Auf der Bühne stets in feinem Tuch, privat dann doch eher wurzelseppig unterwegs. Urge Overkill legen mit "Oui" ein erstaunlich frisches Album vor.

Foto: Jerod Herzog / Omnivore Records

Besucht man einschlägige Tratschseiten aus der Welt vermeintlicher Promis, wird klar, warum Urge Overkill ihre Band wie ein Hobby betreiben. Nash Kato wird auf einer dieser Klatschseiten ein Vermögen von knapp 20 Millionen Dollar nachgesagt. Das ist möglicherweise krass übertrieben. Andererseits lässt sich anhand der Veröffentlichungsintervalle von UO keine besondere Dringlichkeit zum Gelderwerb ablesen.

Nun ist es aber wieder so weit. Urge Overkill haben das Album Oui veröffentlicht. Man mag den kokett in Französisch hingeschriebenen Titel als weiteres Indiz für ein Leben im Speck deuten. Und vielleicht ist es wirklich so, dass die Band von ihrem Hitalbum Saturation (1993) gut lebt. Und von ihrer Version von Girl, You’ll Be A Woman Soon.

Jenem Neil-Diamond-Cover, zu dem Uma Thurman im Film Pulp Fiction John Travolta empfängt, um Stunden später mit einer Überdosis im System und einer Adrenalinspritze im Busen wieder zu erwachen.

Urge Overkill - Topic

Damals, Anfang der 1990er, waren Urge Overkill eine jener Gruppen, die aus der Underground-Szene von Chicago zu globaler Bekanntheit kamen. Sie bügelten Nirvana bei gemeinsamen Konzerten von der Bühne und waren im Gegensatz zur berühmten Fetzensammlung aus Seattle stilsicher angetan: mit hellblauen Anzügen, bunten Spacerock-Brillen und güldenen Amuletten, auf die jeder Zuhälter zwischen Hollywood und Wien-Donaustadt eifersüchtig war.

Jamaikanisches Frühstück

Der Verwertungsfolklore entsprechend trat die Band bei allen großen Talkshows und Festivals auf, verfiel dem Größenwahn und war dafür bekannt, am liebsten nach jamaikanischer Façon zu frühstücken: Knuspertüte auf brutal. Die Sehschlitze des Nash Kato untermauerten die diesbezügliche Nachrede.

Allein – künstlerisch krepierte die Band nach dem Erfolg von Saturation. Dessen Nachfolger Exit The Dragon war ein überambitionierter und untergenialer Schmafu, die Band danach weg vom Fenster.

Urge Overkill - Topic

Erst 16 Jahre später nahm sie das anständige, dabei etwas konventionell gebaute Rock & Roll Submarine auf, nur um danach gleich wieder zu entfleuchen. Elf Jahre Rauchpause später wirkt die Band auf Oui erstaunlich frisch. Ihr Talent, mitreißende Rocksongs mit einprägsamen Hooklines zu schreiben, steht in voller Blüte, die Mischung aus dickem Ärmel und sanften Melodien passt ebenso.

Das Cover ziert der Schädel eines Stiers mit grauem Haarschopf zwischen den Hörnern, der als Nasenring das goldene Emblem der Band trägt. Ein Sinnbild für die anhaltende Kraft dieses Power-Rock Albums bei gleichzeitigem Zugeständnis, dass dieser Bulle wohl keinen Einsatz mehr zum Decken findet.

Ein Dutzend wilder Songs im sofort wiederzuerkennenden Sound der Band und mit Titeln wie A Necesarry Evil, A Prioners Dilemma oder Follow My Shadow fällt dabei immer noch ab wie nichts. (Karl Fluch, 16.2.2022)