Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) stellten sich am Mittwoch erst den Landeshauptleuten, dann der Presse.

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Um kurz nach zehn Uhr waren alle Bildchen auf dem Bildschirm in einem der Sitzungszimmer des Kanzleramts aufgepoppt. Vor Ort saßen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der Gesundheitsminister, der Bildungsminister, die Tourismusministerin, die Kulturstaatssekretärin, die Vorsitzenden des Krisenstabs Gecko sowie Regierungsmitarbeiterinnen am Tisch und daneben. Per Video zugeschaltet wurden alle neun Landeshauptleute, mehrere Expertinnen und Experten, es war eine große Runde, im Grunde war der Öffnungsplan beschlossen und besiegelt; es wurde dann trotzdem emotional bei dem Gipfel am Mittwoch – wie so oft bei dem Thema Corona.

Wiens "wildes Testen"

Ein "Scharmützel", wie es ein Dabeigewesener nennt, soll sich zwischen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) entfacht haben. Mückstein, der dritte Redner im Meeting, erklärte, das "wilde, ziellose Testen" müsse nun aufhören. Wien, die mutmaßliche Testhauptstadt der Welt, sieht das freilich anders. Ludwig war sofort und sichtlich empört, später legte er auch verbal noch nach.

Inhaltlich geht es darum: Die Wiener Stadtregierung ist überzeugt, dass durch die breite Teststrategie der Hauptstadt Krankenhausaufenthalte und Todesfälle vermieden werden konnten. Schließlich erfahren Menschen durch regelmäßiges Testen rasch, dass sie infiziert sind. Außerdem wird in Wien damit gerechnet, dass Ende kommender Woche die neue Omikron-Subvariante dominant sein wird. Um besser planen und prognostizieren zu können, brauche es eine gute Testinfrastruktur, argumentieren die Wiener Roten.

Es geht ums Geld

Man muss dazu sagen: Es geht in der Debatte vor allem ums Geld. Bis Ende März zahlt der Bund für die Tests in den Ländern, danach – wie es derzeit aussieht – jedenfalls nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher. Somit könnte Wien seine derzeit extrem breite Teststrategie ab April nicht mehr weiterverfolgen; es würde das Aus für "Alles Gurgelt" bedeuten, erklärte Ludwig nach dem Gipfeltreffen bei einer Pressekonferenz.

Mückstein soll in der gemeinsamen Sitzung zuvor argumentiert haben, dass es in seinem Bekanntenkreis Menschen gebe, die sich aus Prinzip täglich testen lassen. Das sei so in dieser Form weder zielführend noch auf Dauer finanzierbar. Einige Experten geben ihm recht. Aber die Wiener stoßen sich nicht nur daran, dass ihnen das Testen bald nicht mehr bezahlt werden könnte, die ganzen Öffnungen gehen den Hauptstadt-Roten zu weit. Am 5. März sollen schließlich quasi alle Regeln fallen.

Konfliktthema Impfpflicht

Übrig bleibt dann nur noch die Maskenpflicht im Supermarkt, im öffentlichen Verkehr, in Pflegeheimen, Spitälern. Ansonsten blüht ein Frühling wie damals. Wobei Wien strenger vorgehen möchte als alle anderen Länder: In der Hauptstadt sollen Ungeimpfte auch weiterhin nicht in Wirtshäuser dürfen – bundesweit wurde 3G in der Gastronomie ab 19. Februar ermöglicht. Auch bei der Öffnung der Nachtlokale im März wird es in Wien Zutritt nur für Geimpfte und Genesene geben.

Das zweite Thema, das für Knatsch sorgt, ist die Impfpflicht. Seit Tagen und Wochen wird darüber heiß diskutiert, auch auf höchster politischer Ebene. Einige schwarze Landeshauptleute versuchen, sich von der Impfpflicht inzwischen möglichst zu distanzieren – obwohl sie es waren, die sie ursprünglich einführen wollten. Werner Kogler soll sein Statement beim Gipfeltreffen auch dafür genützt haben, die Landeshauptleute zu maßregeln: Es brauche ein geeintes Auftreten in der Frage.

Alte Muster

Rein inhaltlich unterscheiden sich die Äußerungen der politischen Vertreter gar nicht maßgeblich: Regierung wie auch Landeshauptleute wollen abwarten, was eine dafür zuständige Kommission empfiehlt. Vor Mitte März soll nun eine Empfehlung der Expertinnen vorliegen, ob die Impfpflicht jemals vollzogen wird – also ob es Strafen geben soll.

Innerhalb der Regierung hat sich die Rollenaufteilung in Corona-Verhandlungen übrigens seit dem Abgang von Sebastian Kurz kaum verändert: Die Grünen geben sich etwas zurückhaltender, die ÖVP hat auch die Wirtschaftstreibenden im Ohr. Der 5. März sei ein Kompromissdatum, heißt es aus Verhandlerkreisen. Außerdem ist es – wie schon bei vorherigen Öffnungen – wieder ein Samstag. (Katharina Mittelstaedt, 16.2.2022)