Protestmarsch von MAN-Beschäftigten 2020 in Steyr. Ein Personalabbau kann auch jene treffen, die nicht direkt betroffen sind.

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Als die Weltwirtschaftskrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers auf ihren Höhepunkt zusteuerte, wurde auch die Voestalpine mitgerissen. Weil Autobauer kaum Stahl nachbestellten, brach die Nachfrage bei dem Unternehmen mit Sitz in Linz ein. Kurzarbeit und Werkferien reichten nicht aus. Hunderte Mitarbeiter im In- und Ausland mussten 2009 neben tausenden Leiharbeitern gehen.

Wie wirkt sich ein solcher Personalabbau auf die Gesundheit von Arbeitnehmern aus? Diese Frage steht im Zentrum einer neuen Studie von drei Ökonomen der Johannes-Kepler-Uni Linz. Es gibt einen Berg an Literatur dazu, wie es Menschen geht, die ihren Job verlieren. Der damit einhergehende Verlust an Gesundheit ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Doch die Ökonomen Alexander Ahammer, Dominik Grübl und Rudolf Winter-Ebmber haben sich angesehen, was ein Personalabbau mit Beschäftigten macht, die nach einer Kündigungswelle im Betrieb verbleiben.

Sie haben Versicherungsdaten zu allen Beschäftigten in Oberösterreich in den Jahren 1998 bis 2014 ausgewertet. So wurden 43.000 Arbeitnehmer identifiziert, die in einem Betrieb beschäftigt waren, in dem es einen großen Personalabbau gegeben hat. Bei kleineren Firmen war die Schwelle erreicht, wenn fünf Arbeitnehmer ihre Stelle verloren hatten. Bei größeren Betrieben mussten fünf Prozent der Belegschaft oder mindestens 30 Leute gehen.

Was die Studie zeigt, ist, dass sich ein solcher Einschnitt signifikant negativ auf die Gesundheit der im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer auswirkt. Das heißt, mehrere Gesundheitsparameter verschlechtern sich im Vergleich zu Kontrollgruppen, und das ist nicht nur Zufall.

Belastung nimmt mit der Zeit zu

Der Effekt wird mit der Zeit stärker und scheint eineinhalb Jahre nach dem Personalabbau einen Höhepunkt zu erreichen, sagt Ökonom Ahammer. So liegt zu diesem Zeitpunkt unter Arbeitnehmern, die einen Personalabbau miterlebt haben, die Zahl der im Krankenhaus verbrachten Tage um 20 Prozent höher als bei jenen der Kontrollgruppen. In den gesamten eineinhalb Jahren steigt die Anzahl der Spitalsaufenthalte in der Gruppe um 12,4 Prozent.

Aber es werden auch mehr Medikamente genommen. Die Summe der verschriebenen Medikamente ist eineinhalb Jahre nach der Abbauwelle um 6,8 Prozent höher als in der Kontrollgruppe. Über die gesamte Zeit betrachtet ist der Effekt auch hier schwächer, er liebt bei etwas über zwei Prozent.

Laut Studie sind es vor allem mit Stress assoziierte Erkrankungen, die zunehmen. So steigen etwa die Ausgaben für Herzmedikamente. Die häufigsten Aufnahmen in einem Spital erfolgen wegen Muskel-Skelett-Erkrankungen, Depressionen oder Herzerkrankungen.

Warum werden die negativen gesundheitlichen Effekte mit der Zeit stärker? "Weil der mit einem Jobabbau einhergehende Stress und die Ängste mit der Zeit stärker durchschlagen", sagt Ökonom Ahammer. Damit verschlimmern sich wohl auch die Auswirkungen bereits nebenbei existierender Erkrankungen.

Damit kein Missverständnis entsteht: Arbeitnehmer fallen nicht reihenweise um. Krankenhausaufenthalte bleiben sehr selten, im Schnitt über alle 43.000 Arbeitnehmer hinweg sind es 0,02 Tage, die jemand pro Quartal im Spital verbringt. Untersucht wird hier eine an sich gesunde Bevölkerungsgruppe. Aber die Zunahme bei Spitalsaufnahmen und Medikamenten ist deutlich und signifikant. Keine solchen Effekte gibt es bei Antidepressiva. Aber: Die Wahrscheinlichkeit, Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, steigt nach einem Jobabbau im Schnitt um gut 2o Prozent.

Das Alter ist entscheidend

Das Alter spielt eine zentrale Rolle: Die deutlichen Ergebnisse gibt es nur für über 40-Jährige. Frauen trifft es härter: "Weibliche Arbeitnehmer sind mit besonders heftigen Konsequenzen konfrontiert", heißt es in der Studie, das wird bei den Medikamentenverschreibungen deutlich.

Für die Ökonomie relevant ist das Paper, weil hier die Effekte eines Personalabbaus nicht bloß mit Erhebungen gemessen werden, sondern mit Daten der Sozialversicherung. Wie der Personalabbau zustande kam, durch Kündigungen, Pensionierungen oder einvernehmliche Trennungen, ist in der Analyse unerheblich. Als Kontrollgruppe dienten Arbeitnehmer, die nie von einer Kündigungswelle im Betrieb betroffen waren, und Personen, die noch nicht davon betroffen waren. Auch das ist ein Vorteil gegenüber allein auf Befragungen beruhenden Analysen.

Was sind die Schlussfolgerungen? Deutlich wird, dass Unternehmen, wenn sie Kosten und Nutzen eines Mitarbeiterabbaus abwägen, auch die Gesundheit der verbleibenden Mannschaft berücksichtigen müssen. Eineinhalb Jahre nach einem Jobabbau steigen Krankenstände im Betrieb um 6,5 Prozent an, das verursacht Arbeitgebern mit um die 300 Beschäftigten laut Studie zu dieser Zeit im Schnitt Mehrkosten von gut 94.000 Euro im Quartal. Ob aus all diesen Erkenntnissen auch gesundheitspolitisch etwas folgen muss, bleibt für die Studienautoren offen. (András Szigetvari, 2.2.2022)