Doppelporträts wie "My Parents" von 1977 gehören zu den berühmtesten Werken David Hockneys. In einem früheren Porträt seiner Eltern hatte der Maler sich selbst in den Spiegel auf der Kommode gemalt.

Foto: Tate / Joe Humphrys

In "Mr. and Mrs. Clark and Percy" (1970–1971) spielt David Hockney auf die kunsthistorische Tradition von Eheporträts an, er dreht aber die Rollenbilder um: Hier blickt die Frau den Betrachter selbstbewusst an, der Gatte sitzt passiv mit Katze da

Foto: Tate / Mark Heathcote

David Hockney 2017 in einem seiner Studios, von ihm selbst in vielen Einzelbildern festgehalten und mit seiner Spezialsoftware zum Tableau montiert.

Foto: Tate

Das längst ikonische A Bigger Splash fehlt zwar, dieses Gemälde von 1967, in dem David Hockney die erhitzt-lockere Stimmung des kalifornischen Sommers zwischen blauem Poolwasser, blauem Himmel, Palmen einfängt und in einer ungezügelt in die sonst so kontrollierten Farbflächen gesetzten weißen Gischt explodieren lässt.

Doch fünf andere von etwa 120 Werken der morgen eröffnenden Hockney-Retrospektive Insights im Wiener Kunstforum decken jene Phase im Werk des britischen Malers ab. Die Lebensfreude der Westküste sieht man auch ihnen an: In Schlingerlinien und impressionistischen Flecken funkelt das Wasser in verschiedenen Blautönen, nackte bleiche Männerhintern stechen daraus hervor. Sie gehören zu den berühmtesten Motiven des Malers, der im Juli 85 Jahre alt wird – und der erst jetzt seine erste große Schau in Österreich bekommt.

Diese zieht sich durch sieben Räume, wobei sich einem beim Durchgehen schnell erschließt, wo hier die Highlights hängen: Den Filetstücken begegnet man in den ersten dreien. Neben den Pool-Bildern gehören dazu die Doppelporträts, die Hockney ab Ende der 1960er schuf, und die Landschaftsgemälde ab den 2000ern – in Acryl und mit Pixeln.

Energie und blonde Haare

Aber der Reihe nach. Es ist Teil der DNA von Hockneys Kunst, dass er malt, was ihn umgibt und was er liebt. Als er, 1937 im nördlichen England geboren, nach seinem Studium am Royal College of Art in London 1961 erstmals nach New York kam, gingen ihm die Augen über. Die Energie der Stadt zog ihn an, er traf Andy Warhol und färbte sich die Haare blond, auch die homosexuelle Szene euphorisierte ihn. Zwei Jahre später zog er nach Los Angeles – er fühlte sich angekommen.

Und er wurde willkommen geheißen. In Los Angeles fand Hockney nach tastenden Londoner Anfängen zwischen Surrealismus und Seitenhieben auf den in Amerika Furore machenden abstrakten Expressionismus (der Vollständigkeit halber auch in der Schau zu sehen) zu seinem klaren Stil. Sein offenes Wesen befeuerte den Erfolg.

Neben den Pools entstanden bald naturalistische Porträts von Freunden und den Eltern. Vier sind im Kunstforum zu sehen, die starke Stilisierung weicht nun einer pastelligen Farbigkeit, die mit psychologischer Aufladung einhergeht. Bemerkenswert findet Kunstforum-Kuratorin Bettina Busse etwa, wie Hockney in Mr. and Mrs. Clark and Percy die Rollenbilder umdreht. Er spiele mit dem Sujet auf die kunsthistorische Tradition von Eheporträts an – doch hier blickt die Frau den Betrachter selbstbewusst an, der Gatte sitzt passiv mit Katze da. Die bühnenhafte Szenerie in Shirley Goldfarb and Gregory Masurovsky erinnert indes an frühe räumliche Versuche Giottos im 13. Jahrhundert.

Fälschlich für leicht gehalten

Man muss sich auskennen, um viele so subtile Referenzen zu entdecken. Das ist mit ein Grund, warum Busse findet, das Hockneys Kunst angesichts seiner zugänglichen Themen oft fälschlich für niederschwellig und leicht gehalten werde. Doch wuchsen in Hockney bis Mitte der 1970er Zweifel, wohin ihn dieser Naturalismus führen sollte. Die Arbeit an George Lawson and Wayne Sleep brach er auch ab und schenkte es 40 Jahre später der Tate Gallery, aus der rund 100 der nun gezeigten Werke (darunter viele frühe Druckgrafiken) angereist sind. Die Tate gab so quasi die Laufzeit dieser Schau vor.

Böse gesagt tut sich nun so etwas wie eine schwache Phase auf. Hockney geht in den 1980ern auf die Suche und landet bei Matisse sowie beim kubistischen Picasso, dessen Freiheit, Stile zu mischen, ihn beeindruckte. Es fehlen diesen zu Recht in einem Nebenraum gruppierten Werken Reiz und Eigenständigkeit.

Für Jahrzehnte sollte Los Angeles Hockneys wichtigste Heimat bleiben, auch wenn er zwischendurch nach Paris oder zurück nach London ging. In den 1990ern zog es ihn – das Alter seiner Eltern spielte eine Rolle – schließlich wieder in die Heimat. Mit leuchtenden Landschaften, die er "en plein air" in Yorkshire zu malen begann, fand Hockney nun wieder zu früherer Kraft. Und wie! Die aus leicht transportierbaren kleinen Leinwänden zusammengesetzten Großformate drehen die Naturfarben der Motive teils hoch, lassen sie mit rosa Waldwegen und lila Bäumen aber auch hinter sich. Als Ende der Nullerjahre iPhone und iPad auf den Markt kamen, begann Hockney, auch damit zu malen. Die digitalen Malwerkzeuge scheinen seinen Pinselduktus der Frühzeit optimal zu ergänzen. Auf Screens in der Schau kann man digitalen Gemälden beim Werden zuschauen.

Pioniertaten im Katalog

Von früheren Pioniertaten Hockneys mit dem Farbdrucker oder Faxgeräten, mittels derer er Werke in die ganze Welt verschickte, kann man leider nur im Katalog lesen. Doch Hockney hat stets experimentiert, neuerdings montiert er mittels Software großformatige Bilder aus lauter einzelnen Fotos von in 360-Grad-Ansichten aufgenommenen Objekten. Während der Lockdowns schickte er täglich digitale Gartengemälde aus der Normandie, wo er nun lebt, an Freunde. Besser kann man ein Lebenswerk nicht abrunden, das dafür berühmt ist, Lebensgefühl einzufangen. (Michael Wurmitzer, 9.2.2022)