Helena hat heuer nichts mehr frei in ihrer Herberge auf Naxos? Und Gabrielas Gästezimmer in Grado sind auch schon ausgebucht? Wer sich in diesen Tagen ein Zimmer für den Sommer am Meer sichern will, wird feststellen, dass freie Betten da und dort bereits jetzt Mangelware sind. Doch wie kann das sein nach zwei Jahren nahezu leerer Hotels und Pensionen? Auch im beginnenden dritten Jahr der Pandemie scheint sich der Sommerurlaub nicht an das vorpandemische Drehbuch für ungebändigte Reiselust zu halten.

Mehr als eine Reise

Zum einen ist da dieser enorme Rückstau an nicht auskuriertem Fernweh. So erhob etwa die Europäische Reiseversicherung vor kurzem, dass im Jahr 2022 satte 96 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine Reise planen. Eine derart hohe Rate hat es auch vor der Pandemie nie gegeben. Nur 28 Prozent wollen diesen Urlaub in Österreich (wie zuletzt de facto verordnet) verbringen. Viele der Befragten gaben an, heuer sogar mehr als eine Reise ins Ausland zu planen.

Griechenland und Italien sind heuer extrem gefragt, in kleineren Orten werden die Betten knapp.
Foto: Nana Siebert

Zum anderen scheint das Angebot an Zimmern nun nicht schnell genug mit der urplötzlich gestiegenen Nachfrage mithalten zu können. Das hat mehrere Gründe. Nur ein kleiner Anteil der Hotelbetten ist – in Städten öfter als außerhalb urbaner Räume – wegen Pleiten nicht mehr verfügbar. Viel eher kämpfen Hoteliers damit, auf die Schnelle Personal zu finden. So zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass 60 Prozent der europäischen Gastgeber heute mit weniger Personal als vor der Pandemie arbeiten müssen. Erschreckende 38 Prozent spielen aktuell mit dem Gedanken, ihren wenig erfüllenden Job im Gastgewerbe überhaupt an den Nagel zu hängen. Das wirft die Grundsatzfrage auf: Könnte es auch 2022 wieder eng werden für europäische Reisende, tatsächlich an ihrem Wunschziel zu landen?

Aktuell verunsichert auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine Reisende. Der Luftraum über der Ukraine und der Republik Moldau ist gesperrt, der Rohölpreis ist über 100 US-Dollar gestiegen, was sich in der Urlaubssaison bemerkbar machen könnte. Führten noch vor wenigen Tagen Corona -bezogene Öffnungsschritte überall in Europa zu einer gelösten Stimmung, sorgen sich die Menschen nun um Krieg auf dem Kontinent.

Frage: Inwieweit wird sich der Krieg in der Ukraine auf den Sommerurlaub auswirken?

Antwort: Das kann derzeit niemand seriös beantworten. Pauschalreisende mit mehreren Reisebestandteilen (etwa Flug und Hotel) können ihre Buchung kostenfrei stornieren, wenn am Urlaubsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, diee die Reise mehr als nur unerheblich beeinträchtigen. Dies können Kriegshandlungen sein, allerdings muss das gebuchte Reiseziel auch konkret davon betroffen sein. Wer aus moralischen Gründen oder aus Angst eine Reise absagt, muss damit rechnen, dass der Veranstalter Stornokosten verlangt. Hier kann versucht werden, mit dem Veranstalter nach einer Kulanzregelung oder einer kostenfreien Umbuchung zu suchen.

Hohe Buchungszahlen zeichnen sich für die Algarve, die Balearen, Griechenland und Italien ab. Aber auch Geheimtipps wie Albanien ziehen an.
Foto: Nana Siebert

Frage: Aber ist es nicht unmoralisch, jetzt an Urlaub zu denken?

Antwort: Urlaub ist eine effektive Möglichkeit zur Erholung und Regeneration – nach mehr als zwei Jahren Pandemie haben ihn viele bitter nötig. Regelmäßig eine Auszeit zu nehmen ist wichtig für die psychische Gesundheit. Tatsächlich werden Menschen anfälliger für Krankheiten, je länger sie auf Urlaub verzichten. Das bedeutet nicht, dass der Urlaub nicht zu Hause stattfinden darf, solange Stress faktoren vermieden werden können. Den meisten Menschen gelingt das aber nicht, daher ist Wegfahren oft die bessere Option.

Frage: Wie weit sind wir sonst von einem "Sommer wie früher" entfernt?

Antwort: Immerhin hat die EU gerade einen Riesenschritt in Richtung wiedergewonnene Reisefreiheit getan. Seit Anfang Februar gelten für EU-Bürger im Besitz eines gültigen digitalen Covid-Zertifikats (3G) in der Regel keine Reisebeschränkungen mehr. Auch bei der Rückkehr nach Österreich reicht wieder ein 3G-Nachweis, sofern man nicht aus einem Virusvariantengebiet kommt. Aktuell ist aber weltweit kein Staat als Variantengebiet deklariert.

Frage: Was passiert, wenn das Impfzertifikat trotz Boosters mitten im Sommer abläuft? Das ist in Österreich nach 270 Tagen der Fall, wodurch vermutlich sehr viele Drittimpfungen im August 2022 die Gültigkeit verlieren.

Antwort: Dafür gibt es derzeit drei Szenarien. Eine Möglichkeit ist, dass der Boosterschutz EU-weit bald automatisch bis Ende Juni 2023 gilt; eine andere wäre die rechtzeitige Viertimpfung, deren Sinnhaftigkeit noch überprüft wird. Sollte bis zum Sommer gar keine Entscheidung fallen, reicht zur Rückkehr nach Österreich aber immer ein gültiger Test. PCR-Tests dürfen nicht älter als 72 Stunden sein, Antigentests maximal 24 Stunden.

Durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen
für Russland könnte Kerosin – und damit Flugtickets – teurer werden.
Foto: Nana Siebert

Frage: Wie frei werden wir bei der Wahl der Reiseziele heuer sein?

Antwort: Wie sehr der Krieg in der Ukraine die Optionen einschränken wird, ist vorerst noch unklar. Europaweit werden aber die Corona-Regeln gelockert, im Norden sind sie teilweise ganz gefallen. Norwegen etwa hat Corona-Einreiseregeln sowie -Beschränkungen im Land ganz aufgehoben, darunter die Maskenpflicht und die Abstandsregeln. So gesehen ist die Wahlfreiheit enorm gestiegen. Allerdings sind die Möglichkeiten heuer dort eingeschränkt, wo wieder ganz viele hinwollen. Aus Sicht der Österreicherinnen (erwiesenermaßen sind es meist die Frauen im Haushalt, die das Urlaubsziel auswählen) gilt das vor allem für Italien, Kroatien, Griechenland und – neuerdings – Spanien.

Frage: Heißt das, manche Ziele sollten im Sommer 2022 überhaupt gemieden werden?

Antwort: Tatsächlich überlegen das mehr Menschen als früher. Reisende aus Österreich verteilen sich deshalb in diesem Sommer auch auf Reiseziele wie Deutschland, Skandinavien, Frankreich, Großbritannien und Portugal. Wer aber zum Beispiel ein eingefleischter Griechenland-Fan ist, muss nicht auf den Ellas -Urlaub verzichten – nur halt flexibler sein. Heuer ist definitiv ein guter Zeitpunkt, um anstelle von Kreta, Rhodos oder Santorin ausnahmsweise einmal den schönen Mittelfinger der Chalkidiki oder die makellosen Strände Thrakiens zu begutachten. Auf manch kleiner Insel mit ohnehin geringen Bettenkapazitäten und dem akuten Personalmangel im Tourismus werden die Zimmer aber früher ausgebucht sein als in den Vorjahren.

Frage: Das klingt einerseits so, als sollte der Urlaub für diesen Sommer möglichst flott fixiert werden. Was, wenn sich die Lage andererseits für Reisende verschlechtert?

Antwort: Unkomplizierte Stornomöglichkeiten im Fall der Fälle sorgten zuletzt wieder für mehr Besuche im Reisebüro. Dort erhoffen sich durch sich rasch ändernde Corona-Bedingungen verunsicherte Urlauber persönliche Beratung und Hilfe beim Stornieren und Um buchen. Große Plattformen im Internet sind aber dennoch mit Abstand die wichtigsten Kanäle für Buchungen geblieben. Auch diese bieten flexiblere Stornomöglichkeiten denn je und in Verbindung mit der Anreise im Auto die größte Flexibilität. Der eigene Pkw bleibt jedenfalls 2022 das wichtigste Reiseverkehrsmittel, weil man sich einem möglichst geringen Ansteckungsrisiko aussetzen will. Die Möglichkeit zum Social Distancing ist für viele auch ein Kriterium bei der Wahl der Unterkunft geblieben. Serviced Apartments, Chalets und vor allem private Unterkünfte via Airbnb sind heuer enorm gefragt.

Große Plattformen im Internet sind aber mit Abstand die wichtigsten Kanäle für Buchungen.
Foto: Nana Siebert

Frage: Sind Engpässe zu befürchten, etwa bei den Flügen zu beliebten Urlaubszielen?

Antwort: Es gab die Befürchtung, dass das geringe Flugaufkommen während der vergangenen zwei Jahre nicht schnell genug wieder hochgefahren werden könne oder sich Flugtickets enorm verteuern. Testbuchungen auf großen Portalen für Flüge nach Athen, Palma de Mallorca und Nizza bestätigen das aktuell nicht, die Preise sind bislang nur moderat gestiegen. Durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen gegen Russland könnte Kerosin nun aber empfindlich teurer werden. Die Preise für Leihautos sind bereits stark gestiegen, und bei Wohnmobilen wird es heuer tatsächlich Engpässe geben. Der Campingtrend hält weiter an, und große Vermieter sind jetzt schon beinahe ausgebucht. Eine Alternative bieten die zahlreicher werdenden Vermittler von privaten Fahrzeugen à la Paul Camper. Eines scheint sicher: Wer heuer mit dem Wohnmobil auf einem Campingplatz in Kroatien urlauben will, muss sich Fahrzeug und Stellplatz wirklich ehestmöglich sichern.

Frage: Wo in Europa wird in diesem Sommer voraussichtlich weniger los sein?

Antwort: Das ist schwer vorauszusagen, denn auch die reisehungrigen Deutschen zieht es heuer besonders ans Mittelmeer. Von der Algarve im Westen über die Balearen, Norditalien und Griechenland bis nach Zypern im Osten zeichnen sich hohe Buchungszahlen ab. Interessant ist, dass auch frühere Geheimtipps wie Albanien heuer stärker nachgefragt werden. Das legen zumindest die vielen Flugbuchungen für Tirana bei der Lufthansa nahe. Generell verzeichnet die Airline auf manchen Strecken Buchungszahlen, die weit über den Zahlen vor der Pandemie liegen. Die Flugscham scheint also weitgehend verflogen zu sein. Es zeichnet sich jedenfalls ganz klar ab, dass die meisten Ziele jenseits des Mittelmeeres nicht überlaufen sein werden. Eine Ausnahme stellen die deutschen Küstengebiete dar, die ebenfalls schon nahezu ausgebucht sind. Österreich bleibt zwar die beliebteste Destination der Österreicherinnen und Österreicher, im Vergleich zu den beiden Vorjahren ist das Interesse am Sommerurlaub im Inland aber deutlich geschrumpft.

Frage: Gibt es konkrete Empfehlung für einen Sommerurlaub 2022 ohne Massentourismus?

Antwort: Entgegen häufigen Ankündigungen, in Zukunft viel mehr Wander- oder Zugreisen zu unternehmen, ist der Badeurlaub in Verbindung mit dem Aufenthalt im Vier-Sterne-Hotel die mit Abstand wichtigste Urlaubsform geblieben. Oft genügt es schon, ein netteres Hotel für weniger Geld im Hinterland zu nehmen, um den Touristenmassen zu entkommen. Die noch bessere Alternative: tatsächlich einmal wandern gehen oder Zug fahren. Konkretes Beispiel: Wer heuer Interrailtickets und Trekkingrucksäcke kauft, um den Familienurlaub in Schottland zu verbringen, wird einen Urlaub ohne Corona-Einschränkungen mit großer Wahlfreiheit bei den Unterkünften verbringen. Aber Obacht: Für schottische Kanäle, Lochs und andere Wasserwege gilt leider nicht das Gleiche: Hausbootferien sind dort wie überall in Europa wegen der Möglichkeit zur Abschottung schon wieder fast hoffnungslos ausgebucht. (Sascha Aumüller, 26.2.2022)

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