Am Ulrichsberg treffen sich seit Jahrzehnten ehemalige Angehörige der Waffen-SS, einer Organisation, die untrennbar mit der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden verbunden ist und deren Angehörige in Konzentrationslagern Dienst taten.

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Die Bestellung von Stephan Tauschitz zum Kärntner Verfassungsschutzchef sorgt seit Tagen für Kritik: Der ehemalige Klubobmann der Kärntner ÖVP hatte in den Jahren 2008 und 2010 Festreden beim rechtsextremen Ulrichsbergtreffen gehalten – einem Fixpunkt ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS und deren Fangemeinde, der vom Verfassungsschutz überwacht wird. Die Grünen und die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) fordern Tauschitz' Rückzug. IKG-Präsident Oskar Deutsch schrieb auf Twitter: "Wer am Ulrichsbergtreffen teilnimmt, sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden und kann diesen nicht leiten." Die Huldigung der Waffen-SS und die Legitimation "eines Naziaufmarschs durch Teilnahme" sei kein Kavaliersdelikt. In seiner Rede 2010 forderte Verfassungsschutzchef Tauschitz dazu auf, "nicht über die Toten zu richten", das müsse man Gott überlassen.

Verfassungsschutzchef Stephan Tauschitz 2008 am Ulrichsberg.
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Die Beteiligung von Spitzenpolitikern an der Traditionspflege der Waffen-SS zählte in Österreich über Jahrzehnte zum politischen Alltag. Minister, Landeshauptleute und Bürgermeister von SPÖ, ÖVP und FPÖ waren Festredner oder übernahmen den Ehrenschutz von Veranstaltungen, bei denen SS-Veteranenverbände zumindest maßgeblich beteiligt waren.

Tausende bei der Ulrichsbergfeier im Jahr 2008. Das Grundstück wurde vom Eigner in den 1950er-Jahren zur Verfügung gestellt. 1959 wurde darauf ein weithin sichtbares Stahlkreuz errichtet.
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Die größte Veranstaltung dieser Art war über Jahre die Feier am Ulrichberg, wo 1958 eine Gedenkstätte für Kriegsheimkehrer errichtet wurde.

"SS" als Autokennzeichen verboten

Die jährlichen Veranstaltungen am Ulrichsberg sind und waren für die Opfer und Verfolgten der Nationalsozialisten unerträglich. Während kein Autokennzeichen die Buchstabenkombination "SS" auf dem Nummernschild tragen darf, ihre Symbole und Abzeichen verboten sind, treffen sich seit dem Jahr 1958 SS-Veteranen aus ganz Europa am Kärntner Ulrichsberg. Ehemalige Angehörige einer Organisation, die untrennbar mit der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden verbunden ist und deren Mitglieder in Konzentrationslagern Dienst taten. In der Zeitung "Für die Waffen-SS" wurden sie ausdrücklich für diesen Dienst gelobt. Ihnen sei es zu verdanken, dass diese "Inseln blieben, aus denen das Gift der inneren Zersetzung niemals wieder in den Volkskörper der Heimat gelangen konnte", hieß es im Jahr 1939 in dieser Zeitung.

"Die Abgrenzung zu NS-Gedankengut ist unzureichend"

Neben den ehemaligen SS-Männern gaben sich am Ulrichsberg über Jahrzehnte auch ehemaligen Wehrmachtsangehörige, schlagende Burschenschafter, Neonazis, Trachtenvereine, Landsmannschaften, Exekutive, Zollwache, Feuerwehren, Pfadfinder und Kärntner Chöre ein Stelldichein. Dazu gesellten sich hochrangige Politiker der FPÖ, SPÖ und ÖVP sowie das Bundesheer, das neben Rednern und Militärmusik auch einen Shuttledienst für jene Besucher und Besucherinnen bereitstellte, die nicht mehr gut zu Fuß waren. Damit war im Jahr 2009 jedoch Schluss. Der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) untersagte die Teilnahme: "Die Abgrenzung zu NS-Gedankengut ist unzureichend. Solange ich Minister bin, wird das Bundesheer nicht mehr am Ulrichsbergtreffen teilnehmen."

Jörg Haider lobte SS-Veteranen

Schon Jahre zuvor sorgten Auftritte wie jener von Gudrun Burwitz für Aufsehen und Kritik. Die Tochter des SS-Führers Heinrich Himmler, eines der Hauptorganisatoren des Holocaust, war bis zu ihrem Tod im Jahr 2018 eine lebende Ikone der rechtsextremen Szene. Sie wurde von Journalisten als "schillernde Nazi-Prinzessin" beschrieben, deren Leben mit der "Stillen Hilfe" untrennbar verknüpft war, einer Organisation, die verurteilte NS-Kriegsverbrecher unterstützte. Burwitz nahm 1995 am Ulrichsberg eine Parade der SS-Veteranen ab.

Jörg Haider und das Bundesheer am Ulrichsberg.
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In diesem Jahr sorgte ein Auftritt des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider für weltweite Schlagzeilen. Dieser hielt am Vorabend des Ulrichsbergtreffens eine Ansprache vor Veteranen der Waffen-SS im örtlich nahe gelegenen Krumpendorf, in der er die Anwesenden als "anständige Menschen" bezeichnete, die "einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung treu geblieben sind". Äußerungen, die für scharfe Kritik sorgten und zu Ermittlungen wegen Verdachts auf NS-Wiederbetätigung führten. Die Ermittlungen wurden später jedoch eingestellt. Einige Jahre zuvor hatte Haider am Ulrichsberg den Angehörigen der Waffen-SS bereits attestiert, die "Grundlagen für Frieden und Freiheit" gelegt zu haben.

Gedenktafeln des Bundesheeres

Der Abzug des Bundesheers im Jahr 2009 markierte einen Wendepunkt für die rechtsextreme Veranstaltung. Sie verlor an Bedeutung, wurde in manchen Jahren sogar abgesagt. Allerdings findet sich laut Medienberichten noch immer eine Gedenktafel des Bundesheeres im sogenannten Ehrenhain, der sich in einem einst als Kirche genutzten, mittelalterlich-gotischen Gebäude auf dem Berg befindet. Hier sind auch die Gedenktafeln der Freiwilligen Waffen-SS zu finden, die auf dem Nürnberger Tribunal 1945 "als verbrecherische Organisation eingestuft" wurde. Um nicht unter das NS-Verbotsgesetz zu fallen, sind die diversen Inschriften kryptisch formuliert. Kosakenverbände, die an der Seite der SS kämpften, werden als "schicksalsverbundene Slawen" geehrt. An den Reichsarbeitsdienst erinnert die Aufschrift "Arbeit adelt", an die Waffen-SS der berüchtigte Treueschwur.

Die Grünen-Abgeordneten Olga Voglauer und Eva Blimlinger haben erst vor wenigen Tagen, am 27. Jänner, eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständigen Behörden in Kärnten geschickt, in der diese aufgefordert werden, diese Tafeln zu entfernen, da sie gegen das seit 1960 geltende Abzeichengesetz verstoßen.

Das "Wort Auschwitz" existiert für den ehemaligen SS-Mann nicht

Zuletzt kamen im Jahr 2019 einige Hundert Personen zusammen, darunter der ehemalige Waffen-SS-Mann Herbert Bellschan von Mildenburg, der in den vergangenen Jahren durch Deutschland und Österreich tingelte, um vor Neonazis und Burschenschaftern über seine Zeit bei der SS zu erzählen. Aus seinem Weltbild macht er auch vor Fernsehkameras kein Hehl. In der "Spiegel TV"-Dokumentation "SS – Die letzten Zeugen" nennt er SS-Führer Himmler einen "sauberen Mann" mit "anständigem Charakter", der nur "das Beste für das deutsche Volk wollte". Weiters betont er, für ihn existiere das "Wort Auschwitz" nicht. Auch interessiere es ihn nicht, ob die Juden von den Nazis "vergast oder erschossen worden sind".

Von Mildenburg tauchte 2019 auch im Umfeld des mittlerweile verstorbenen österreichischen Holocaust-Leugners Wolfgang F. auf. Als der Mann aus dem Gefängnis entlassen wurde, war er Teil eines "Begrüßungskomitees".

Festredner Herbert Belschan von Mildenburg sowie Hermann Kandussi (links), Obmann der Ulrichsberggemeinschaft, im Jahr 2012.
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Österreichweit sorgte Bellschan von Mildenburg 2012 für Schlagzeilen, als er am Ulrichsberg eine Festrede hielt, obwohl die Veranstalter dies zuvor öffentlich ausgeschlossen hatten. Die rechtsextreme Veranstaltung auf dem Ulrichsberg nutzte auch jener Mann, der sich derzeit als Anführer der Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie inszeniert.

Martin Rutter im April 2021 bei Gericht in Wien.
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Martin Rutter hielt im Jahr 2017 eine Rede auf dem Ulrichsberg – auf einem Video ist an seiner Seite Bellschan von Mildenburg zu sehen. (Markus Sulzbacher, 7.2.2022)