Der Schilderwald wird nicht weniger: Um auf die neuen Kurzparkzonen hinzuweisen, werden rund 2.000 Verkehrsschilder montiert.

Foto: Andy Urban

Es ist ein tatsächlich großer Wurf, der Wien nachhaltig verändern wird. Wie genau, wird erst die Zeit zeigen. In zwei Wochen, ab 1. März, wird die Stadt jedenfalls zur fast flächendeckenden Kurzparkzone. Mit dieser Entscheidung steht fest, dass künftig in allen Bezirken fürs Parken gezahlt werden muss: Mit dem letzten riesigen Ausweitungsschritt werden auch fast alle öffentlichen Stellplätze in bewohnten Gebieten in den Bezirken Simmering, Hietzing, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing werktags kostenpflichtig. Das betrifft insgesamt gleich 229.000 Parkplätze. Oder anders ausgedrückt: Die bisherige Parkpickerlzone in Wien, die 244.000 öffentliche Stellplätze in 19 der 23 Bezirke umfasst, wird mit einem einzigen Schritt fast verdoppelt.

Bisher 78.000 zusätzliche Pickerlanträge

Beantragen können das Parkpickerl Wienerinnen und Wiener für ihren jeweiligen Wohnbezirk sowie, falls vorhanden, Überlappungszonen. In den vier bisher pickerlfreien Bezirken plus der Ausweitung in Simmering rechnet die Stadt mit 140.000 bis 175.000 zusätzlichen Anträgen. Bis Sonntag Mitternacht wurden bereits mehr als 78.000 Anträge gestellt, wie ein Sprecher der zuständigen Magistratsabteilung auf Anfrage des STANDARD sagte. Allein 14.000 Anträge waren es demnach in der vergangenen Woche. In den kommenden 14 Tagen dürfte der Ansturm aber noch einmal deutlich zulegen: Immerhin werden noch zwischen 62.000 und 97.000 weitere Parkpickerlwünsche erwartet.

Dabei hatte schon Mitte vergangener Woche die erwartete Flut von tausenden Onlineanfragen die Server teilweise in die Knie gezwungen. Dazu kamen laut Stadt auch Cyberattacken. Die Probleme bei der Onlineantragstellung über wien.gv.at/parkpickerl wurden laut einer Sprecherin von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) aber noch vor dem Wochenende wieder behoben. Persönliche Anträge können auch in den jeweiligen Magistratischen Bezirksämtern abgegeben werden, Voraussetzung ist aber eine Terminreservierung. Um mehr Termine anbieten zu können, haben die betroffenen Bezirksämter an den kommenden zwei Samstagen ausnahmsweise zwischen 8 und 14 Uhr geöffnet. Dazu kommen werktags erweiterte Öffnungszeiten.

Auswirkungen für Pendler

Die fast flächendeckende Kurzparkzone in Wien bezeichnete Stadträtin Sima als "Meilenstein für den Klimaschutz". Immerhin müssen sich auch 120.000 Pendlerinnen und Pendler, die laut Arbeiterkammer mit dem Auto nach Wien zur Arbeit fahren, neue Verkehrswege überlegen. Sie haben, sofern sie keinen Hauptwohnsitz in der Hauptstadt besitzen, keinen Anspruch aufs Parkpickerl: Denn nur mit dieser Ausnahmegenehmigung ist es künftig möglich, das Auto werktags zwischen neun und 22 Uhr länger als zwei Stunden auf einem öffentlichen Parkplatz kostenpflichtig abzustellen.

Die Wien-weite Parkpickerlzone hat also massive Auswirkungen auf den Pendlerverkehr. Die Alternativen sind ein Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel möglichst vor den Toren der Stadt oder private, und meist deutlich teurere, Autostellplätze etwa in Garagen. Aber auch Wienerinnen und Wiener sowie Besucher, die ihre Autos bisher in den pickerlfreien Bezirken kostenfrei abstellten, müssen umdenken.

Umlandgemeinden in Niederösterreich, die befürchten, selbst zugeparkt zu werden, haben ebenfalls bereits reagiert: Schwechat und Perchtoldsdorf setzen eigene Kurzparkzonen ab 1. März um, andere Gemeinden wollen vorerst noch abwarten.

Grafik: Der Standard

Dass die Ausweitung der Kurzparkzone auf fast ganz Wien ab 1. März Realität wird, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen – auch wenn die Grünen zunächst unter Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou, später unter Birgit Hebein die Ausweitung der Parkzonen in der Stadtkoalition mit der SPÖ ab 2010 sukzessive und als Stückwerk vorantrieben. Vor allem Ernst Nevrivy (SPÖ), Bezirkschef in der Donaustadt, hielt von den Plänen der Grünen nichts: Er sprach sich noch vor der Wien-Wahl 2020 gegen ein kostenpflichtiges Pickerl in seinem Bezirk aus. Erst Nevrivys Parteikollegin Sima schaffte im Vorjahr eine Wien-weite Einigung, die auch der neue pinke Koalitionspartner mittrug.

Start der Kurzparkzone im Ersten im Juli 1993

Dabei wurde bereits am 1. Juli 1993 der gesamte erste Bezirk zur kostenpflichtigen Kurzparkzone erklärt. Eine Stunde Parken kostete damals zwölf Schilling, mit der Euro-Umstellung waren es 80 Cent. Aktuell sind es 2,20 Euro pro Stunde. Das Parkpickerl für Anrainer sowie Firmen in der Innenstadt war das Nebenprodukt und ermöglichte die Ausnahme vom Kurzparken. Bis Ende November 1999 folgten unter roter Federführung vier Ausweitungsschritte, wo alle Bezirke um die City folgten. 2005 kam die Sonderzone um die Stadthalle im 15. Bezirk dazu.

Erst unter Rot-Grün wurden dann größere Gebiete in Bezirken außerhalb des Gürtels im Westen Wiens ebenfalls zur Parkpickerlzone erklärt. Im Oktober 2012 folgten Teile des 12., 14., 16. und 17. Bezirks sowie der gesamte 15. Bezirk. Der Parkplatzdruck wurde immer stärker, dazu kamen die Verdrängungseffekte: In der Folge wurden auch die Parkpickerlgebiete sukzessive immer größer. Nach und nach kamen dann auch noch Währing (2016), Favoriten (2017), das Simmeringer Zentrum (2018) und Döbling (2019) dazu.

Fleckerlteppich mit vielen Regeln

Aber nicht nur der Fleckerlteppich wuchs, sondern auch die unterschiedlichen Regelungen: In den Innenstadtbezirken beträgt die maximale Parkdauer werktags zwei Stunden zwischen neun und 22 Uhr. Außerhalb des Gürtels kann zwischen neun und 19 Uhr drei Stunden geparkt werden. Das Parkpickerl ist dafür in den innerstädtischen Bezirken noch etwas teurer als in den Gebieten außerhalb des Gürtels.

Mit der Ausweitung der Parkpickerlzone auf ganz Wien kostet das Pickerl künftig einheitlich zehn Euro pro Monat. Bei der maximalen Parkdauer werden die Regeln vereinfacht: Die Außenbezirke passen sich den gültigen Regeln der Bezirke innerhalb des Gürtels an. Von der Wien-weiten Regelung sind nur wenige Außenbereiche nahe Grün- oder Industriegebieten nicht umfasst, wo weiterhin auch werktags gratis geparkt werden kann.

Zuletzt kam als Ausnahme noch ein Gebiet bei der südlichen Donauinsel dazu, das nur schwer mit Öffis erreicht werden kann: Es handelt sich um das Gebiet der Raffineriestraße stadtauswärts ab dem Biberhaufenweg: Dort gilt künftig als Spezialfall eine Kurzparkzone werktags von acht bis elf Uhr – um laut Stadt Wochen- oder Dauerparken zu verhindern. Weitere Ausnahmen bei der Donauinsel soll es vorerst nicht geben. (David Krutzler, 15.2.2022)