Alle 400 anwesenden Duma-Abgeordneten stimmten für die Anerkennung der "Donezker Volksrepublik" (DVR) und der "Luhansker Volksrepublik" (LVR).

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In Donezk donnerte es mitten in der Nacht zum Dienstag noch lauter als in den vergangenen Tagen, als die Stadt russischen Angaben zufolge unter dem Dauerbeschuss der ukrainischen Streitkräfte lag. Doch diesmal stammte der Lärm im Stadtzentrum von Feuerwerkskörpern, aus den Lautsprechern dröhnte die russische Nationalhymne, während etwa 50 Männer und Frauen vor den Kameras russische Flaggen schwenkten und jubelten.

Die für eine frühere Millionenstadt eher maue Beteiligung begründete die Reporterin damit, dass in Donezk immer noch eine nächtliche Ausgangssperre herrsche. Trotzdem sei es einer der glücklichsten Tage für den Donbass in den letzten Jahren gewesen.

Davon sind auch Galina und Ludmila überzeugt. Die beiden Moskauer Pensionistinnen haben die Rede von Präsident Wladimir Putin im Fernsehen verfolgt und anschließend gemeinsam angestoßen. "Seit acht Jahren wussten die Menschen nicht, wohin sie gehören. Jetzt haben sie endlich Sicherheit", meint Galina.

"Wer soll sie denn schlagen?"

"Bereitet euch darauf vor, dass der Dollar bald 100 Rubel kostet", meint der Unternehmer Ilja. Er glaubt aber an einen schnellen Sieg über die ukrainische Armee. Wer soll sie denn schlagen, fragt sein Schachpartner Igor. "Unsere Jungs werden für das Ego von irgendwem sterben", meint er nachdenklich. Doch solche Zwischentöne sind eher selten.

Umfragen suggerieren eine Solidaritätswelle der Russen mit der Bevölkerung in den Separatistengebieten. Laut dem staatlichen Meinungsforschungsinstitut WZIOM waren 78 Prozent der Russen mit der Entscheidung, Flüchtlinge aus dem Donbass aufzunehmen, einverstanden. Gesamtrussische Umfragen zur Anerkennung der Souveränität gibt es noch nicht, doch in einer Umfrage in der russischen Fernostregion Tschita unterstützten 60 Prozent der Befragten Putins Dekret.

Einstimmiges Votum

Im russischen Parlament war das Stimmungsbild noch eindeutiger: Alle 400 anwesenden Duma-Abgeordneten stimmten am Dienstag für den Vertrag über Freundschaft und gegenseitigen Hilfeleistung zwischen Russland, der "Donezker Volksrepublik" (DVR) und der "Luhansker Volksrepublik" (LVR). Im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, ist das Ergebnis ebenfalls einstimmig ausgefallen.

Kommunistenführer Gennadi Sjuganow erklärte nicht nur seine völlige Unterstützung für die Anerkennung, sondern ging noch weiter: "Was das Banditen-Bandera-Regime betrifft, so sind sie von den US-Geheimdiensten hochgefüttert, von der Nato-Frechheit erzogen worden, und wir sollten alles tun, um dem ukrainischen Volk dabei zu helfen, diesen Mist zu entsorgen", forderte er zum Umsturz in Kiew auf.

Grenzfrage

Ganz so weit gingen die übrigen Redner nicht. Trotzdem blieb offen, in welchen Grenzen Russland die beiden neuen Gebilde anerkennt. Die Vizechefin des Außenausschusses, Swetlana Schurowa, meinte dazu: "In den jetzigen Grenzen natürlich. Niemand hat vor, weiter zu gehen."

Anders sah den Sachverhalt der Chef des GUS-Ausschusses, Leonid Kalaschnikow. Im Freundschaftsvertrag sei dazu zwar nichts geschrieben, "aber ich denke, dass die Staatlichkeit gemeint ist, die im Referendum festgelegt wurde, und das fand in anderen Grenzen statt", machte er Ansprüche auf weitere bisher von Kiew kontrollierte Gebiete – immerhin zwei Drittel des Donbass – geltend.

Vertreter der LVR und DVR machten umgehend ihre Ansprüche geltend. Sowohl das Außenministerium als auch Kremlsprecher Dmitri Peskow ließen den Punkt bewusst offen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, die Frage werde "nach der Ratifizierung des Freundschaftsvertrags" entschieden.

Was passiert mit Mariupol?

Peskow seinerseits gab trotz acht konkreter Nachfragen keine endgültige Antwort. "In den Grenzen, in denen sie ausgerufen wurden", erkenne Russland die Republiken an, sagte er nur. Dabei wollte er weder den Zeitpunkt der Ausrufung (2014 oder 2022) präzisieren, noch ob beispielsweise die Hafenstadt Mariupol, die bisher von der Ukraine kontrolliert wird, zu den neuen Republiken gehören soll.

Offenbar dient diese Auslassung der weiteren Verhandlungstaktik des Kremls. So sollen der Westen und die Ukraine zu weiteren Zugeständnissen gezwungen werden. Putin hatte bereits am Montag angedroht, dass, nachdem die Nato die Forderungen Russlands unbeantwortet ließ, Moskau seinerseits das absolute Recht habe, seine Sicherheit selbst zu gewährleisten und er nicht zulassen werde, dass die Ukraine zum möglichen Aufmarschgebiet der Nato werde.

Dabei deutete er mehrfach mögliche Gebietsansprüche an, die vom gesamten Donbass bis hin zur gesamten Schwarzmeerregion der Ukraine reichen, die Putin "Neurussland" nannte. (André Ballin aus Moskau, 22.2.2022)