Bei einer Skala von fünf Sternen verzichten Jobsuchende im Schnitt ab einem Score von 2,5 auf eine Bewerbung beim jeweiligen Unternehmen.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Immer mehr Bewerbende vergleichen während ihrer Jobsuche Aussagen von Firmen auf deren Karrierewebsites mit Einträgen auf Arbeitgeberbewertungsplattformen. Dabei finden sie eigenen Angaben zufolge regelmäßig Unstimmigkeiten zwischen den Unternehmensseiten und den Mitarbeiterbewertungen.

Das zeigt eine repräsentative Studie eines interuniversitären Forscherteams der Universität Innsbruck, der IMC Fachhochschule Krems und der Wirtschaftsuniversität Wien. Das HR-Marktforschungsunternehmen Trendence hat dafür mehr als 1.600 Personen befragt, die sich in den vergangenen zwölf Monaten in mindestens einem Bewerbungsprozess befanden.

Demnach nutzen derzeit knapp drei Viertel der Befragten Bewertungsplattformen, um sich über Unternehmen zu informieren. Von diesen geben mehr als ein Viertel an, dass ihnen immer oder oft eine Diskrepanz zwischen Arbeitgeberkommunikation und Mitarbeiterbewertungen auffällt, wenn sie sich auf Jobsuche begeben. Weitere 40 Prozent registrieren dies zumindest gelegentlich.

Mit gravierenden Folgen für die Personalsuche: Denn mehr als die Hälfte der Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich in einem solchen Fall nicht mehr auf die ausgeschriebene Stelle. Ein Viertel gibt sogar an, sich nie mehr bei dem jeweiligen Unternehmen bewerben zu wollen.

Nachgefragt

"Ein Arbeitgeber, der in seinen Stellenanzeigen mit ausgewogener Work-Life-Balance wirbt, bei Kununu und Co aber kritische Beiträge zu diesem Thema erhält, verhagelt sich die Glaubwürdigkeit gegenüber einem Großteil potenzieller Bewerber:innen. Das kann sich in Zeiten des Arbeitskräftemangels eigentlich kein Unternehmen leisten", sagt Katharina Pernkopf von der Uni Innsbruck zu den Ergebnissen.

Selbst die Kandidatinnen, die den Bewerbungsprozess aufgrund der wahrgenommenen Diskrepanz nicht beenden, lassen das Thema nicht auf sich beruhen. 46 Prozent der Studienteilnehmer geben zwar an, sich ungeachtet der entdeckten Widersprüche trotzdem zu bewerben, die Firma aber in jedem Fall im Vorstellungsgespräch mit diesen zu konfrontieren und genauer nachzufragen. Nur 15 Prozent sei es gleichgültig, wenn Bewertungen von Mitarbeitenden und Arbeitgeberwerbung nicht zueinanderpassen.

Vergleiche ziehen

Insgesamt haben sich Arbeitgeberbewertungsportale laut der Befragung zu festen Größen in der Jobsuche entwickelt: So nutzt bereits ein Fünftel solche Plattformen immer, um sich über Arbeitgeber zu informieren, und jeweils ein Drittel häufig bzw. gelegentlich. Nur die Karrierewebsite des Arbeitgebers wird noch öfter herangezogen.

"Auch an diesen Nutzungszahlen sehen wir, wie naheliegend es ist, dass die beiden am häufigsten genutzten Informationsquellen in der Jobsuche miteinander verglichen werden. Für Unternehmen wiederum erhöht das den Druck, authentisch in Richtung Kandidat:innen zu kommunizieren", sagt Markus Latzke von der IMC FH Krems.

Die meisten Nutzerinnen und Nutzer von Bewertungsportalen tun dies, um sich generell über potentielle Arbeitgeber zu informieren (78 Prozent). Hoch ist der Anteil derjenigen, die einen letzten Arbeitgebercheck vornehmen, wenn ihnen bereits ein Jobangebot vorliegt. Das machen etwa ein Drittel immer, weitere 38 Prozent ziehen das immerhin in Erwägung. Und auch während des Arbeitsverhältnisses überprüfen Beschäftigte ihren aktuellen Arbeitgeber – rund ein Viertel regelmäßig und ein Drittel tendenziell.

Nicht weniger als 2,5 Sterne

Dabei sind die Ansprüche an die Arbeitgeber vergleichsweise hoch. Denn bei der im Internet üblichen Bewertungsskala mit fünf Sternen verzichten Kandidaten im Schnitt ab einem Score von 2,5 auf eine Bewerbung bei dem jeweiligen Unternehmen. 87 Prozent der Kununu-Nutzerinnen schauen sich immer den Gesamtscore eines Arbeitgebers an. Aber auch Erfahrungsberichte aus dem Bewerbungsprozess stehen hoch im Kurs auf den Bewertungsportalen. Mehr als die Hälfte schauen sich immer oder oft an, wie Arbeitgeber diesen aus Sicht der Kandidaten managen, weitere 30 Prozent gelegentlich.

"Wir sehen: Bewertungsportale sind zum Ort der Wahrheit für Kandidat:innen geworden, und zwar über die gesamte Prozesskette einer Bewerbung und Einstellung – begonnen bei der Arbeitgeberrecherche über das Vorstellungsgespräch bis hin zur Entscheidung, ob ein Arbeitsvertrag unterschrieben wird", sagt Professor Wolfgang Mayrhofer von der WU Wien. (red, 21.2.2022)