Selbst Cent-Transaktionen mit Kryptowährungen dürfen laut EU künftig nicht mehr anonym sein.

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In der EU stehen alle Zeichen auf Kryptoregulierung, der einzuschlagende Weg sorgt allerdings für Diskussionen. In zwei Ausschüssen – für Wirtschaft und Währung (Econ) sowie für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (Libe) – kamen die Verantwortlichen zu dem Schluss, dass anonyme Transaktionen mit Kryptowährungen künftig komplett untersagt werden. Auch eine vormals von der EU-Kommission vorgeschlagene Bagatellgrenze von 1.000 Euro soll fallen – jeder Kryptobetrag bis in den Centbereich soll künftig nachvollziehbar sein.

Strenges Prüfverfahren für Kryptobörsen

Argumentiert wird dies in dem Abänderungsantrag (PDF) einmal mehr mit Maßnahmen gegen Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäten bis hin zur Terrorismusfinanzierung. Dabei verweisen die Autorinnen und Autoren auf die teilweise gängige Praxis, größere Transaktionen in kleinere Beträge aufteilen und auf scheinbar nicht miteinander verbundene Wallet-Adressen verteilen zu können. Sie plädieren daher für einen Wegfall der 1.000-Euro-Grenze.

Für die in der EU tätigen Kryptobörsen, aber auch andere Marktteilnehmer wie die Anbieter von Online-Kryptowallets würde dies bedeuten, dass Kunden sich nicht nur mittels Ausweis registrieren müssen, sondern einem strengeren Prüfverfahren unterliegen – unabhängig vom Transaktionsvolumen ihrer Accounts.

Private Hardware-Wallets sowie Transaktionen ohne Dazwischenschaltung von Drittanbietern bleiben anonym – wenngleich die überwiegende Mehrheit der Transfers auf der Blockchain abgebildet ist und Rückschlüsse auf Sender und Empfänger liefern kann.

Piratenpartei kritisiert Vorhaben

Kritik kommt einmal mehr von der Piratenpartei. Sie bezeichnet die Begründung, Geldwäsche und Terrorismus eindämmen zu wollen, als fehlerhaft und nur als Vorwand, um mehr Kontrolle über persönliche Daten von EU-Bürger- und -Bürgerinnen zu erhalten.

"Anonyme digitale Zahlungen verbieten zu wollen kann illegale Machenschaften sogar weiter vorantreiben. Denn für Kriminelle ist es nicht schwer, zu Nicht-EU-Wallet-Diensten zu wechseln, die diese Vorschriften natürlich nicht implementieren werden", schreibt Mikuláš Peksa, tschechischer EU-Abgeordneter für die Piratenpartei.

Heather Morgan soll versucht haben, tausende Bitcoin aus dem Hack der Kryptobörse Bitfinex weißzuwaschen.
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Für unbescholtene EU-Bürger, die im Netz teilweise aus beruflichen oder sozialen Gründen auf den Schutz ihrer Anonymität angewiesen sind, bedeute es hingegen, zukünftig die Preisgabe ihrer Identität aufs Spiel zu setzen, ist Peksa überzeugt.

So argumentiert auch der EU-Abgeordnete und Parteifreund Patrick Breyer, der im Libe-Ausschuss sitzt. "Etwa zum Einsammeln von Spenden sind Oppositionelle wie Alexej Nawalny weltweit heute zunehmend auf anonyme Spenden in virtuellen Währungen angewiesen. Auch Wikileaks wurde von Banken schon der Spendenhahn zugedreht", erklärt Breyer.

Betrugsfall mit 120.000 Bitcoin

In der aktuellen Diskussion kommt unweigerlich stets der Betrugsfall mit 120.000 Bitcoin zur Sprache. Das mutmaßliche Gaunerehepaar aus New York soll unter anderem erwischt worden sein, weil es versuchte – teilweise softwareautomatisiert –, die gestohlenen Coins in kleinen Tranchen zu veräußern. Ob das mit den 25.000 Bitcoin, deren Verbleib bisher ungeklärt ist, gelungen war, ist derzeit noch unklar.

Der Fall zeigt allerdings auch auf, dass die unter Finanzbehörden, aber auch in Politikkreisen kursierende Ansicht, Kryptowährungen seien völlig anonym, in der Realität nicht zutrifft. Tatsächlich sind schon jetzt bis auf wenige Privacy-Kryptowährungen sämtliche Transaktionen auf der Blockchain nachvollziehbar. Es gibt zwar Möglichkeiten, Transfers zu verschleiern und Spuren zu verwischen, diese sind aber mit einigem Aufwand und Fachwissen verbunden.

Dem Betrügerpaar aus New York, dessen Geschichte nun von Netflix als Dokuserie verfilmt werden soll, gelang dies offensichtlich nicht. 95.000 Bitcoin im Wert von etwa vier Milliarden Dollar konnten von den Ermittlungsbehörden sichergestellt werden. Sie sollen aus dem Hack der Kryptobörse Bitfinex im Jahr 2016 stammen. (Martin Stepanek, 17.2.2022)