Kanzler Nehammer hat einen Bonus, seine Herausforderin Rendi-Wagner hat mehr Anhänger für ihre Partei.

Foto: APA/Schlager

Linz – Nur ein Drittel der Wahlberechtigten traut der derzeitigen Koalition aus ÖVP und Grünen zu, dass sie die vorgesehenen fünf Jahre halten wird – jeder Zweite nimmt an, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen wird. Das geht aus der aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD hervor. Tröstlich für die Koalitionäre: Ebenfalls etwa die Hälfte der Befragten wünscht sich, dass Regierung und Parlament bis zum regulären Wahltermin weitermachen.

Und was wäre, wenn nun doch früher gewählt würde – wie das von der Hälfte der Sozialdemokraten, vor allem aber von klaren Mehrheiten der Freiheitlichen und der MFG-Anhängerschaft gefordert wird?

Market stellte dazu die übliche Sonntagsfrage – wen man wählen würde, wenn schon am kommenden Sonntag Wahlen wären – und rechnete hoch:

  • Die SPÖ ist seit dem Spätherbst die stärkste Partei – und zwar nicht nur in den Umfragen für den STANDARD, sondern auch im wöchentlich erhobenen "Gesellschaftsindikator" der Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft. Der aktuelle hochgerechnete Wert liegt bei 27 Prozent, deutlich über den 21,2 Prozent bei der letzten Nationalratswahl – und Market-Wahlforscher David Pfarrhofer weist darauf hin, dass dieser Wert seit rund einem Jahr ziemlich stabil ist: "Die SPÖ kann immer 25 bis 27 Prozent erreichen, sie profitiert nach unserer Berechnung aber nicht von der Schwäche der ÖVP." Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner kommt in der – theoretischen – Kanzlerfrage nur auf 15 Prozent. Das hängt vor allem damit zusammen, dass von den erklärten SPÖ-Präferenten nur etwa die Hälfte auch Rendi-Wagner wählen würde.
  • Anders bei der ÖVP: Die Kanzlerpartei kommt in der Hochrechnung nur auf 24 Prozent, sie würde also etwa jeden dritten Wähler von 2019 verlieren. Amtsinhaber Karl Nehammer würde aber von 26 Prozent direkt gewählt, falls eine solche Direktwahl möglich wäre. Die Anhänger der Volkspartei stehen beinahe geschlossen hinter dem Parteiobmann, ihn würde aber auch jeder fünfte Grünen-Wähler und jeweils jeder zehnte Wähler von SPÖ und FPÖ wählen. In einem allfälligen Wahlkampf könnte Nehammer also mit einem Kanzlerbonus punkten.
  • Die FPÖ kommt in der Hochrechnung auf 20 Prozent – und damit auf rund vier Prozentpunkte über dem letzten Wahlergebnis. Parteichef Herbert Kickl würde allerdings nur von jedem Zehnten als Kanzler gewählt.
  • Auf den vierten Platz vorgerückt sind die Neos – in der Hochrechnung sind sie bei zwölf Prozent und damit eineinhalb mal so stark wie bei der Wahl 2019. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger käme bei einer Direktwahl auf neun Prozent.
  • Die Grünen liegen mit elf Prozent auf ähnlichem Niveau wie die Neos (und damit deutlich unter den 13,9 Prozent von 2019) – den grünen Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler wollen nur sieben Prozent zum Kanzler machen.
  • Der Liste MFG würden österreichweit fünf Prozent ihre Stimme geben, was für einen Einzug in den Nationalrat reichen würde. Obwohl die Datenbasis dünn ist, liegt nahe, dass ältere Befragte und Bewohner der westlichen Bundesländer eher für MFG anzusprechen sind.

Wahlforscher Pfarrhofer verweist darauf, dass seine Hochrechnung zwar die aktuellen Stärken der Parteien darstellen kann – dass dies aber keine Prognose für den nächsten Wahlgang bedeutet: Vor einer Wahl könne der Wahlkampf noch beachtliche Verschiebungen bewirken. (Conrad Seidl, 25.2.2022)