Hat Spitzenvertreter der österreichischen Medienbranche eingeladen, um über die Zukunft von öffentlichen Werbebuchungen und Medienförderungen zu reden: Medienministerin Susanne Raab.

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Wien – Donnerstag verspricht ein intensiver, aber auch sehr anschaulicher Tag für die neue Medienministerin zu werden. Susanne Raab (ÖVP) hat in fünf Runden Spitzenvertreter der österreichischen Medienbranche eingeladen, um – nicht öffentlich – über die Zukunft von öffentlichen Werbebuchungen und Medienförderungen zu reden.

Update: In mehreren Runden werden etwa ORF-General Roland Weißmann erwartet sowie der Präsident des Zeitungsverbands VÖZ, Markus Mair. (Update: Krone-Herausgeber Christoph Dichand ließ sich von Mediaprint-Justitiarin Anja Schmidt vertreten.) Eingeladen sind Geschäftsführer und Herausgeber von Medienhäusern und Vertreterinnen und Vertretern von Sozialpartner- und Branchenverbänden. Schon am Mittwoch gibt es ein Panel mit Experten.

Weitere sind in den nächsten Wochen geplant, kommende Woche etwa mit Podcast-Unternehmen, Medienplattformen wie "Dossier" und anderen kleineren Medien. Vor einem neuen Tag mit den Teilnehmern der ersten großen Runden und womöglich ersten Ergebnissen im März werden auch Juristinnen und Juristen die Themen diskutieren.

Moderation: Rudi Klausnitzer, der in den vergangenen Jahrzehnten von Ö3 und seinem Wecker über das Sat.1-Programm und die Verlagsgruppe News (VGN) schon einige Medien gemanagt hat.

Inseratenaffäre

Es waren Chats des damaligen Generalsekretärs im ÖVP-geführten Finanzministerium Thomas Schmid über das gezielte (oder so intendierte) Zusammenspiel von Werbebuchungen, angepassten Umfrageergebnissen und deren Finanzierung durch das Finanzministerium sowie die Berichterstattung darüber in Boulevardmedien, die im Herbst zum Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler und schließlich auch als ÖVP-Chef geführt haben. Ministerin Raab übernahm die Medienagenden, die bisher unter Kurz von einem Medienbeauftragten des Kanzlers behandelt wurden.

Raab hat zu Jahres- und Dienstbeginn als Medienministerin einen "Neustart" in der Werbe- und Förderpolitik angekündigt.

Es geht um einige Hundert teils existenzielle Millionen Euro für die Medienbranche.

Grafik: Standard

Öffentliche Stellen, Institutionen und Firmen vom Bundeskanzleramt bis zu Verbund und ÖBB investieren bis zu 223 Millionen Euro (im Pandemiejahr 2020) in Werbebuchungen, ein internationaler Ausnahmewert. Ein Teil dieser Förderungen, insbesondere von Bundesministerien, Ländern und Gemeinden, wird als inoffizielle Medienförderung eingesetzt. Die höchsten Budgets gehen an Massentitel wie Kronen Zeitung, Oe24/Österreich und Heute.

Die Bundesregierung buchte laut Medientransparenz-Meldungen zuletzt 47 Millionen Euro in zwölf Monaten. Die Stadt Wien kam schon auf 24 Millionen Euro im Jahr – noch ohne stadteigene Betriebe.

Schlupflöcher

Diese Daten zeichnen kein vollständiges Bild der öffentlichen Werbebuchungen. Das seit 2012 geltende Medientransparenzgesetz bietet Schlupflöcher: Buchungen bis 5000 Euro pro Quartal und Medium müssen nicht der Medienbehörde gemeldet werden. Auch nicht Buchungen in Medien, die seltener als viermal pro Jahr erscheinen. Die Möglichkeiten werden teils gezielt genützt, um die Meldepflicht zu umgehen.

Der Rechnungshof kann die Meldungen nachträglich prüfen, wenn er etwa eine öffentliche Stelle prüft. Ergebnis: Bis zu einem Drittel der Buchungen werden nicht gemeldet.

Branchenkenner schätzen die Buchungen in solchen nichtperiodischen Medien alleine auf insgesamt dreistellige und etwa in Wien auf zweistellige Millionenbeträge.

Sie könnten ein Ansatzpunkt des Ministeriums sein. Thema sind hier auch Wirkungsanalysen öffentlicher Buchungen etwa gegenüber dem Rechnungshof.

EU prüft

Grüne und Opposition plädierten schon für Umschichtung von Werbung zu formellen Medienförderungen, teils mit Qualitätskriterien wie Beteiligung am Presserat. In der Medienbranche gibt es – je nach Perspektive – teils sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Medienförderungen. Jeder wesentlichen Veränderung einer bestehenden Förderung oder neuen Förderungen muss die EU zustimmen, sie prüft auf mögliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs in der Union.

Neue Digitalförderung erwartet

Zuletzt bestätigte die EU 2021 nach Bedenken und Klärungen die österreichische Digitaltransformationsförderung, die Österreich 2022 erstmals ausschütten will. Das Gesetz in der ursprünglichen Fassung von 2021 liegt dem zuständigen Verfassungsausschuss des Nationalrats vor*, der Abänderungsantrag entsprechend den EU-Vorgaben vom Jahresende aber noch nicht. Eine Umsetzung bis Sommer ist geplant.

Im ersten Jahr werden hier bis zu 54 Millionen Euro ausgeschüttet. Sie fördert insbesondere Investitionen in Digitalisierung. Solche Projekte dürfen erst nach dem Förderantrag begonnen werden. Das dürfte derzeit zu einem Investitionsstau in Medienunternehmen führen, die auf die Antragsmöglichkeit warten.

Schweizer Skepsis

In der Schweiz hat eine knappe Mehrheit gerade in einer Volksabstimmung eine zusätzliche Medienförderung über rund 144 Millionen Euro abgelehnt. Zu Unrecht, findet Medienwissenschafter Josef Trappel (Uni Salzburg). Ohne öffentlichen Beitrag sei Medienvielfalt immer schwerer zu erhalten und die Qualität leide. Er ist einer der Wissenschafter, die Raab zum medienpolitischen Austausch in den nächsten Wochen eingeladen hat. (Harald Fidler, 16.2.2022)