Pauls Jets mit Textchef Paul Buschnegg (Mitte) singen mitunter sehr heiter über die traurigen Seiten des Lebens.

Foto: Staatsakt

Natürlich kennt man solche eingerauchten Gscheiterln von Konzerten in Wien aus eigener Erfahrung. Sie stehen hinten im Saal und schwätzen den ganzen Auftritt lang durch. Wie wir wissen: Wenn man jemanden reden lässt, redet er sich automatisch kaputt! Der Tonfall ist nasal-schönbrunnerisch gehalten. Frisch vom Land eingefangte Leute bekommen in der ersten Zeit in Wien deswegen Kabel am Hals.

Zu einem stumpfen elektronischen Beat aus in den Kellern längst in der Zeit verstaubender Clubs tauschen sich Sänger Paul Buschnegg und Keyboarder Kilian Hanappi im Stück Jazzfest unter anderem über den eventuellen Ankauf eines Albums des Dave Holland Quartet aus – und über die Band Pauls Jets. Die darf da im Hochsommer zur Unglückszeit um vier Uhr am Nachmittag beim Wiener Veteranenfestival auftreten.

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Wenn es einen Gott gibt, dann findet das Konzert nicht auf den versiegelten Flächen vor dem Rathaus oder der Müllverbrennungsanlage Spittelau statt: "Sie spielen am Jazzfest, aber sie sind schon eine Rockband am Ende des Tages." Oder, noch besser: "Weißt du, die Musikindustrie ist total am Ende." Und: "Die Jets sind eine Jazzband, morgen sind sie schon im Jazzland."

Wir sehen schon, die Musik von Pauls Jets erweckt auch auf dem neuen Album Jazzfest starke Gefühle. Der Mittzwanziger Paul Buschnegg beschäftigt sich in anderen Liedern dann auch lieber mit der Liebe unter schwierigen Bedingungen, etwa in Baby ("Baby, schlaf jetzt noch nicht ein …") oder So richtig in Love ("So richtig in Love ist sie nie").

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In Magdeburg wird es dann im Gegensatz zum herrlich kindischen Debüt Alle Songs bisher von 2019 und den 2020 etwas in der Pandemie untergegangenen Highlights zum Einschlafen erwachsen. Das von Buschnegg im Duett mit Bassistin Romy Jakovcic vorgetragene Jungeltern- und Bobo-Szenario könnte glatt der Plot eines Films von Marie Kreutzer sein: Was hat uns bloß so ruiniert. Jugendliche und mit den Gitarren krachende Lebensfreude ist im Song Büro aber immer noch zu finden: "Wenn du traurig bist, dann geh nicht ins Büro!"

Produziert hat das mitunter auch quietschfidel dissonante Spiel Herwig "Fuzzman" Zamernik. In der Mitte zwischen alten und jungen Säcken wie Element of Crime und dem Nino aus Wien ist also sowohl das Chanson als auch der deutsche Schlager zu finden. Autotune und Yung Hurn kommen auch vor, Drogen sowieso. Der eigentliche Witz bei Jazzfest als wichtigem Album des Jahres: Schlagzeuger Xavier Plus gestaltet beim Radiosender Ö1 tatsächlich Jazzsendungen. (Christian Schachinger, 16.2.2022)