderne in deren heutiger Spielart. Kein Wunder, dass der lange verdammt gewesene architektonische Brutalismus aktuell wieder geschätzt wird: als Kontra gegen die Narzissmen der Gegenwartskultur.

Wenn also die am Urbanen Tanz orientierte österreichische Company Hungry Sharks jetzt in ihrem neuen Stück Béton Brut den Breakdance und den Brutalismus zu einer neuen Form des Körpertheaters zusammenführt, dann positioniert sie sich quer zum aktuellen Mainstream. Wie das aussieht, ist derzeit im Brut Nordwest zu sehen.

Dass der Stücktitel nichts mit dem Namen des Spielorts zu tun hat, wird gleich zu Beginn klar: Zwei Frauen rühren Zement in einem Kübel an und betonieren ein Paar Schuhe ein. Was diesem Auftakt folgt, ist eine kleine Erleuchtung für alle, die Freude am Tanz haben. Experimente mit der Kunst der Körperbewegung haben gerade Seltenheitswert, daher können die Werke der Hungry Sharks gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wotruba und Streusplitt

Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet Choreograf Valentin Alfery daran, den Urbanen Tanz, der eine Straßenkunst ist und sich meist in Wettbewerben äußert, plausibel auf die Bühne zu übersetzen. In Béton Brut ist das wieder gut gelungen. Elena Bartosch, Timo Bouter, Alexander Tesch und Maëva Abdelhafid zeigen mit hinreißender Virtuosität das tänzerische Potenzial des Breaking.

Ausschlaggebend darin ist, dass die Leistungsschau nicht die Gestaltung dominiert, sondern Tanztechnik und Sinngebilde schlüssig miteinander verbunden werden. Dafür wurden aus der Untersuchung in sich gebrochener Baukörper und Monumente des Brutalismus – von der Wiener Wotrubakirche bis zu Denkmalskulpturen aus Ex-Jugoslawien – verschiedene Motive des Breaking generiert.

Zu Manuel Rieglers perfekt passender Musik und mit Streusplitt, Bauplanen sowie einer Mischmaschine, mit der Bartosch ein Duett hat, fallen vor allem Quartette und Soli ins Gewicht. Bestimmend sind dabei Walks (auch mit den Betonschuhen) und Hand-Signs. Den Jubel des Premierenpublikums samt Standing Ovations hat das Stück, das bei der Salzburger Sommerszene 2022 wiederaufgeführt wird, wirklich verdient. (Helmut Ploebst, 28.1.2022)