Flüchtende aus der Ukraine am polnisch-ukrainischen Grenzübergang Korczowa-Krakowez.

Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am Donnerstag haben nach Angaben aus Warschau rund 115.000 Menschen aus der Ukraine die Grenze zu Polen überquert. Das gab der stellvertretende polnische Innenminister Pawel Szefernaker am Samstag bekannt. Die Menschen seien von Orten "entlang der gesamten Grenze" nach Polen eingereist.

DER STANDARD

Viele Beamte des Grenzschutzes hätten sich freiwillig gemeldet, um die Kollegen bei der Passkontrolle der Flüchtlinge zu unterstützen. Die Wartezeiten auf der ukrainischen Seite der Grenze würden wegen des großen Andrangs immer länger.

Wegen der langen Staus auf der ukrainischen Seite der Grenze habe man sich entschieden, an allen Grenzpunkten auch einen Übergang für Fußgänger zu öffnen. Die Abfertigung der Flüchtlinge werde auch dadurch langsamer, weil es durch die Kriegssituation zu Ausfällen im Computersystem des ukrainischen Grenzschutzes komme, hatte Szefernaker zuvor dem öffentlich-rechtlichen Sender TVP gesagt.

Polen sei in der Lage, täglich bis zu 50.000 Flüchtlinge aus der Ukraine an der Grenze abzufertigen. Flüchtlinge am Grenzübergang Medyka-Schehyni berichteten laut einer dpa-Reporterin von stundenlangen Wartezeiten auf der ukrainischen Seite.

30.000 Flüchtlinge in Rumänien

In Rumänien sind bis Samstagfrüh nach Behördenangaben mehr als 30.000 Flüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen. Vor allem an den nordrumänischen Grenzübergangspunkten Siret und Sighetu Marmatiei, aber auch beim östlichen Grenzpunkt Isaccea schwillt der Treck an im Stundentakt an.

Der rumänische Grenzübergang Siret.
Foto: imago images/NurPhoto

Die Flüchtlinge werden von Behörden und zahlreichen Hilfsorganisationen in Empfang genommen. Hunderte Freiwillige aus dem ganzen Land sind an allen nord- und ostrumänischen Grenzübergängen anwesend, um die eintreffenden Ukrainer mit Wasser und Lebensmitteln, Süßigkeiten und Plüschtieren für die Kinder zu versorgen. Empörung über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und Mitgefühl mit den leidgeprüften Bürgern des Nachbarlandes sind in Rumänien groß – überall im Land wird für die Kriegsflüchtlinge gesammelt und gespendet, Hunderte in Nordrumänien wohnhafte Rumänen haben bereits ukrainische Familien aufgenommen oder wollen dies zu tun.

Regierungschef Nicolae Ciuca, Innenminister Lucian Bode (beide Liberale Partei/PNL) und Katastrophenschutzchef Raed Arafat trafen am Freitagabend beim Grenzübergangspunkt Siret ein, um sich ein Bild von der Lage an Ort und Stelle zu machen. Ciuca, ein Vier-Sterne-General a.D. und ehemaliger Generalstabschef des Heeres, der die rumänischen Truppen in Afghanistan und im Irak-Krieg befehligt hatte, erklärte sich nach Gesprächen mit Flüchtlingen "erschüttert vom Leid der Menschen", obwohl er als aktiver Offizier schon viel Elend erlebt habe.

Rumänien hilft den ukrainischen Flüchtlingen.
Foto: EPA/ROBERT GHEMENT

Wie Katastrophenschutzchef Arafat am Samstag mitteilte, stellten bisher verhältnismäßig wenige ukrainische Flüchtlinge Asylanträge – der Großteil hoffe entweder, in wenigen Wochen in die Heimat zurückkehren zu können, oder wolle in Richtung Mittel- und Westeuropa weiterreisen, sagte Arafat zu Medien.

"Ausnahmesituation" in der Slowakei

Die direkten Nachbarländer der Ukraine, neben Polen auch Moldawien, Rumänien, Ungarn und die Slowakei (Belarus steht an der Seite Russlands) haben rasch nach Beginn der Invasion erklärt, dass Flüchtlinge aus der Ukraine ohne Beschränkungen einreisen können, teilweise auch ohne Reisepass. In der Slowakei sollen Flüchtlinge einen temporären Aufenthaltsstatus mit Zugang Krankenversicherung und Arbeitserlaubnis bekommen, wie eine Vertreterin der Regierung am Samstag auf Twitter erklärte.

Die Slowakei hat die "Ausnahmesituation" ausgerufen. Diese Notmaßnahme erlaubt es der Regierung, rasch besondere Zivilschutzmaßnahmen zu ergreifen, ohne vorher das Parlament damit befassen zu müssen. Beispielsweise dürfen Mitarbeiter staatlicher Institutionen so auch außerhalb ihrer planmäßigen Dienstzeiten zu Einsätzen verpflichtet werden.

Die Zahl der Flüchtlinge, die im östlichsten deutschen Bundesland Brandenburg angekommen sind, ist bis dato gering.

Innenministerium will am Montag beraten

In Österreich ist die Lage bezüglich Flüchtlingen noch überschaubar. Am Freitag kamen zwei Familien am Wiener Hauptbahnhof an, die bereits außerhalb der Ukraine waren als Russland einmarschiert ist. Sie wurden von Mitarbeiterinnen der Volkshilfe in Empfang genommen. Außerdem stellten in den letzten Tagen 28 Ukrainerinnen oder Ukrainer Asylanträge in Österreich, heißt es vom Innenministerium. Die Betroffenen hätten sich ebenfalls bereits in Österreich aufgehalten. Ukrainische Staatsangehörige können sich grundsätzlich bis zu 180 Tage visumfrei in Österreich aufhalten. Sollte dieser Zeitraum überschritten werden, wird das aktuell nicht sanktioniert, heißt es vom Innenministerium.

Wann und wie viele Menschen noch ankommen könnten kann im Moment noch niemand sagen, weder im Innenministerium noch bei den Asyl-NGOs. Man beobachte die Lage in den direkten Nachbarländern der Ukraine, sagt ein Sprecher der zuständigen Asyl-Bundesagentur des Innenministeriums (BBU). Genügend Kapazitäten zur Unterbringung gäbe es jedenfalls. Am Montag soll es einen Termin im Innenministerium und bei der Stadt Wien geben, wo über Vorbereitung bezüglich Ukraineflüchtlingen gesprochen werden soll.

Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination Österreich schlägt vor, den Paragraph 62 des Asylgesetzes anzuwenden. Dieser sieht vor, dass die Regierung Vertriebenen, die sonst keinen Schutzstatus bekommen würden, in Zeiten eines bewaffneten Konfliktes ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht geben kann. (jop, APA, 26.2.2022)