ÖVP-Nationalratsabgeordneter Nico Marchetti glaubt, dass es in der Volkspartei heute "durchaus Mehrheiten" gibt, die umfassende Gleichstellung für Homosexuelle unterstützen würden.

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Das "Anti-Homo-Haus" wird seit 2014 als solches geführt, ist auf der Homepage des privaten Beherbergungsbetriebs zu lesen.

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Wien – In knapp sieben Jahren kann viel passieren, können Menschen sich sehr verändern und weiterentwickeln. Vielleicht gilt das ja auch für Parteien. Das jedenfalls hofft Nico Marchetti für seine Partei, die Volkspartei. Denn für viele andere Dinge, Menschen oder Positionen gilt das nicht, sie bleiben stur und starr auf ihrer Linie, auch wenn die offen diskriminierend ist.

Das sogenannte bzw. von den Eigentümern selbst so genannte "Anti-Homo-Haus" in Niederösterreich lieferte den jüngsten Beweis dafür. Auf der Homepage der Privatzimmervermietung im Bezirk Krems-Land ist zu lesen: "Mit Homosexualität, Pädophilie und Gender-Ideologie wollen wir nichts zu tun haben." Im Gespräch mit der Austria Presseagentur (APA) bekräftigte der Betreiber der Unterkunft für Arbeiter und Monteure seine Position: "Das 'Anti-Homo-Haus' wird bleiben. Das wird man mir nicht ausreden können." Weil man Homosexualität ablehne und "nichts mit AIDS oder Syphilis zu tun haben" wolle, sei man von Buchungsplattformen gesperrt worden, heißt es auf der Webseite der Unterkunft, die seit Jahren als "Anti-Homo-Haus" geführt wird.

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Darf so sein. Denn der gesetzliche Diskriminierungsschutz greift hier schlicht nicht, er deckt nur die Arbeitswelt ab.

Was nicht mehr sein darf

Darf nicht so sein, betont hingegen Nico Marchetti. Vielmehr ist dieser Fall für ihn nur ein aktueller Anlass, der ein grundsätzliches Problem aufzeigt. Das "Anti-Homo-Haus" ist vor allem ein Grund für den 31-jährigen ÖVP-Nationalratsabgeordneten, seine Partei zu einem "Umdenken und zu Klarheit im Umgang mit Diskriminierung, konkret mit sexueller Diskriminierung" zu bewegen: "Wir haben dieses Thema nie breit und ernsthaft diskutiert. Es ist an der Zeit, diese Debatte zu führen, auch wenn sie emotional wird", sagt Marchetti im STANDARD-Gespräch: "Ich wünsche mir, dass meine Partei ihre Position hinterfragt und das tut, was auch im türkis-grünen Regierungsprogramm festgeschrieben ist, nämlich dass der Diskriminierungsschutz ausgebaut werden soll."

Konkret heißt es im Koalitionsprogramm von ÖVP und Grünen, dass Diskriminierungsfreiheit "ein wichtiges Anliegen" sei.

"Levelling up" 2015 noch am ÖVP-Widerstand gescheitert

Marchetti glaubt, dass es in der Volkspartei jetzt "durchaus Mehrheiten" für einen ausgeweiteten und umfassenden Diskriminierungsschutz gibt. Vor knapp sieben Jahren war die ÖVP jedenfalls noch nicht so weit. Damals blieb Familienministerin Sophie Karmasin im Ministerrat im Kabinett Faymann/Mitterlehner auf ÖVP-Seite alleine mit ihrer Position. Sie habe sich mehrfach für das "Levelling up" ausgesprochen und sei auch weiterhin dafür, sagte Karmasin im Mai 2017.

Mit dem "Levelling up" würde Diskriminierung etwa aus Gründen der Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung auch außerhalb der Arbeitswelt verboten. Die SPÖ wollte damals im Ministerrat einen neuen Anlauf für den Beschluss unternehmen, die ÖVP verhinderte jedoch, dass das Thema überhaupt auf die Tagesordnung der Regierungssitzung kam. Karmasin erklärte, sie hätte mit dem Entwurf leben können und hätte ihn auch "gern umgesetzt". Aber es gebe eben Stimmen dagegen, etwa aus der Wirtschaft, und da brauche es noch mehr Überzeugung. Sie sei aber überzeugt, dass man den Diskriminierungsschutz entsprechend ausweiten werde – "manches dauert etwas länger".

Ideologisch aufgeladene Debatte

Nun, im Februar 2022, hat es für den ÖVP-Bereichssprecher für Studierende sowie Schülerinnen und Schüler lang genug gedauert. Marchetti will die "ideologisch sehr aufgeladene und umstrittene Debatte versachlichen und endlich Klarheit schaffen". Die angeblich drohenden Klagen aus Wirtschaftskreisen fürchtet er nicht, vielmehr halte er sie für "ein Scheinargument, mit dem Stimmung erzeugt wird. In anderen Ländern ist das auch nicht passiert. Auch gegen den Volldiskriminierungsschutz am Arbeitsplatz gibt es keine Klagewellen."

Was also soll konkret passieren? "Das, was jetzt als Diskriminierungsschutz für den Arbeitsplatz gilt, soll analog ausgeweitet werden auf andere Bereiche." Jegliche Diskriminierung, auch aus Gründen der sexuellen Orientierung, wäre dann verboten.

Grüne, SPÖ und Neos für ausgeweiteten Diskriminierungsschutz

Von den Parlamentsparteien haben sich Grüne, SPÖ und Neos bereits für eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes für Homosexuelle ausgesprochen, damit diese nicht weiter beim Zugang zu Dienstleistungen und Gütern diskriminiert werden dürfen.

Die grüne Nationalratsabgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic sagte am Freitag im Ö1-"Morgenjournal", der Fall sei eine Möglichkeit, anlassbezogen an einer Gesetzesänderung zu arbeiten. Es gebe in Österreich allerdings unterschiedliche Lobbygruppen, etwa auf wirtschaftlicher und religiöser Ebene, die eine solche Änderung blockieren würden.

Auch SPÖ-LGBTIQ-Sprecher Mario Lindner forderte ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Orientierung und kritisierte, dass dieses bisher an der ÖVP gescheitert sei. Die türkis-grüne Regierung hätte mehrere Anträge der SPÖ in der Sache abgelehnt.

Neos-Abgeordneter Yannick Shetty sprach sich ebenfalls für das Ausweiten des Diskriminierungsschutzes aus: "Es kann im Jahr 2022 nicht sein, dass jemand von ganz alltäglichen Gütern und Dienstleistungen ausgeschlossen wird, lediglich aufgrund der sexuellen Orientierung."

Auch ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner und FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker kritisierten zwar den Anlassfall. Ob die ÖVP sich damit einer Gesetzesänderung gegenüber offen zeigt, blieb aber unklar. Ecker wiederum will keine Überregulierung und verglich den Vorfall mit Betrieben, die keine Kinder als Gäste akzeptieren. (Lisa Nimmervoll, 12.2.2022)