Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) stellten sich am Mittwoch erst den Landeshauptleuten, dann der Presse.

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Vom Ausbruch der Pandemie bis zu ihrem nun herbeipalaverten Ende war ihre regierungsoffizielle Bekämpfung auf den größten politischen Nutzen abgestellt, der für den jeweiligen Bundeskanzler dabei abfallen sollte. Nach den Lichtvisionen eines Sebastian Kurz erleben wir nun das Kunststück, in einem Atemzug die Impfpflicht einzuführen und möglichst alle Schutzmaßnahmen aufzuheben, um mit dieser paradoxen Intervention am Volkskörper dessen Geist gegen unerfreuliche Erkenntnisse aus dem demnächst beginnenden Untersuchungsausschuss zu immunisieren. Der beginnt Anfang März, für den 5. März wurde volksgesundheitliches Frühlingserwachen angekündigt, aber nicht von denen, von deren Fachwissen man sich angeblich leiten lassen wollte. Mit der Freiheit sollte es nach deren Meinung erst aufwärtsgehen, wenn es mit Omikron abwärts geht, und das ist unmittelbar nicht zu erwarten.

Das eigene Scheitern kaschieren

Zwischen Gecko und Landeshauptleuten, zwischen Pandemieexperten und Pandemieartisten des Föderalismus entscheidet sich die Bundesregierung für das, was der ÖVP am besten erscheint. Sie kaschiert das Scheitern ihrer Pandemiepolitik mit dem Versprechen der Erlösung von ihr, in der Hoffnung, ein erlösungsbedürftiges Publikum werde die Neuigkeiten aus dem Untersuchungsausschuss gelassener ertragen.

An einem gewissen Erlösungsbedarf kann kein Zweifel bestehen, wie Untersuchungen ergeben haben. Viele Landsleute fühlen sich unfrei, und die Angst in der Kanzlerpartei ist groß, diesen Bedarf nicht mehr in dem Ausmaß befriedigen zu können, wie Kurz das noch vor der Pandemie den Wählerinnen und Wählern, aber auch der eigenen Partei vorgaukelte. Der Kampf gegen das Virus verschärfte in vielen Menschen die Erfahrung ökonomischer Ungleichheit, und die wird, im Unterschied zum Virus, länger bleiben. Das Vertrauen in die Politik, daran etwas zu ändern, ist im Sinken begriffen, was oft irrtümlich dem "System" zugeschrieben wird statt richtig den Parteien. Die Bürger sind nicht der Demokratie müde, sehr wohl aber der Art, wie sie oft praktiziert wird und wie das im Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen soll.

Pandemiepulver

Sein Pandemiepulver hat der Kanzler mit der Entscheidung vom Mittwoch verschossen. Von jetzt an müssen er und seine Partei im Parlament beweisen, wie sehr sie an Aufklärung interessiert sind. Zunächst: ob seine Berufung auf den Lenz das Bestehen auf Wolfgang Sobotka als Vorsitzendem aufwiegen kann. Ob Einpeitscher Andreas Hanger wirklich so geläutert ist, wie er in den "Salzburger Nachrichten" erklärt. Die Chats von Thomas Schmid endlich als "unglaublich abgehoben, unglaublich menschenverachtend" zu empfinden, erfordert nicht viel Sensibilität. Und auch seine Taktik, die Untersuchungen zu verschleppen, indem sie bis 2014 zurückreichen sollen, ist von begrenztem Raffinement.

Immerhin gibt es einen Fall von tätiger Reue. ÖVP-Großspender Klaus Ortner hat den Schaden teilweise gutgemacht und Kurz-Intimus Axel Melchior in seiner Firma untergebracht. Nun soll er dort kommunizieren. Es gibt noch Unternehmer, die zu ihrer Verantwortung stehen. Als Abgeordneter lässt sich Melchior weiterhin auch noch vom Steuerzahler durchfüttern, aber das ist ein ungewisses Los. Schön zu sehen, wie der Frühling erwacht. (Günter Traxler, 18.2.2022)