Wie viele Abfälle im täglichen Forschungsalltag typischerweise so anfallen, hat die Initiative Green Labs Austria anschaulich dokumentiert.

Foto: Green Labs Austria

Wenn Nikola Čanigová einen Tag im Labor gearbeitet hat, ist der Mistkübel am Abend voll mit Plastikabfällen. Die Doktorandin arbeitet am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg und forscht in der Gruppe von Michael Sixt zur Morphodynamik von Immunzellen.

Sie untersucht im Experiment, wie sich dendritische Zellen in Gewebe fortbewegen, und dafür müssen Petrischalen, Pipetten, Kulturflaschen oder Kolben steril sein. Am einfachsten geht das, wenn man jedes Mal eine frische Pipette und frische Handschuhe aus der sterilen Verpackung nimmt, doch das verursacht eine Menge Müll.

Als Nikola Čanigová ans IST kam, hat sie das entsetzt. Sie hat in der Slowakei studiert, wo die Universitäten im europäischen Vergleich sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Labormaterial muss dort gezwungenermaßen sparsam eingesetzt und so oft wie möglich wiederverwendet werden. Petrischalen oder Pipetten sind deshalb aus Glas statt aus Plastik (wie früher auch in Österreich) und werden von den Studierenden gereinigt.

Wegwerf-Equipment

"Als ich hierher kam und diesen Haufen Plastik sah, der jeden Tag weggeworfen wird, wusste ich deshalb, dass man es auch anders machen kann", erinnert sich die Doktorandin im großzügig ausgestatteten Labor in Klosterneuburg.

Anfangs dachte sie sich das nur im Stillen. Doch dann hörte sie im Rahmen der Climate Lectures am Vienna Biocenter den Vortrag eines Kollegen von der Universität Wien zu genau diesem Thema und war entschlossen, eine Initiative zu starten. "Zunächst hielt ich vor 50 Kolleginnen und Kollegen des IST einen ähnlichen Vortrag wie mein Kollege Logan Hodgskiss. Wenn man alles gleichzeitig präsentiert, sind die Leute aber überfordert, weil sich viele Dinge ändern müssen", erzählt Nikola Čanigová. Gemeinsam mit drei Kolleginnen hat sie deshalb vor einem Jahr begonnen, in zwei Forschungsgruppen schrittweise Maßnahmen für ökologischere Labore umzusetzen. Mittlerweile machen 15 Gruppen mit.

Sortenreine Trennung

Zuerst wurden auf den Labortischen Behälter aufgestellt, in denen gebrauchte Kunststoffe sortenrein gesammelt werden. Biologisch oder chemisch kontaminiertes Material muss ohnehin extra entsorgt werden, nun gibt es eben weitere Sortierbehälter. Anfangs erschien das mühsam, doch die Becher sind sorgfältig beschriftet, und mit der Zeit habe man sich laut Čanigová daran gewöhnt. Innerhalb eines halben Jahres sind so 150 Kilogramm Plastik zusammengekommen.

Als unerwartete Schwierigkeit stellte sich heraus, dass Laborplastik nicht über die kommunale Kunststoffsammlung entsorgt werden darf, weil es kein Verpackungsmaterial ist, dessen Entsorgungskosten im Produktpreis enthalten sind. Die Plastikabfälle aus PE, HD-PE und PP werden nun vom Verein "Helfen statt Wegwerfen" abgeholt, der sie an einen österreichischen Recyclingbetrieb verkauft und mit dem Erlös Therapien für kranke Kinder unterstützt.

Nikola Čanigová hofft, dass in Zukunft alle Labore am Institut Materialien, wo es möglich ist, mehrfach verwenden, nicht vermeidbare Plastikabfälle getrennt sammeln und diese gemeinsam an einen Recyclingbetrieb übergeben.

Der bestorganisierte Gefrierschrank

Im nächsten Schritt haben sich die jungen Forscherinnen den Energieverbrauch des Labors angeschaut. Ein Laborgefrierschrank, in dem Zellkulturen bei minus 80 Grad Celsius aufbewahrt werden, verbraucht so viel Strom wie ein ganzer Haushalt, lernten sie. Wenn man ihn auf minus 70 Grad einstellt, ist das ausreichend und spart 30 Prozent Strom.

Die Doktorandin Nikola Čanigová setzt sich für nachhaltigere Forschungslabore ein.
Foto: Sonja Bettel

Mit einer "freezer challenge" haben die Labore einen kleinen Wettbewerb gestartet, wer den bestorganisierten Gefrierschrank hat. Denn wenn man seine Proben schneller findet, kann man den Gefrierschrank schneller wieder zumachen.

Eine Laborabzugshaube, die giftige Dämpfe von Chemikalien absaugt und filtert, verbraucht mehr Strom, wenn sie offen ist (obwohl sie gerade nicht verwendet wird). Seitdem die Forschenden das wissen, klebt auf jeder Abzugshaube "shut the sash" (Abzug schließen), um daran zu erinnern.

Dezente Hinweise

Auch neben dem Kaffeeautomaten, an den Wänden der Korridore oder auf der Innenseite der Klotüren erinnern Plakate freundlich daran, sich umweltfreundlich zu verhalten und zu überlegen, wo man Material und Energie einsparen kann.

Sehr hilfreich bei allen diesen Schritten seien die Kolleginnen und Kollegen von Green Labs Austria, die bereits Vorarbeit geleistet haben, sagt Nikola Čanigová. "Viele von uns waren schon bei Fridays for Future oder in anderen Zusammenhängen in diesem Thema drin", erzählt Philipp Weber, Board Member von Green Labs Austria, der wie Logan Hodgskiss an der Universität Wien zu Archaeen (einzellige Organismen) forscht.

Im Frühjahr 2020, als die Labore an den Unis wegen des Lockdowns geschlossen waren und sie deshalb Zeit übrig hatten, gründeten einige Studierende den Verein und gestalteten eine Website, die Informationen für ökologischere Labore sammelt und weitergibt. Mittlerweile sind zahlreiche Labore an mehreren Universitäten und Institutionen beteiligt und über das Sustainable European Laboratories Network international vernetzt. Die Frage, was die Forschung in ihrer eigenen Praxis zu einer nachhaltigeren Gesellschaft beitragen kann, beschäftigt viele.

Abfall sichtbar machen

Um sichtbar zu machen, wie viel Abfall täglich produziert wird, hat Philipp Webers Labor zum Beispiel den Labormüll einer ganzen Woche gesammelt, sortiert und aufgelegt. Das Bild ist beeindruckend.

Die Initiative, ausgehend von der kleinsten Einheit der Wissenschaft, sei wichtig, sagt Philipp Weber, die entscheidenden Änderungen müssten aber auf höherer Ebene passieren: auf Führungsebene der Universitäten, in den Biotechfirmen, bei den Herstellern von Labormaterial, in den Kommunen und in den Köpfen der Menschen.

"Im Labor Einwegprodukte zu verwenden ermöglicht es, schneller zu arbeiten", sagt Weber, "aber ist schnell immer das Richtige?" Das gilt wohl für alle Lebensbereiche. (Sonja Bettel, 26.2.2022)