Ab März soll erstmals auch in Österreich nachhaltiger Flugtreibstoff angeboten werden. Bis zur grünen Wende im Flugverkehr stehen aber noch einige Herausforderungen bevor.

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Ein Billigflug nach Kreta, eine Fernreise nach Bali oder ein Städteflug nach Barcelona – endlich! Wer sich schon auf eine Flugreise freut, den kann gleich auch wieder das schlechte Gewissen ereilen: Flugzeugturbinen emittieren viel CO2, und als Vielflieger kann man schnell zum "Klimasünder" mutieren. "Stay grounded" ist daher der Aufruf von Umweltschutzorganisationen.

Flugaskese ist für viele allerdings nicht die prickelndste Alternative. Die Flugbranche ist für 2,1 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und zeigt Bemühen, klimafreundliche Angebote zu schaffen: Mit einem streckenabhängigen Aufpreis können Fluggäste ihren CO2-Anteil etwa durch Bäumepflanzen kompensieren lassen.

Wende oder Greenwashing?

Weiters haben sich Flughäfen, Turbinen- und Flugzeugbauer 2020 freiwillig CO2-neutralem Wachstum verpflichtet. In optimistischsten Szenarien will man bis 2050 sogar eine "zero CO2 emission"-Luftfahrt entwickeln – durch leichtere Flieger, effizientere Turbinen und vor allem mit Sustainable Aviation Fuels (SAF), also nachhaltig hergestelltem Kerosin. Synthetisiert aus erneuerbaren Quellen setzen diese Kraftstoffe bei Verbrennung nur so viel CO2 frei, wie zuvor der Atmosphäre entzogen wurde.

Kritiker vermuten hinter SAF-Projekten freilich Greenwashing und glauben nicht an die behauptete Gamechanger-Funktion in Richtung klimafreundliches Fliegen. Wer aber hat nun recht?

Kein Gamechanger?

"Was stimmt, ist, dass Kerosin aus erneuerbaren Quellen noch kaum vorhanden ist", sagt Doris Matschegg. Sie leitet gemeinsam mit Dina Bacovsky ein internationales Forschungsprojekt am Bioenergy und Sustainable Technology (BEST), einem K1-Kompetenzzentrum in Wieselburg, das die Bedingungen und Möglichkeiten für die klimafreundliche Luftfahrt durch nachhaltigen Flugtreibstoff untersucht. Gefördert wird das Kompetenzzentrum über die Förderagentur FFG mit Mitteln des Klima- und des Digitalisierungsministeriums.

"Weltweit beträgt der SAF-Anteil am Gesamtkerosinverbrauch gerade einmal 0,5 Promille", sagt Matschegg. Das wenige Biokerosin ist zudem noch drei- bis neunmal teurer als fossiles Kerosin. Freiwillig werden Fluglinien wohl nicht ausnahmslos teureres Ökokerosin tanken, sagt Bacovsky. Das hat zum einen mit dem harten Preiskampf zu tun, wo jeder Euro zählt. Zum anderen "kann sich auch jeder selbst an der Nase nehmen und sich fragen, ob er freiwillig ein paar Euro mehr pro Flug bezahlen würde".

Für die Umsetzung ehrgeiziger Ziele brauche es daher nicht nur freiwillige, sondern verpflichtende Rahmenbedingungen. Einen Schritt in diese Richtung hat die Europäische Kommission im Juli 2021 getan. In einem Vorschlag für eine neue Richtlinie (ReFuelEU Aviation) sollen alle EU-Staaten dazu verpflichtet werden, bis 2025 mindestens zwei Prozent nachhaltige Flugtreibstoffe bereitzustellen.

40-fache Steigerung

Das klingt noch nicht nach viel. In Relation zum weltweiten Aufkommen wäre das aber schon eine Steigerung auf das 40-Fache. Hier stellen sich viele Fragen, etwa wie SAF-Strukturen aufgebaut und bis 2050 sukzessive bis zu einem angekündigten verpflichtenden Anteil von nachhaltig hergestelltem Kerosin von beachtlichen 63 Prozent gesteigert werden sollen.

Klingt gut, aber dauert das alles nicht doch noch viel zu lange und komme zu spät, wie Kritiker monieren? Bacovsky: "Eine Umstellung auf nachhaltige Treibstoffe kann nicht von heute auf morgen passieren. Das muss nachhaltig geplant und umgesetzt werden." Rein technisch würde die Herstellung von Öko-Kerosin jedenfalls kein Problem mehr darstellen, sagt Matschegg. "Neun Herstellungsverfahren sind bereits zertifiziert, mehr als ein Dutzend weiterer sind in der Pipeline."

Hackschnitzel, Klärschlamm oder altes Frittieröl

Biokerosin wird dabei ähnlich wie Biodiesel aus Energiepflanzen wie Raps oder Palmöl hergestellt, aber auch aus Hackschnitzeln, Klärschlamm oder altem Frittieröl. In einem Pilotprojekt wird der Energiekonzern OMV für die Austrian Airlines ab März Kerosin aus altem Speiseöl via Pipeline aus Schwechat an den Flughafen Wien anliefern. Damit soll erstmals in Österreich nachhaltiger Flugtreibstoff angeboten werden. Kompensiert werden soll damit jährlich CO2 von 330 Wien-London-Flügen werden. Ein erster Schritt – aber zum klimafreundlichen Gamechanger ist noch viel Luft nach oben.

Biokerosin aus Reststoffen wird von Fluglinien heute übrigens weltweit präferiert, da es Food-Fuel-Konflikte vermeidet und so als nachhaltiger gilt. Doch auch Reststoff ist nicht gleich Reststoff: Während etwa alternatives Kerosin aus städtischem Biomüll rechnerisch über 130 Prozent CO2-Einsparungspotenzial besäße, sprich pro Flug sogar mehr CO2 einsparen könnte, als die Turbinen freisetzen, würde Kerosin aus Restmüll ohne Bioanteil in seiner CO2-Bilanz schlechter abschneiden als direkt aus Erdöl gewonnener Flugbenzin.

Wasserstoff aus Windparks

Ähnlich schaut es bei den besonders klimafreundlich geltenden E-fuels oder Power-to-Liquid-Verfahren aus: Ist für Biokerosin elektrolytisch gewonnener Wasserstoff aus Kohlestrom die Basis, ist die CO2-Bilanz schlechter als die von Erdöl-Kerosin. Wird der Wasserstoff aber mit Windstrom – am besten aus Offshore-Windparks – produziert, gibt es eine sehr klimafreundliche CO2-Bilanz. Vor allem in Dänemark und Deutschland will man diese Herstellung von nachhaltigen Flugtreibstoffen präferieren. Expertenmeinung allerdings: "Bis jetzt ist das noch nicht viel mehr als eine schöne Vision", sagt Bacovsky. "Weitere Taten müssen folgen."

Das Projekt der BEST-Forscherinnen soll helfen, sich einen Überblick über die nationale wie internationale SAF-Umstellung zu verschaffen und auch Expertise für politische Vorgaben zu erarbeiten. Geteilt werden sollen die Ergebnisse in Workshops, Online-Seminaren und einer großen Abschlussveranstaltung. (Norbert Regitnig-Tillian, 21.2.2022)