Unter anderem in der Downing Street Nr. 10 soll es reihenweise illegale Zusammenkünfte gegeben haben, die Premier Johnson nun immer weiter unter Druck setzen.

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Wieder einmal war es seine Vorgängerin, die Boris Johnson in Bedrängnis brachte. Nach Lektüre des Zwischenberichts einer Spitzenbeamtin gebe es drei Möglichkeiten, teilte Theresa May am Montag dem Unterhaus mit: Entweder habe der Premierminister seine eigenen Corona-Regeln nicht gelesen. Oder er habe sie nicht verstanden. Oder er und sein Team seien der Meinung gewesen, dass die Regeln für sie nicht gelten. "Wie lautet die Antwort?"

Auf schonungslose Weise hat die glücklose frühere Regierungschefin damit den Schaden offenbart, den ihr bisher stets vom Glück begünstigter Nachfolger dem Land, seiner eigenen Regierung und der konservativen Partei zugefügt hat. Allen Ausflüchten Johnsons zum Trotz steht fest: In der Downing Street wurde reihenweise gegen das Gesetz, aber auch gegen den politischen Anstand verstoßen. Beamte, Ministerinnen und Berater feierten, während Millionen von Menschen, angeführt von Königin Elisabeth II., einsam um Verstorbene trauerten, Kranke auf Arztbesuche und Kinder auf Geburtstagspartys verzichteten. Der Premierminister selbst und seine Gattin stehen im Visier der Kriminalpolizei. Die normale Regierungsarbeit bleibt liegen.

Dass der Brexit-Marktschreier genau zwei Jahre nach Großbritanniens EU-Austritt nicht von sich aus zurücktreten würde, stand schon vorab fest. Die konservativen Abgeordneten haben jetzt das Schicksal ihres Chefs in der Hand. Der Verlauf der Unterhausdebatte machte deutlich: Johnson ist schwer angeschlagen, sein politisches Überleben bleibt ungewiss. (Sebastian Borger aus London, 1.2.2022)