Bilder aus der Ukraine wurden in den vergangenen Tagen sehr oft von Zivilisten oder lokalen Journalisten via Social Media verbreitet.

Foto: Sergei Grits

Es sind erschütternde Bilder, die via Social Media aus der Ukraine die Welt erreichen: sich in Formation bringende Panzer oder auch russische Hubschrauber, die über die Ukraine fliegen. Viele Forscher, die dieses Bild- und Videomaterial zuletzt auf Twitter sammelten oder teilten, wurden in der vergangenen Woche immer wieder ohne die konkrete Nennung von Gründen gesperrt.

Osint

Das Material, um das es geht, wird meist als Open-Source-Intelligence (Sint) bezeichnet und meint für die Nachrichtengewinnung gesammelte Informationen aus frei verfügbaren Quellen. Forscher sammeln diese Informationen und versuchen aus der Analyse verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Der Osint-Forscher Kyle Glen war einer der Ersten, die sich auf Twitter zu Wort meldeten und sich über einen für zwölf Stunden gesperrten Account wunderten. Es war kein Einzelfall, wie der Journalist Nick Waters kurz drauf in einem Sammelthread am Dienstag darstellte. Osint-Organisationen und -Forscher auf der ganzen Welt klagten über ähnliche Vorfälle.

Oftmals nannte Twitter keine Gründe – nur manche Forscher bekamen eine kurze Nachricht, dass sie gegen die Regeln der Plattform verstoßen hätten, ohne allerdings ein konkretes Beispiel zu nennen.

Manche Forscher äußerten öffentlich Bedenken, dass die Kontosperren Teil einer Massenmeldekampagne durch Russland sein könnten, um die Osint-Kommunikation während einer Invasion mundtot zu machen. Twitter-Sprecherin Elizabeth Busby widersprach dem kurz nach den Vorwürfen und betonte, die Konten seien irrtümlich gesperrt worden. "Wir prüfen unsere zuletzt gesetzten Maßnahmen gerade und haben auch den Zugriff auf viele der betroffenen Konten wiederhergestellt", sagte Busby. In keinem Fall handle es sich um eine koordinierte Bot-Kampagne oder das Ergebnis einer Massenmeldung.

Das Magazin "The Verge" fragte bei der Twitter-Sprecherin nach, um welche Verstöße es sich denn gehandelt habe. Laut Busby gibt es Richtlinien gegen Fehlinformationen. So dürften keine Informationen weitergegeben werden, die "erheblich und irreführend verändert, manipuliert oder erfunden" seien. Diese eventuell aus dem Kontext genommenen Inhalte könnten zu einer "sich ausbreitenden Verwirrung" sorgen. Wieso man bei den Osint-Forschern von solch einer gezielten Verbreitung von Falschinformationen ausging, wurde nicht beantwortet.

Kein Einzelfall

Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass Twitter-Accounts genau aus diesen Gründen gesperrt werden. Zumeist sind es jedoch nichtenglischsprachige Accounts, da Twitter nicht für jede Sprache die nötige Kompetenz verfügbar hat. In diesem Fall waren aber zahlreiche große US-Forscher betroffen, die in ihrem Feld bekannt sind und über zehntausende Follower verfügen. So wird bei "The Verge" der Forscher Aric Toler zitiert, der sich über das Vorgehen wundert. Toler geht zudem von einem händischen Eingreifen bei den Sperrungen aus, da die meisten betroffenen Accounts nicht selbst Inhalte erstellt, sondern diese meist nur geteilt hatten. Das würde gegen einen voreingestellten Sperralgorithmus sprechen, so Toler.

Dennoch sieht er die kurzzeitigen Sperren als kein langfristiges Problem. Twitter habe schnell reagiert und die Forscher würden in solchen Fällen einfach andere Social-Media-Plattformen nutzen, um ihr Publikum – vor allem auch Journalisten – zu erreichen.

Auch wenn das Timing der Massensperrungen zu den derzeitigen Angriffen auf die Ukraine perfekt gepasst hätte, gibt es in diesem Fall keine Beweise für eine gezielte Aktion durch russische Militärs. Ganz aus der Luft gegriffen war die Angst allerdings nicht. In der Vergangenheit wurde Russland immer wieder vorgeworfen, auf Social Media mit Desinformationskampagnen aufzufallen. Auch bei zuletzt aufgetretenen Cyberangriffen auf die Ukraine wurde Russland mehrfach unterstellt, Drahtzieher gewesen zu sein. (red, 24.2.2022)