Der Außenbereich von Das Werk am Donaukanal. Ab nächstem Wochenende darf auch wieder innen getanzt werden.

Foto: Das Werk

Nach vier Lockdowns und noch längeren Schließzeiten feiert die Wiener Nachtgastronomie am 5. März Wiederauferstehung. Wie ist die Stimmung bei den Clubbetreibern?In der Nacht von Freitag auf Samstag nächster Woche, ab null Uhr am 5. März, soll in ganz Österreich die Nachtgastronomie nach einem schier endlosen Lockdown, in dem nur knapp fünf Monate geöffnet werden durfte, wieder aufgesperrt werden. Und zwar bis zur Sperrstunde um sechs Uhr früh. Ab dann soll trotz Impfpflicht auch wieder die 3G-Regel gelten. Nur Bürgermeister Michael Ludwig (SP) in Wien bleibt hart. Er setzt trotz diverser von Clubbetreibern erstellter Sicherheitskonzepte weiterhin auf 2G in der gesamten Gastronomie. Damit haben laut Rundruf die meisten Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeiter kein Problem.

Spannend wird es für alle Betreiber, speziell der Wiener Nachtgastronomie, ob das Publikum überhaupt wieder zurück in die Clubs und Lokale gelockt werden kann. Immerhin hat sich das weitgehend junge Zielpublikum mittlerweile an private Wohnungspartys gewöhnt, oder es feiert in der warmen Jahreszeit lieber auf öffentlichen Plätzen wie entlang des Donaukanals, zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum oder auf dem Karlsplatz. Vor der großen Wiedereröffnung haben wir in der Szene ein Stimmungsbild eingeholt: Stefan Stürzer vom Werk, Peter Nachtnebel vom Fluc, Othmar Bajlicz vom Chelsea und Veranstalterin Shilla Strelka im O-Ton.

Stefan Stürzer, Das Werk

"Sagen wir es klipp und klar, die Clubkultur ist schwer angeschossen. Wir hatten während der vergangenen 24 Monate insgesamt nur vier Monate und drei Wochen offen. Es handelt sich nicht nur um ein finanzielles Desaster, wenn wir jetzt zum dritten Mal den Betrieb wieder hochfahren. Die Nachtgastronomie ist mit Service, Technikern, Security und so weiter eine personalintensive Branche. Das kostet bei 20 Leuten, die wir im Werk in Kurzarbeit haben, jedes Mal zehntausende Euro. Leider sieht das System wegen der Selbstbehalte vor, dass ein Lokal Kündigungen billiger kommen würden. Es ist auch viel Know-how speziell in der Tontechnik abgewandert. Die bekommt man bei all den weiteren Unsicherheiten nur schwer zurück. Und auch die Mietstundungen und Hilfen werden irgendwann auslaufen.

Wir sind nicht Berlin mit seinem Techno-Tourismus. Bei geschätzt 90 Clubs in Wien wird nach der Öffnung die Konkurrenzsituation massiv zunehmen. Es werden Clubs endgültig zusperren müssen. Es kommen zwar die 18-Jährigen nach, aber die "ältere" Generation ist während der Lockdowns weggebrochen. Clubs sind schließlich unbedingt notwendige und identitätsstiftende freie Räume. Ich bin als Junger früher zehnmal in der Woche ausgegangen."

Shilla Strelka, Veranstalterin, Struma + Jodine

"Klar habe ich den Club vermisst und vermisse ihn nach wie vor. Warum? Weil der Club die unterschiedlichsten Leute zusammenbringt, auf ungezwungene Art. Ich vermisse diese zufälligen Begegnungen gleichgesinnter Menschen. Und natürlich vermisse ich den Sound, die lauten Bässe, das dunkle Wummern, die ekstatischen Rhythmen und die tanzende Menge, die Vibes der Nacht. Der Club lässt sich nicht ersetzen. Sicherlich nicht durch Privatpartys, bei denen du Musik über schlechte Boxen hörst und ab zehn den Sound runterdrehen musst.

Dasselbe Problem hast du bei Open-Air-Veranstaltungen. Das ist keine wirkliche Alternative. Da müssen Genehmigungen eingeholt werden, du wirst Probleme mit der Nachbarschaft haben, immer wieder wird auch die Polizei vorbeikommen. Die Podcast-Reihe, die ich während der Lockdowns konzipiert habe, wird es auch weiterhin geben.

Im digitalen Raum ist einfach sehr viel möglich. Es ist sinnvoll, ein Notfallprogramm zu haben. Ab März veranstalte ich wieder. Zur ersten Show am 10. 3. habe ich Gábor Lázár ins Rhiz eingeladen. Gábor ist in Budapest stationiert, da muss ich keine Flüge stornieren. Und auch für die nächsten Shows habe ich internationale Acts gebucht. Es braucht den Austausch. Fingers crossed."

Peter Nachtnebel, Fluc & Fluc-Wanne

"Am Tag der Nachtgastro-Öffnung am 5. März passiert bei uns erst einmal nichts Außergewöhnliches. Wir haben die neugestaltete Bar oben ganz normal wie derzeit schon von Mittwoch bis Samstag geöffnet und arbeiten mit einem reduziertem Team, ein bis zwei Kellnerinnen plus DJ-Kollektiv. Alles vorerst ganz unspektakulär. In der Bar werden in Zukunft kaum mehr Live-Konzerte über die Bühne gehen, stattdessen sollen – nach der ursprünglichen Gründungsintention von 2006 – verstärkt Ausstellungen, Lesungen, Performances, vielleicht auch Kleinkunstabende stattfinden.

Wie schon länger geplant, wird die Wanne in der ehemaligen Fußgängerunterführung für große Veranstaltungen derzeit umgebaut. Sie wird Mitte, Ende April fertig werden. Die Bookings für Konzerte und Clubbings sind am Laufen. Bis Sommer wird dann auch mit internationalen Acts wie Jochen Distelmeyer, Gewalt oder Los Bitchos sowie Clubs durchgehend Programm sein. Das Sommerloch könnte eine Hürde darstellen, aber das war schon vor der Pandemie so. Das Fluc geht davon aus, dass ab September wieder alles normal laufen wird. Bezüglich der Eintrittsregeln hat uns 2G+ eigentlich gefallen, aber wir halten uns an die jeweiligen Vorschriften. 2G, 2G+ oder 3G – uns ist alles recht."

Othmar Bajlicz, Chelsea

"Am 5. März werden wir das Chelsea aufsperren, als ob nie etwas gewesen wäre. Wir haben ja auch schon die letzten Wochen im Barbetrieb und mit Sperrstunde 22 Uhr zwei, drei Konzerte mit Sitzplatzpflicht gehabt. Aber natürlich ist es gut, wenn das alles mit den Masken und dem Verbot, an der Bar oder vor der Bühne zu stehen, wegfällt. Wir haben dann vor allem am Wochenende wieder bis fünf oder sechs Uhr geöffnet mit DJ-Programm. Konzertmäßig ist für den März auch ein schönes Programm gebucht. International ist die Lage mit Bands zwar immer noch unsicher, es werden aber bei uns etwa Porridge Radio aus Großbritannien, The Monsters aus der Schweiz und Adult aus den USA auftreten.

Wichtig ist, dass getanzt werden kann! Vor allem auch ganz ohne Maske! Die beibehaltene 2G-Regel für Wien stört mich überhaupt nicht. Das hat bei uns mit den Impfnachweisen in der Zeit, in der wir während der Pandemie geöffnet hatten, immer gut geklappt. Dass während der Lockdowns das Publikum weggebrochen ist, sehe ich nicht. Die Leute freuen sich auf die Clubs und die Atmosphäre darin. Es macht einen Unterschied, ob man am Donaukanal bei Dosenbier die Füße baumeln lässt oder sich in einem Club kennen und lieben lernt." (Christian Schachinger, 24.2.2022)