Die Tiroler Gemeinderatswahlen finden am kommenden Sonntag, den 27. Februar statt. Im Bild aktuelle Plakate in Hall in Tirol.

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In 273 der 279 Tiroler Gemeinden wird am kommenden Sonntag gewählt. Neben dem Gemeinderat wird auch über die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einer direkten Wahl abgestimmt. Der Urnengang in der Landeshaupt- und Statutarstadt Innsbruck findet erst 2024 statt. In der Gemeinde Wängle wurde schon am 9. Jänner gewählt, weil sich der Gemeinderat bereits im Herbst aufgelöst hatte. In Musau, ebenfalls Bezirk Reutte, finden gar keine Wahlen statt. Mangels Listen – bis zum Stichtag wurde keine einzige eingereicht – bleibt der bisherige Gemeinderat samt Bürgermeister einfach im Amt. Und im Wipptal wird nach der Gemeindezusammenlegung von Matrei am Brenner, Mühlbachl und Pfons erst später im Jahr gewählt.

Insgesamt treten am Sonntag 856 Wahllisten an. 562 Kandidatinnen und Kandidaten wollen ein Bürgermeisteramt. Dieser Posten ist in Tirol eine Domäne älterer Männer. Derzeit gibt es nur 17 Frauen in einem Bürgermeisterinnen-Amt. Und auch diesmal sind von den 562 Antretenden 88,8 Prozent männlich. Nur 16 Kandidaten – allesamt Männer – sind jünger als 30 Jahre, dafür 80 über 60 Jahre alt.

Erringt ein Kandidat oder Kandidatin im ersten Wahldurchgang keine absolute Mehrheit, findet am 14. März die Stichwahl statt. Außer im Bezirk Landeck, wo nirgends mehr als zwei Kandidaten antreten.

Namenslisten statt Parteien

Die meisten Listen schickt 2022 die erstmals kandidierende Partei "Menschen, Freiheit, Grundrechte" (MFG) ins Rennen. Die Impfgegner treten in 51 Gemeinden an. Die ÖVP verweist zwar auf 475 Listen, die ihr zuzuordnen seien, allerdings tragen nur 19 den Parteinamen. Auch bei der SPÖ und der FPÖ tragen nur ein Teil der ihnen zuzuordnenden Listen auch den Parteinamen. Dadurch wird es immer schwieriger, die Parteien auf dem Stimmzettel zu erkennen.

"Bürgermeisterpartei" verliert an Strahlkraft

Die Tiroler Volkspartei behauptet, dass 226 der 279 Tiroler Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihrem politischen Lager zuzuordnen seien. Bei den aktuellen Wahlen sollen laut Eigenbekunden 350 Kandidatinnen und Kandidaten für ein Bürgermeisteramt aus den Reihen der ÖVP kommen. Was wiederum hieße, dass bei nur 273 wählenden Gemeinden einige innerparteiliche Duelle ausgetragen werden, wie die Innsbrucker Politologin Lore Hayek anmerkt. Von den behaupteten 475 VP-nahen Listen treten, wie erwähnt, nur 19 unter dem Parteinamen an. "Bei Tiroler Gemeinderatswahlen gewinnt insgesamt immer die ÖVP. Aber es wird aufgrund der Zersplitterung immer schwieriger, zu sagen, wie hoch dieser Sieg war und was er für kommende Wahlen, wie jene im Land 2023 bedeutet", erklärt Hayek.

Die Ortskaiser

In 113 der 273 wählenden Gemeinden wird am Sonntag nur ein Kandidat oder eine Kandidatin für das Bürgermeisteramt am Wahlzettel zu finden sein. Während es in Kleingemeinden immer schwieriger wird, jemanden für das Amt zu finden, werden namhafte Persönlichkeiten oft konkurrenzlos im Amt bestätigt. In der 1400-Seelen-Gemeinde Sellrain wird der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer nach seiner ersten Amtszeit ohne Gegenkandidat antreten. Im Gemeinderat muss er dennoch um die Mandatsmehrheit seiner Liste kämpfen. In Umhausen im Ötztal kann ÖVP-Landtagsklubobmann Jakob Wolf entspannt seiner Wiederwahl entgegensehen. In Sölden wiederum hofft Ernst Schöpf (ÖVP), der seit 1986 regiert, auf seine Wiederwahl. Er wäre dann der längstdienende Bürgermeister Tirols.

Listenkoppeln: ÖVP-Taktik wird gegen ihre Erfinder eingesetzt

Paragraf 68 der Tiroler Gemeindewahlordnung regelt das sogenannte Listenkoppeln. Erdacht hatten dieses Tiroler Schmankerl einst ÖVP-Politiker. Wenn in einer Gemeinde zwei oder mehrere Listen koppeln, werden ihre Stimmen zur Mandatsverteilung zusammengerechnet, was beim D’Hondt-Verfahren, das die Mandatsverteilung regelt, Vorteile bringen kann. Früher waren es meist mehrere VP-Listen der einzelnen Bünde, die antraten. Heute nutzen auch politische Gegner diese Taktik. So koppeln in Kitzbühel SPÖ und Grüne sowie FPÖ und eine Namensliste gegen die VP-Bürgermeisterliste. In Lienz koppeln überhaupt vier Listen, um so der ÖVP Mandate abzutrotzen. Dass sich Parteifreunde darüber beschwerten, findet sogar VP-Gemeindeverbandschef Ernst Schöpf "zum Schmunzeln".

Fridays for Future forderte Listen zu Klimabekenntnis auf

Zwar dürfen bei den Gemeinderatswahlen Jugendliche ab vollendetem 16. Lebensjahr aktiv wählen, doch Inhalte und Kandidatenauswahl – nur 16 sind unter 30 Jahren – sind kaum auf sie zugeschnitten. Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future hat daher vorab den in Tirol wahlwerbenden Listen ein Forderungspapier für klimafitte Gemeinden zugesandt, mit der Bitte, es zu unterzeichnen. Nur 32 Listen, darunter vor allem den Grünen zuzuordnende, haben geantwortet. Für die jungen Aktivistinnen eine Ernüchterung: "Wir haben uns mehr erwartet. Es müsste doch für alle, denen ihre Heimat wichtig ist, selbstverständlich sein, sich für den Erhalt unserer Umwelt einzusetzen!" Selbst parteipolitisch aktiv zu werden, sei für Fridays for Future aber vorerst keine Option, man arbeite als Bewegung.

Wahlen und Corona

Die Pandemie wirft ihren Schatten auch auf die Wahlen. Für jene, die aktiv ihre Stimme abgeben wollen, aber der Gang ins Wahllokal nicht möglich ist, gilt es zu beachten, dass Wahlkarten schriftlich bis 23. Februar, mündlich und persönlich sogar bis 14 Uhr am 25. Februar beantragt werden können. Über den Postweg müssen ausgefüllte Wahlkarten bis spätestens Freitag, den 25. Februar bei der Gemeinde einlangen. Wer den Besuch einer fliegenden Wahlkommission will, etwa weil man in Corona-Isolation ist, muss dies ebenfalls bis 25. Februar, 14 Uhr, bei der Gemeinde beantragen. Wie es nicht geht, zeigte der 96-jährige Bürgermeisterkandidat Walfried Reimeir in Steinach am Brenner. Er wurde trotz Quarantänebescheid Corona-positiv beim Interview mit einem Fernsehteam angetroffen.

Grüner Formfehler mit Folgen

Vorschrift ist Vorschrift. Die grüne Listenführerin Lisa Kunwald in der Gemeinde Mutters bei Innsbruck wird am Sonntag doch nur von ihrem aktiven Wahlrecht gebrauch machen können. Denn beim Ausfüllen der Unterlagen zur Wahlanmeldung ihrer Liste unterlief ihr ein kleiner, aber laut Bürgermeister und Wahlleiter Hansjörg Peer folgenschwerer Fehler. Sie hatte das Feld mit der Kurzbezeichnung der Liste nicht ausgefüllt, sondern lediglich einen Bindestrich eingetragen. Für den Wahlleiter ein "nicht behebbarer Mangel", die Grünen in Mutters dürfen daher nicht zur Wahl antreten. Ihrem Einspruch dagegen wurde mit Verweis auf die Wahlordnung nicht stattgegeben. Die Grünen haben daher bereits angekündigt, das Mutterer Wahlergebnis vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. (ars, 22.2.2022)