Klimts "Rosen unter Bäumen" (1905) wird aus dem Bestand des Musée d’Orsay (Paris) restituiert.

Foto: RMN-Grand Palais (Musée d’Orsay) / P. Schmidt

Paris war Schauplatz zweier Ereignisse, die nicht ohne Folgen für den Kunstmarkt bleiben werden: Restitutionen an Erbengemeinschaften, denen mehrheitlich Verkäufe der Kunstwerke folgen werden. Schließlich können Verkaufserlöse, nicht aber Gemälde am Erbschlüssel orientiert aufgeteilt werden.

Am 21. Jänner verkündete der Louvre eine vorerst für drei Jahre vereinbarte Kooperation mit Sotheby’s, in deren Rahmen das Auktionshaus das Museum bei der Erforschung seiner Erwerbungen im Zeitraum von 1933 bis 1945 finanziell unterstützen wird. Die Höhe der monetären Zuwendung bleibt vertraulich, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Im Hinblick auf künftige Akquisitionen aus diesem Umfeld wird sich diese Investition für das Auktionshaus jedenfalls lohnen.

Erste Restitutionen aus Staatsbesitz

Am 25. Jänner beschloss die französische Nationalversammlung einstimmig die Rückgabe von 15 einst von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerken an die rechtmäßigen Erben jüdischer Vorbesitzer. Ein Meilenstein, denn bislang wurden nur Kunstwerke der Kategorie "Musées nationaux récupération" restituiert: Dabei handelt es sich um solche, die zwischen 1939 und 1945 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und nach Deutschland gebracht worden waren und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Frankreich zurückkehrten.

Dass Frankreich Kunstwerke aus staatlichem Besitz restituiert, ist demnach ein Novum, und zur Umsetzung bedarf es eines gesetzlichen Beschlusses, der am 15. Februar noch im Senat zur Abstimmung kommt. Dann fehlt nur noch die Unterschrift des Präsidenten Emmanuel Macron.

Zu den 15 Werken gehört, wie berichtet, Gustav Klimts Rosen unter Bäumen (1905) aus dem Bestand des Musée d’Orsay. Bis zum Zwangsverkauf im Sommer 1938 befand sich das Gemälde im Eigentum von Nora (Eleonore) Stiasny. Die Tochter des bekannten österreichischen Chirurgen Otto Zuckerkandl war 1942 nach Polen deportiert und ermordet worden.

Kein Beleg, viele Indizien

Ihre Erben hatten schon 2001 Klimts Apfelbaum II aus dem Belvedere restituiert bekommen: irrtümlich, wie sich Jahre später herausstellte und der Kunstrückgabebeirat nach eingehender Prüfung 2018 bestätigte.

Nora Stiasny mit Sohn Otto, Neffe Rudi und Nichte Viki – und Terrierhündin Peggy – 1928 in Altaussee
Foto: Privatarchiv

Tatsächlich gehörte dieses Bild mit hoher Wahrscheinlichkeit einst Elisabeth Bachofen-Echt, der Tochter von August und Szerena Lederer. Trotz intensiver Forschung fand sich für eine Entziehung oder einen Zwangsverkauf in der NS-Zeit bisher kein Beleg, wenngleich es dafür einige Indizien gibt. Es war in den Besitz des NS-Propagandaregisseurs Gustav Ucicky gelangt, der sich 1949 im Zuge eines Vergleichs dazu verpflichtete, das Gemälde zusammen mit zwei weiteren Klimt-Bildern "als Schenkung auf den Todesfall der Österreichischen Galerie zu widmen".

Dazu gehörten Bauernhaus mit Birken (Georg und Hermine Lasus) und Bildnis einer Dame (Bernhard Altmann), die 2001 und 2004 an die rechtmäßigen Erben restituiert wurden. Sie waren nachweislich Gegenstand von Zwangsverkäufen und mutmaßlich eben auch Apfelbaum II. Es spricht mehr für als gegen die Theorie, dass sich Ucicky dessen sogar bewusst war und sich mit dieser "Widmung" absehbarer Problemfälle entledigte, die erst Jahrzehnte nach seinem Tod gelöst werden sollten.

Irrtum mit Folgen

Die versehentliche Rückgabe des Gemäldes Apfelbaum II an die Erben nach Nora Stiasny erfolgte 2001 trotz Warnungen von Monika Mayer, jener Expertin am Belvedere, die mit ihrer Provenienzforschung Jahre später ganz wesentlich zur Klärung des Falls beitragen sollte. Die Erben nach Stiasny verkauften das Gemälde an Daniella Luxembourg. Um welchen Betrag, blieb lange im Dunkeln. Experten mutmaßten rückblickend eine Größenordnung von zehn oder auch 20 Millionen Dollar. Tatsächlich soll der Verkaufserlös bei etwa 8,5 Millionen Dollar oder umgerechnet sieben Millionen Euro gelegen sein.

Klimts "Apfelbaum II" (1916) ist im Bestand der 2006 vom französischen Milliardär Bernard Arnault gegründeten Fondation Louis Vuitton.
Foto: Archiv Belvedere

Zu welchem Zeitpunkt das Bild in den Besitz des französischen Milliardärs Bernard Arnault gelangte, ist noch unklar. Mit der Causa vertrauten Insidern zufolge dürfte der Deal im Zusammenhang mit Arnaults Ausstieg beim Auktionshaus Phillips, de Pury & Luxembourg zu sehen sein. 2002 hatte der Eigentümer des Luxusgüterkonzerns LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton seine Anteile an Luxembourg und Simon de Pury abgetreten.

Lautes Schweigen

2018 gastierte ApfelbaumII für wenige Stunden in Wien, konkret im Leopold-Museum und als Leihgabe der 2006 von Arnault gegründeten Fondation Louis Vuitton. Noch bevor die damals anberaumte Klimt-Ausstellung eröffnete, wurde das Bild zurück nach Paris transportiert. Anlass war eine vom Kurier haltlos in den Raum gestellte Beschlagnahme. Seither mauert die Fondation Louis Vuitton.

Die Rückgabe des Bildes an die falsche Erbengemeinschaft ist nach so vielen Jahren und Besitzerwechseln nicht reversibel. Die zwölf Erben nach Stiasny sind dennoch um eine Lösung bemüht. Dazu soll Klimts Rosen unter Bäumen im Anschluss an die Restitution verkauft werden. In weiterer Folge plant man, der Fondation das Gemälde abzukaufen und es, entsprechend der 2001 namens eines bereits verstorbenen Erben unterzeichneten Haftungserklärung, an die Republik Österreich retournieren. Damit wäre der Weg für eine Restitution an die Erben nach Bachofen-Echt geebnet.

Der Haken: Das Schreiben der Stiasny-Erben, in dem sie der Fondation ihren Wunsch und ihre Beweggründe für einen Kauf erläuterten, blieb bisher unbeantwortet. Welche Position die Stiftung oder deren Begünstigte vertreten, ist nicht bekannt. Auch nicht, ob der aktuelle Beschluss der Nationalversammlung eventuell zu einem Umdenken führt: Immerhin wird Frankreich ein Gemälde restituieren, das 1980 im guten Glauben an eine geklärte Provenienz mit staatlichen Geldern angekauft wurde. Unter rechtlich gleichen Voraussetzungen war Apfelbaum II in den Besitz der Fondation Louis Vuitton gelangt.

Ob man im Umfeld Arnaults, der mit einem von Forbes derzeit auf 197,5 Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögen als drittreichster Mensch weltweit gilt, Gespräche mit den Beteiligten in Erwägung zieht, war auch auf STANDARD-Anfrage nicht in Erfahrung zu bringen. (Olga Kronsteiner, 5.2.2022)