Eines ist Emmanuel Macron sicher nicht: naiv.

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Als Angela Merkel im Dezember abtrat, hieß es vielerorts, Deutschlands Kanzlerin hinterlasse in Europa ein Vakuum. Emmanuel Macron will es nun ausfüllen. Unter dem Vorwand seines EU-Ratsvorsitzes vermittelt er gekonnt zwischen den Parteien und allen Beteiligten – von Russland und der Ukraine über das Baltikum und Polen bis in die USA. Die Methode des jungen französischen Präsidenten besteht darin, mit allen zu sprechen, damit nicht die Waffen sprechen. Das klingt simpel, ist aber in Wahrheit äußerst komplex, allein schon, weil Frankreich selber eine ambivalente Haltung zur Nato pflegt und die "Stimme Europas" dagegen erhebt. Auch deshalb setzt Wladimir Putin bewusst auf Macron – um die Westfront spalten zu können.

Macron ist nicht naiv, er weiß, das Duz-Freund Wladimir ein Spieler ist – ein wenig wie er selbst. Er weiß auch, dass es nicht viel bedeutet, wenn ihm Putin in Moskau wirklich versprochen haben sollte, er werde "nicht am Ursprung einer Eskalation" stehen, im Klartext: Er werde keinen Krieg beginnen.

Von der über einstündigen Pressekonferenz der beiden in Moskau bleibt aber auch der Eindruck hängen, dass Putin jedes auch militärische Druckmittel recht ist, um einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern. Diesbezüglich bleiben die Positionen des Westens und Russlands völlig unvereinbar. Und diesbezüglich hat auch der Methodiker Macron keinen Ausweg zu bieten. Fazit: Die Ukraine-Krise wird mit etwas Glück nicht gleich ausarten, uns aber noch lange beschäftigen. Putin hat Zeit: Er kann noch bis 2036 im Amt bleiben. (Stefan Brändle, 8.2.2022)