Die Demonstration am Donnerstag fand für viele unter Tränen statt.

Foto: Christian Fischer

Die Stimmung am Minoritenplatz in Wien ist gedrückt, als Demonstrantinnen und Demonstranten ihre Plakate aufstellen und ukrainische Flaggen hissen. Vereinzelt sieht man Menschen in Tränen ausbrechen. Der Krieg, der Donnerstagnacht in der Ukraine ausgebrochen ist, bewegt die ukrainische Community in Österreich. Viele haben Familie und Freunde in der Ukraine und machen sich Sorgen. Die Forderung an die österreichische Politik ist auf den Plakaten in Großbuchstaben zu lesen: Der Krieg müsse beendet, Russland gestoppt werden.

In einem großen Kreis sammeln sich am Donnerstagvormittag die Demonstranten um die Redner, die im Zentrum des Platzes stehen. Abgesehen von den jeweiligen Rednern ist es ungewöhnlich still: Die Gespräche sind verstummt, die Zuhörerinnen schauen oft ins Leere. Doch als die ukrainische Nationalhymne angestimmt wird, singen alle mit. Die Menschen umarmen sich, spenden einander Trost. Das Leid vereint die vielen Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich auf dem Platz eingefunden haben.

Bei der Nationalhymne der Ukraine singen alle mit.
Foto: Christian Fischer

Forderung nach härterer Reaktion

Auch Anna Pattermann, Organisatorin der Demonstration und Politikwissenschafterin, leidet mit – und stellt konkrete Forderungen. "Ich hätte mir von Österreich mehr gewünscht", sagt sie. "Ich verstehe, dass das ein neutraler Staat ist, aber Neutralität bedeutet nicht, diese Gewalt zu tolerieren." Neben "den härtesten möglichen Sanktionen" fordert sie, Russland solle von diplomatischen Gesprächen ausgeschlossen werden. "Wir haben so lange mit ihnen geredet – und was haben sie gemacht?", fragt sie sich. Außerdem übt sie scharfe Kritik an österreichischen Medien: Es werde immer noch von einer Ukraine-Krise gesprochen, obwohl es sich eindeutig um Krieg handle – das sei eine Verharmlosung der Situation.

Am Minoritenplatz in Wien haben sich Menschen versammelt, um gegen den russischen Angriff auf die Ukraine zu demonstrieren. Wir haben mit ihnen gesprochen.
DER STANDARD

Irina, selbst Russin, verurteilt die "zu schwachen" Sanktionen des Westens gegen Russland. "Ich habe Familie in Russland und komme aus Moskau – doch ich stehe zu hundert Prozent auf der Seite der Ukraine. Ich finde die derzeitigen Sanktionen auch nicht stark genug, ich erwarte mir mehr", meint sie.

Für den Erhalt der Demokratie

Am Samstag findet eine weitere große Kundgebung auf dem Platz der Menschenrechte statt – und auch vor der russischen Botschaft sei eine geplant. Als Rednerinnen sollen auch österreichische Politikerinnen der Grünen, ÖVP, Neos und SPÖ vertreten sein. Die Sozialistische Jugend Österreichs (SJÖ) habe sich als Erste bei ihr gemeldet, erzählt Demo-Organisatorin Pattermann. Es gehe bei den Demonstrationen auch nicht um die Ukraine allein, wie Pattermann betont. "Es geht um das Kämpfen für die Demokratie." (Sarah Maria Kirchmayer, 24.2.2022)