Österreich ist vom angesehenen britischen Economist in dessen"Democracy Index" für 2021 gerade noch unter die "full democracies" gereiht worden. Wir sind nur noch einen Hauch von den "flawed" (mangelhaften) Demokratien entfernt. Der ganze Report kommt zu einem unerfreulichen Ergebnis: "A new low for global democracy". Rund ein Drittel der Welt lebt unter mehr oder weniger autoritären Regimen, nur rund 6,4 Prozent der Weltbevölkerung in einer "full democracy".

Die Leute von der Economist Intelligence Unit bewerten nach 60 Indikatoren, die in fünf Kategorien eingeteilt sind: Wahlprozess und Pluralismus, Bürgerrechte, funktionierende Regierung, politische Beteiligung und politische Kultur. Es gibt vier Herrschaftstypen: volle Demokratie, mangelhafte Demokratie, hybride Regime und autoritäre Regime.

Dabei wurden von den liberalen bis libertären Economist-Researchern die Anti-Corona-Maßnahmen wie Lockdowns etc. als Faktoren gewertet, die die demokratische Qualität verschlechtern. Das kann man objektiv durchaus so sehen, allerdings steckt da ja meist keine antidemokratische Absicht dahinter. Hinterfragenswert ist auch der Blick auf die USA: "Trotz des Sturms auf das Kapitol und der Versuche des scheidenden Präsidenten Donald Trump, die Wahlergebnisse umzudrehen, lief die Inauguration von Joe Biden ruhig ab, und der Demokratiewert von Amerika fiel nur um 0,007 Prozent."

Gewaltsamer Sturm auf das Parlament, krasse Versuche der nachträglichen Wahlfälschung durch den Präsidenten und eine ganze Republikanische Partei, die dieses Wahlergebnis immer noch nicht zur Kenntnis nehmen will und für das nächste Mal aktiv an der Unterdrückung von Minderheitenstimmen arbeitet? Diese olympische Ruhe seitens der Economist-Leute scheint nicht angebracht. Die Demokratie in den USA ist in ziemlicher Gefahr.

Flut von Skandalen

Die Frage des Economist, wie sehr sich die Welt vor dem eisernen Überwachungssystem Chinas fürchten soll, ist allerdings zu Recht gestellt. China ist auf dem Weg zu einem 1984-Staat sehr, sehr weit fortgeschritten, wie gerade die Teilnehmer der Olympischen Spiele mitkriegen, und die Kombination "marktwirtschaftliche Freiheit und politische Repression plus wilden Nationalismus" erscheint immer mehr autoritären Charakteren in der Welt und auch in Europa attraktiv.

Was aber ist mit Österreich? Dass wir uns in der Liste so verschlechtert haben, liegt an den Werten für die Indikatoren "funktionierende Regierung" und "politische Kultur". Das ist nachvollziehbar. Die letzten Jahre brachten eine Flut von Skandalen, die sozusagen über das "normale österreichische Maß hinausgingen". Der Machtanspruch der türkisen ÖVP, nur ja jede Verwaltungsposition bis zur Bezirksebene zu besetzen, aber auch die Justiz zu dominieren und zu instrumentalisieren, in Verbindung mit dem Nachholbedarf der Strache-FPÖ lässt den Staat ziemlich verrottet aussehen. In Kombination mit einer allzu populistischen und inszenierungsgetriebenen Politik ist dabei eben schlechte, weil verworrene, konzept- und prinzipienlose Regierungspolitik herausgekommen.

Einen ganz wichtigen Aspekt dabei hat der aus Enttäuschung ausgetretene ÖVP-Jugendfunktionär Muamer Bećirović in der Zeit herausgearbeitet: "Dieses bauernschlaue Denken, den unmittelbaren Vorteil persönlich zu verfolgen und nicht mittel- und langfristig zu denken, ist heute eine Krankheit des Konservatismus."

Anderswo ist die Demokratie in Lebensgefahr, in Österreich wird sie verschlampt. Auch das ist gefährlich. (Hans Rauscher, 12.2.2022)