Valery Gergiev: Mann der Effekte mit Philharmonikern unterwegs.

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Ließ sich selbst aus dem hauseigenen Programmheft etwa leise Kritik herauslesen? Da stand nämlich, dass die im Wiener Musikverein am Samstag aufgeführte Zusammenstellung aus Sergej Prokofjews Ballettmusik zu Romeo und Julia "versucht, die wichtigsten Teile aus den beiden Suiten zu einer überzeugenden (…) Abfolge zu verbinden. Dabei lässt sie die Prokofjew’schen Suiten-Reihungen (…) außer acht." Ganz schlüssig jedenfalls wirkt jene Version, die Valery Gergiev erstellt hat, als Ganzes tatsächlich nicht – trotz der vorhandenen Qualitäten der Aufführung, die er vor den bevorstehenden Tourneestationen in Deutschland und den USA gemeinsam mit den Wiener Philharmonikern bot.

Der übliche Schönklang

Ungeheuer düster, radikal dissonant und bedrohlich wirkte etwa die Einleitung des eröffnenden Satzes Montagues und Capulets, bevor das sattsam bekannte Gassenhauer-Thema mit seinen wilden Punktierungen einsetzt. Hier – und vielerorts im späteren Verlauf der Aufführung – gab es dann philharmonischen Prachtsound, Schönklang und zupackende Verve unter einem straffen Dirigat.

Allerdings fehlte diese Konzentriertheit ansonsten leider über weite Strecken – und dies merklich. Manches bei Sergej Prokofjew und vieles bei der anschließenden sechsten Symphonie ("Pathétique") von Peter Iljitsch Tschaikowsky klang, als sei die Koordination zwischen Dirigent und Orchester – besonders auffällig mit den Bläsern – noch recht ausbaufähig.

Es wird besser

Alle Beteiligten sind jedenfalls sicher zu deutlich höherer Kunstfertigkeit fähig. So entstand der Eindruck einer Probe vor Publikum mit manchen allerdings höchst gelungenen effektvollen Momenten: etwa die riesenhafte Steigerung von Tschaikowskys Scherzo, aber auch die trauervollen Farben im finalen Adagio. Dennoch: Am Ende der Tournee dürfte das alles noch etwas runder wirken. Hoffentlich. (Daniel Ender, 22.2.2022)