Diese Saison wird einzigartig. Very Peri ist angesagt. Eine Farbe, die es bislang noch nie gegeben hat. Ein "dynamisches Blau, mit einer belebenden rötlich-violetten Nuance". Die Großeltern hätten Lila dazu gesagt.

Very Peri sei "ein Symbol für den globalen Zeitgeist des Augenblicks und den Wandel, den wir durchmachen". Physisches und digitales Leben würden auf neue Weise verschmelzen. Das ergebe neue Farbmöglichkeiten, sagt das Pantone-Institut aus Carlstadt im US-Bundesstaat New Jersey.

Pantone ist eine Institution, wenn es um Farben geht, und ruft regelmäßig die "Farbe des Jahres" aus, die Aufmerksamkeit bei Modedesignern, Möbelfirmen oder Make-up-Stylisten ist groß, wenn die Farbwahl getroffen ist. Gibt das immer noch den Trend vor, und gilt es als oberstes Gebot für Ideen? Werden jetzt weltweit massenhaft Abendkleider, Accessoires und Sitzecken in Bonbonlollilila produziert? Und sind Lavendelsträuße der Renner in den Blumengeschäften und auf Bällen?

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Die Farbe des Jahres: Very Peri.
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Die Profis von Pantone lassen für ihre Wahl nicht das Pendel ausschlagen. Sie schauen sich vorher auf dem ganzen Erdball um, auf Haute-Couture-Schauen, auf Kunstmessen und in Filmen, oder gehen einfach in die Innenstädte. Diesmal haben sie aus all dem Beobachteten eine neue Farbe kreiert.

Über 15.000 Schattierungen

Noch eine mehr, die in ihrer riesigen Datenbank einsortiert ist. Berühmt sind deren Fächer mit all den Farben. Über 15.000 verschiedene Schattierungen haben sie inzwischen gelistet, für Stoffe, Autolacke oder Druckerfarben. Allerdings kennen die meisten Menschen nur ungefähr 30 Farben mit Namen. Wer weiß schon, dass es Persenningblau, Geisterweiß oder Krickentengrün gibt und wie die genau aussehen.

Bei so viel Einfluss könnte die Pantone-Konkurrenz glatt gelb vor Neid werden, bekennt aber auch Farbe. Mit ganz ähnlicher Koloration. Die Scouts des in London ansässigen Worth Global Style Network haben Orchid Flower gewählt, ein sehr kräftiges Rosa mit lila Untertönen, denken bereits voraus und prognostizieren für 2023 einen Lavendeltouch. Das deutsche Pendant zu Pantone, die gemeinnützige RAL GmbH, eine Tochter des deutschen Institutes für Gütesicherung und Kennzeichnung, listet in seinen Paletten für dieses Jahr mehrere Violettnuancen auf. Eine verblüffende Harmonie, die zeigt, das sind keine egoistischen Möchtegernvorhersagen. Stunk gibt es zwischen Größen der Farbgebung kaum, ohnehin scheint es eher ein Tipp als ein Muss zu sein.

Mainstream und Trend • Man könne nicht einfach herausposaunen, "jetzt machen wir mal Gelb", sagen sie bei RAL. Der Zeitgeist bildet sich nicht per Dekret. Das zeigt sich bei einem Blick in eines der führenden Modemagazine. Die Vogue sieht für 2022 gleich 17 Farben als in an. Neben Snow White, Koralle und Hellgrün zum Beispiel auch Lila. Aber wie zieht man sich nun up to date an, richtet seine Bude ein?

Wiener Trendforscherin

Die graue Eminenz der Industriedesigner bleiben die Käufer. Was ihnen nicht gefällt, bleibt auf der Stange oder in den Verkaufsräumen hängen bzw. stehen. Die Wiener Trendforscherin Christiane Varga ist überzeugt, "das Monopol und die Exklusivität der Instanzen ist verlorengegangen". Wie "bei einer Papstwahl hätten alle auf die Verkündung gewartet". Zwar würden die Hersteller die Farben aufgreifen und sich viele danach richten, aber "sobald Trend im Mainstream landet, ist es kein Trend mehr, und ich mache genau das Gegenteil". Es gebe sehr viele "Gleichzeitigkeiten". Das Absolute sei nicht mehr gegeben und der rote Faden für eine einheitlich farbige Saison nicht mehr nur ein Richtwert. Vor allem auf den einschlägigen Seiten des Social-Media-Netzes würden Influencerinnen und Influencer ihren eigenen Style präsentieren. Die Jahresfarbe sei Inspiration, indes kein Zwang, damit man fesch und flott daherkomme.

Ohnehin sind im angesagten Nachhaltigkeitsstil die schrillen Farben out und natürliches Grün, Braun und Gelb heiß begehrt.

Die Color Marketing Group, ein Syndikat aus Trendforschern, Modefirmen, Autoherstellern und Kosmetikketten, sitzt jährlich zusammen, um in die Zukunft zu blicken. Weil die Industrie das so will. In diesem Jahr sitzen sie in Videocalls zusammen, um schon mal auf 2024 zu blicken. Denn der neue Farbentrend lässt sich nicht einfach wie zu Hause mit zwei, drei Tuben zusammenmischen. Es geht darum, auszubaldowern, wie der Ton im Neonlicht der Kaufhäuser wirkt, wie im Schein der Stehlampe im Wohnzimmer oder in der Abenddämmerung.

Weissagungen

Die Industrie braucht diese Weissagungen. Für sie ist es ein langer Weg vom Trend zum Trend. Als die deutsche Lufthansa 2018 einen neuen Blauton präsentierte, passte dem Management die Farbe wenig später nicht mehr. Sie war zu wenig dynamisch. Man hatte sie zwar monatelang in einem Flugzeughangar im englischen Norwich getestet, aber offensichtlich nicht darauf geachtet, dass sie in der Luft anders wirkte. Eine andere Dynamik, als was der Malkasten aus dem schulischen Unterricht vorgibt.

Wer es vergessen hat, im vergangenen Jahr galt Ultimate Grey und Illuminating-Gelb als hip. Laut Pantone-Institut ein Grau "für die Farbe der Kieselsteine am Strand und Stärke, an der man festhalten kann" und ein leuchtendes Gelb, welches "immer mit Sonnenschein assoziiert wird".

Die Jahresfarbe Very Peri steht sicherlich nicht nur für einen Mischmasch aus realer und digitaler Welt. Nicht nur für Wattewelten in Pastell. Sie kennzeichnet, insofern ist das Konglomerat der Farbgeber ganz weit vorne, gendergerecht die Gleichstellung von Frau und Mann und vereint das Blaue und das Rote. (Caroline Wesner, Oliver Zelt, RONDO, 14.2.2022)