Cybermobbing soll vor allem mit mehr Präventivarbeit entgegengetreten werden.

Foto: imago images / Reporters

Die mittlerweile zwei Jahre dauernde Coronavirus-Pandemie stellt nicht nur Erwachsene vor Herausforderungen, sondern auch Jugendliche. Das oftmalige Ausweichen in den digital abgewickelten Fernunterricht und seltenere direkte Kontakt zu Freunden und Mitschülern stellen Kinder und Teenager vor psychologische Herausforderungen.

Anlässlich des Safer Internet Day am Dienstag haben nun die Initiative Safer Internet und die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) neue Erkenntnisse geliefert. Bei einer Pressekonferenz präsentierte man eine Studie des Instituts für Jugendkulturforschung. Befragt wurden Ende 2021 dafür 400 repräsentativ ausgewählte Burschen und Mädchen zwischen elf und 17 Jahren. Das Problem des Cybermobbing hat sich demnach verschärft.

17 Prozent waren Opfer von Cybermobbing

Viele von ihnen haben bereits negative Erlebnisse auf Plattformen im Netz gehabt. 48 Prozent machten etwa schon Erfahrungen mit Beschimpfungen, 46 Prozent wurden "ghosted" (abrupter Kontaktabbruch ohne ersichtlichem Grund), 41 Prozent sahen sich schon Lügen oder Gerüchten über die eigene Person ausgesetzt. Ein Drittel berichtet von Einschüchterungsversuchen, etwas mehr empfingen "unangenehme Nachrichten" oder machten Bekanntschaft mit einem Fake-Profil, das sich als sie selbst ausgab.

Rat-auf-Draht-Video zu sexueller Belästigung im Netz.
Rat auf Draht

Keine dieser Erfahrungen qualifiziert sich per se als Cybermobbing. Für diese Einstufung müssen vier Punkte erfüllt sein. Es muss sich um absichtliches Vorgehen handeln, die Handlung muss sich gegen eine konkrete Person richten und wiederholt auftreten und es muss ein Machtungleichgewicht bestehen, beispielsweise wenn sich eine Gruppe an einer Einzelperson abarbeitet.

Nach dieser Definition sahen sich 17 Prozent der Befragten bereits als Opfer von Cybermobbing. 42 Prozent haben solche Vorfälle bereits in ihrem Umfeld beobachten können. Zehn Prozent berichteten, selbst schon einmal Täter gewesen zu sein. 48 Prozent sind der Ansicht, dass das Problem sich in Zeiten des Distance-Learning verschärft hat.

Ursachen und Ansatzpunkte

Die Wahrnehmungen zur Ursache für Cybermobbing zeigen ein vielfältiges Bild. Sehr oft (44 Prozent) scheint das Mobbing eine Folge dessen zu sein, dass die Grenze zwischen Spaß und Ernst nicht erkannt wird. Oft fehlt es an einem entsprechenden Dialog, der aber wichtig wäre, weil letztlich das Opfer die Möglichkeit haben muss, sich zu artikulieren, wenn etwas zu weit geht.

Hier sieht man auch einen wichtigen Ansatzpunkt für Präventionsarbeit, in der man mehr Bewusstsein für unterschiedliche Wahrnehmungen schaffen kann. Gleiches gilt für zwei weitere oft genannte Motivationen: 31 Prozent sehen ein Unvermögen, mit dem eigenen Zorn umzugehen oder Langeweile als Triebfeder hinter Cybermobbing. 43 Prozent benennen zudem den Wunsch nach Machtausübung, 36 Prozent orten rassistische Motive und "Demonstration von Gruppenzugehörigkeit" als Ursache.

Täter oft bekannt

Am häufigsten wird Cybermobbing auf beliebten Social Networks beobachtet. 56 Prozent der Jugendlichen, die bereits entsprechende Kampagnen wahrgenommen oder von ihnen betroffen waren, nennen hier Instagram. Dahinter folgen Tiktok (42 Prozent) und Facebook (36 Prozent). Für die Safer-Internet-Initiative ist überraschend, dass der weltweit populärste Messenger mit 30 Prozent nur an fünfter Stelle liegt. Ein Viertel meldete Mobbing in einem Onlinegame oder eine Spieleplattform, elf Prozent über die Videochat-Lösung für den Fernunterricht.

Rat-auf-Draht-Video zu Cybergrooming.
Rat auf Draht

Das Mobbing findet damit nicht nur häufig öffentlich statt, oftmals sind auch die Täter nicht anonym. In 43 Prozent der Fälle hatten Betroffene zumindest eine konkrete Ahnung, um wen es sich handelt. 30 Prozent können die Täterinnen und Täter benennen. In 43 Prozent der Fälle verorten Betroffene die Verantwortlichen in ihrem schulischen Umfeld.

Abwarten bringt kaum etwas

"Leider ist die Präventionsarbeit gerade in dieser Zeit, die für viele Jugendliche eine besondere Herausforderung darstellt, zu kurz gekommen", sagt Barbara Buchegger, die pädagogische Leiterin von Safer Internet. Diese sei besonders wichtig, weil in vielen Fällen das Mobbing vor den Augen von Lehrerinnen und Lehrern stattfinde und 30 Prozent berichten, dass ihnen die Teilnahme am Onlineunterricht durch das Mobbing absichtlich erschwert worden sei.

In 78 Prozent der Fälle wenden sich Opfer an Freundinnen und Freunde. Mehr als zwei Drittel suchen aber auch Hilfe bei Eltern und Lehrkräften. Hier gibt es aber Nachholbedarf, denn 48 Prozent attestieren den Erwachsenen, "oft nicht hilfreich zu sein". Ein Drittel fühlte sich von Lehrerinnen und Lehrern nicht ernst genommen.

Ihrer technischen Möglichkeiten sind sich die Jugendlichen bewusst. 70 Prozent erachten das Blockieren, 59 Prozent das Melden von TäterInnen als sinnvoll. 45 Prozent berichten allerdings, dass die Reaktion der jeweiligen Betreiber auf ihre Meldung nicht zufriedenstellend war. Die TäterInnen zu ersuchen, das Mobbing einzustellen brachte in nur wenigen Fällen eine Besserung. Gleiches galt für Abwarten.

Mehr Prävention gefordert

Was lässt sich aus diesen Daten nun ableiten? Kindern und Jugendlichen den Umgang mit sozialen Medien zu verbieten, hält Plakolm nicht für sinnvoll. Social Media ist mittlerweile ein normaler Teil des Lebens, daher sei es wichtig, den sicheren Umgang damit zu lehren. Die Beteiligten sprechen sich für mehr Prävention aus und fordern Eltern, Lehrer, aber auch die Jugendlichen selber auf, bei Mobbing hinzusehen und Hilfe anzubieten. Schuldzuweisungen an Mobbing-Betroffene, auch wenn man Grund hat, Fehlverhalten anzunehmen, seien nicht hilfreich.

"Rat auf Draht"-Video zu Sexting
Rat auf Draht

Bei Safer Internet plädiert man für mehr Präventionsworkshops, die gerade während der Pandemie zu kurz gekommen seien. Safer Internet hat außerdem einen Aktionsmonat ausgerufen, in dem etwa Schulen Projekte gegen Cybermobbing einreichen und Preise gewinnen können

Politisch in Vorbereitung sei zudem eine Aufstockung des schulpsychologischen Angebots. Plakolm erklärte dazu, dass sie dieses für präventive Zwecke auch stärker in die Klassenzimmer bringen wolle, um nicht nur Betroffene zu erreichen. Verwiesen wurde auf den EU Digital Services Act, auf dessen baldigen Beschluss man hoffe, zumal Cybermobbing ein internationales Problem sei.

Für mehr Prävention und Medienerziehung spricht man sich auch bei Rat auf Draht aus. Der psychologische Hotline-Dienst richtet sich besonders an Kinder und Jugendliche in Krisensituationen.

"Die Internet- und Handynutzung sollte zu einem gewohnten Thema in der Familie werden, denn je mehr Wissen darüber vorhanden ist, desto größer ist auch die Chance, sich vor möglichen Gefahren zu schützen", sagt dazu Corinna Harles, psychologische Leiterin der Rat-auf-Draht-Elternseite. Man hat außerdem drei Videoclips produziert, die sich mit Cybergrooming, Sexting und sexueller Belästigung im Internet auseinandersetzen. (gpi, 7.2.2022)