Der Held des Analogen in Jens Meurers Dokumentarfilms.
Foto: Polyfilm

Wien sei die analogste Stadt der Welt, meint Florian "Doc" Kaps. Von der Idee beseelt sucht der Wiener nach Möglichkeiten, analoge Kulturtechniken vor dem Verschwinden zu retten. Wie Doc seine unmöglichen Projekte mit unbändigem Willen und Freude angeht, zeichnet Jens Meurer in seiner neuen Dokumentation nach.

Doc ist hier ein Don Quixote, der den Kampf mit Windmühlen auf sich nimmt. Erzählt wird sein erfolgreiches Scheitern von einer märchenonkelhaften Monty-Python-Stimme, die das Romanhafte der mehrere Jahre überspannenden Dokumentation und die Schalkhaftigkeit seines Helden betont. Ein wahrhaft unmögliches Unterfangen war es denn auch, auf das sich der Held 2008 angesichts der Bilder von Sprengungen in Konkurs gegangener Analogfilmfabriken aufmachte.

Das Verschwinden des Polaroidfilms galt es aufzuhalten – und so riskierte Doc sein gesamtes Vermögen und startete ein Projekt, das sich der alten Kameras und der Neuentwicklung des Polaroidfilms annahm. Das "Impossible Project" war geboren.

Friedliche Koexistenz

Leider war der Protagonist vor allem ein nostalgischer Visionär, der auch in fehlerhaften Polaroids Schönheit sah, von Ideen überquoll, aber wenig Sinn fürs Geschäft besaß. Das "Impossible Project" scheiterte daran zwar nicht, aber nachdem es einmal zu laufen begonnen hatte, wurde jemand anderer zum König gekrönt – jemand mit dem US-amerikanischen Sinn fürs Geschäft. Doch Doc war nicht unterzukriegen, er hatte noch viele Ideen und fand immer wieder namhafte Mitstreiter, um seinen Lebenstraum von der friedlichen Koexistenz digitaler und analoger Medien Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Analoge sei der "Sehnsuchtsort digitaler Medienkultur", schrieb jüngst der Medienwissenschafter Dominic Schrey, und gleichzeitig der Ort kultureller Distinktion. Ebendas ist in Jens Meurers Dokumentation durchwegs spürbar. Anders als der Trailer des Films suggeriert, sitzen dabei weder Meurer noch Doc dem falschen Glauben auf, dass die analoge Nostalgie der verlorenen Wirklichkeit gleicht.

Nein, das analoge Zeitalter war nicht besser, und das Schöne an der Nostalgie ist, dass sie eine liebenswerte Insel der Connaisseurs in der digitalen See bildet. Denn Menschen, die Vinyl und Analogfilm feiern, die genießen auch gute Bücher, teuren Wein und feinen Kaffee, am liebsten im holzig-angestaubten Ambiente, wie Doc schnell erkennt.

Spielerische Nostalgie

Und so ist sein zweites Projekt schon wieder Wirklichkeit geworden: ein Wiener Kaffeehaus und Analogmuseum in einem. Doch da hält es ihn nicht lange, wie seine Frau sympathisch-entnervt bemerkt. Sobald ihr Gatte etwas beginnt, winkt schon eine neue Verheißung am Horizont. Schließlich ist das das Südbahn-Hotel, das erste Hotel am Semmering, das 1882, am Fuße des Pinkenkogels – auf 1000 Meter Seehöhe – eröffnet wurde.

Diesem charmanten Gebäude, das wie eine Mischung aus Kubricks Shining-Hotel und der Eleganz der K.-u.-k.-Ära wirkt, entlockt er einen letzten rauschenden Abend, ein kerzenbeschienenes Festmahl für die Größen der Analogindustrie: Moleskine, Impossible/Polaroid und – wer hätte das gedacht – Facebook, alle an einer Tafel.

Meurers Dokumentation nähert sich der analogen Nostalgie erfreulich spielerisch, immer mit einem Augenzwinkern und einem guten Blick sowohl für Situationskomik als auch für die Porträtierten. Und wenn Sängerin Haley Reinhart bei Kerzenschein im Südbahnhotel ins Mikrofon haucht, werden wir am Ende des auf 35 mm gedrehten Films sogar mit einem wohligen Kinoschauder belohnt. (Valerie Dirk, 19.2.2022)

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