Eine Aufnahme von der Leipziger Buchmesse. In Österreich sinkt momentan das individuelle Freiheitsgefühl.

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Was ist eigentlich Freiheit? Ist man dann frei, wenn man nicht mit einer Waffe bedroht wird? Beginnt Freiheit schon viel früher, etwa dann, wenn man immer überall hinfahren kann, wohin man möchte? Oder ist man frei, wenn man sich eine Eigentumswohnung kaufen kann, wenn man sich keine Sorgen um seine Gesundheit oder seine Kinder machen muss?

Eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Sora-Instituts gibt zumindest Antworten darauf, wie das individuelle Freiheitsgefühl gestärkt werden kann. Und stellt außerdem fest, dass es in der Corona-Krise gesunken ist – genauso wie das Vertrauen in die Politik. Was allerdings offenbar nicht eingetreten ist: der vielfach befürchtete Generationenkonflikt.

Wohnkosten belasten am meisten

Erst aber zur Freiheit an sich. Die wird am ehesten gestärkt, wenn man finanziell abgesichert ist und die eigenen beruflichen Ziele erreichbar sind, wird in der Studie angegeben. Das Freiheitsempfinden sinkt hingegen, wenn sich die eigene psychische Gesundheit verschlechtert, aber auch durch Diskriminierung im Gesundheitsbereich oder bei Polizeikontrollen. In der Befragung von gut 2.000 Personen gaben 68 Prozent an, es sei, egal wie sehr man sich anstrenge, kaum noch möglich, mit eigener Leistung Eigentum zu erwerben – 37 Prozent stimmten dieser Aussage sehr zu, 31 Prozent ziemlich. Die Studie wurde vom Neos Lab, der Parteiakademie der Neos, in Auftrag gegeben.

Die eigene Lebensqualität wird laut Angaben der Befragten am ehesten durch hohe Wohnkosten (18 bzw. 23 Prozent stimmten sehr oder ziemlich zu), aber auch durch fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung (14 bzw. 23 Prozent jener mit Kindern stimmten sehr oder ziemlich zu) und durch schlecht ausgebaute Öffis (14 bzw. 19 Prozent) beeinträchtigt – wobei hier laut Studienautorin Janine Heinz vor allem Menschen im Süden Österreichs zugestimmt haben. In den Städten seien die Menschen eher in ihrer Lebensqualität eingeschränkt, wenn es kaum Parks in der Nähe gebe (sieben bzw. elf Prozent).

Vierjahrestiefststand

Günther Ogris, Chef des Sora-Instituts, resümiert wie folgt: "Das Freiheitsgefühl war noch nie so niedrig wie heute." Auf die Frage "Fühlen Sie sich frei oder unfrei?" gaben im Untersuchungszeitraum zwischen Mitte August und Anfang Oktober 2021 25 Prozent an, sie fühlten sich unfrei oder eher unfrei – 2018 waren das in Summe noch 14 Prozent.

Das hat nicht nur, aber auch mit der Corona-Krise zu tun. Nur etwa je ein Drittel der Befragten fühlte sich da von der Politik und von den Medien ausreichend berücksichtigt. Das betrifft Medien sogar noch mehr als Politik. Laut Heinz gaben sieben Prozent der Befragten bei der Aussage "Meine Lebensumstände finden Platz in der öffentlichen Berichterstattung" an, dem würden sie sehr zustimmen, 25 Prozent stimmten ziemlich zu.

Ältere für Solidarbeitrag

39 Prozent der Befragten und damit um elf Prozentpunkte mehr als noch im Jahr davor gaben an, ihre psychische Gesundheit habe sich im Zuge der Pandemie verschlechtert. Das betrifft mittlerweile vor allem die Mittelschicht: Dort gaben das 42 Prozent der Befragten an und damit um 14 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Doch auch im unteren Einkommensdrittel verschärfte sich die Lage: 63 statt vorher 53 Prozent gaben an, dass sich ihr psychischer Gesundheitszustand verschlechtert habe. Und: Das betrifft vor allem die Jungen, unter den bis 29-Jährigen gaben das knapp die Hälfte an.

58 Prozent stimmten sehr oder ziemlich der Aussage zu, die Corona-Krise treffe die junge Generation wirtschaftlich stärker als die ältere. Erstaunlicherweise glaubten das aber vor allem die über 60-Jährigen. Die sind es auch, die vermehrt dafür sind, dass ältere Wohlhabende einen Solidarbeitrag zahlen sollen – dem stimmt etwa die Hälfte zu oder eher zu.

Vertrauen in die Politik mangelhaft

Abgefragt wurde auch das Vertrauen in die Politik. Auch da zeigt sich ein enormer Unterschied bei den Einkommensschichten: Je weniger ökonomisch abgesichert man ist, desto eher stimmt man der Aussage "Die Politik behandelt Menschen wie mich oft als Menschen zweiter Klasse" zu – im unteren ökonomischen Drittel sind das 46 Prozent, die dem sehr zustimmen, 38 Prozent stimmen ziemlich zu. Im oberen Drittel sind das nur drei bzw. 14 Prozent. Ogris dazu: Viele hätten das Gefühl, "dass die da oben mehr Freiheiten haben als wir selbst".

20 Prozent nahmen die Demokratie als "eher unfrei" wahr, ein Wert, der im Vorjahr noch deutlich niedriger, 2019 aber ähnlich hoch war. Dass es da keinen oder nur einen geringen Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen und radikalen Corona-Gegnerinnen und -Gegnern gibt, zeigt sich laut Autorin Heinz darin, dass nur fünf Prozent angaben, sie würden sich am allermeisten mit Fragen rund um Corona-Maßnahmen beschäftigen.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich "erschüttert" ob der Meinung über die Politik – und auch selbst betroffen: "Da sitzt die gesamte Politik im Boot, auch wenn sie sich nicht gleichermaßen verantwortlich fühlt." Ihrer Ansicht nach seien die Studienergebnisse ein Signal dafür, dass der "Kampf gegen Korruption entschlossen geführt werden muss". Die Studienautorin betont, dass der Erhebungszeitraum einen Tag vor den Hausdurchsuchungen bei der ÖVP geendet habe. (elas, 15.2.2022)