Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zog fragwürdige Geschichtsvergleiche.

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Wien – Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat nach heftiger Kritik an von ihm getätigten fragwürdigen historischen Vergleichen zum Teil zurückgerudert. Der Nationalratspräsident hatte im "Club 3" den Angriff Russlands auf die Ukraine mit der Situation in Österreich 1945 – der Befreiung vom NS-Regime – verglichen.

Sobotkas Geschichtsvergleiche bei 26:25 und 36:20.
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Sobotka war gefragt worden, ob Österreich aktuell bereit sei, Kriegsvertriebene aufzunehmen. Die Antwort: "Die Ukrainer müssen in der Ukraine bleiben und letztlich ihr Land verteidigen. Was wäre gewesen, wenn alle Österreicher nach 1945 geflohen wären?" Damit bezog er sich auf den Sieg der Alliierten gegen das Nazi-Regime in diesem Jahr.

Vergleich mit 1933

Zur Diskussion über seinen Vorsitz im U-Ausschuss hatte Sobotka im selben Gespräch gemeint: "Es wird nicht möglich sein, mit permanenten Unterstellungen jemanden rauszukicken." Und weiter: "Dann könnte man auch die Zweite Präsidentin und den Dritten Präsidenten rauskicken. Und wer soll es dann machen? Das haben wir schon einmal gehabt – 1933."

Am 4. März 1933 war es bei einer Abstimmung im Parlament zu einem Formalfehler gekommen. Aufgrund der folgenden Geschäftsordnungskrise traten die drei Präsidenten des Nationalrates zurück, womit die Sitzung unterbrochen war. Am 15. März versuchten die sozialdemokratischen und großdeutschen Abgeordneten, die Sitzung fortzusetzen. Die Regierung von Engelbert Dollfuß verhinderte diesen Versuch jedoch mithilfe der Polizei. Die parlamentarische Demokratie in Österreich war damit de facto ausgeschaltet. Die Folge war die austrofaschistische Diktatur.

Kritik von Neos, SPÖ und FPÖ

"Fassungslos" über diese Aussagen zeigte sich SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried über die "unerträglichen Geschichtsvergleiche" Sobotkas. "Wenn Sobotka die Lage der Ukraine mit Österreich 1945 gleichsetzt – also den Angriffskrieg Russlands mit der Befreiung Österreichs vom NS-Regime – dann ist das eine Schande", meinte Leichtfried. Die Aussagen zur Ausschaltung des Parlaments 1933 seien wiederum ein weiterer Beleg, "dass er für das Amt ungeeignet ist".

Ähnlich reagierten die Neos. "Das sind völlig jenseitige Vergleiche. Als Historiker weiß Präsident Sobotka das auch. Ich appelliere eindringlich an ihn, diese Aussagen umgehend zurückzuziehen und sich dafür zu entschuldigen", meinte deren stellvertretender Klubobmann Nikolaus Scherak in einer Aussendung.

Für den freiheitlichen Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, ist Sobotka "nach diesen kruden historischen Vergleichen" als Vorsitzender untragbar. Dieser müsse "im Interesse der Würde des Hohen Hauses den Vorsitz abgeben", stattdessen solle die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) den Ausschussvorsitz übernehmen. Die Vergleiche mit 1933 bzw. 1945 seien jedenfalls "einfach nur mehr unfassbar", sagte Hafenecker.

Sobotka: Vergleich "unpassend"

Sobotka selbst reagierte auf die Kritik und bezeichnete seinen Ukraine-Vergleich mit Österreich 1945 als "unpassend", wie sein Sprecher ausrichten ließ. Er habe lediglich zum Ausdruck bringen wollen, "dass es wichtig ist, in allererster Linie vor Ort den Menschen zu helfen und diese zu schützen". Auf das von ihm erwähnte Jahr 1945 ging er in der schriftlichen Stellungnahme nicht mehr ein, sondern betonte sein Engagement für das Projekt "Lächeln schenken – Verantwortung tragen" für sozial benachteiligte Waisenkinder aus Russland und der Ukraine.

Die Aussagen zum U-Ausschuss präzisierte Sobotka hingegen. Er habe zum Ausdruck bringen wollen, "dass heutzutage immer stärker mit Vorverurteilungen gearbeitet wird, unabhängig von der tatsächlichen rechtlichen Grundlage", so der Sprecher des Nationalratspräsidenten. Die Geschäftsordnung des Nationalrates sehe Befangenheit für Abgeordnete – wie es auch die Präsidenten sind – nicht vor, da sie durch die Wahl legitimiert seien. Die Keule der Befangenheit könnte so gegen jeden Vorsitzenden gerichtet werden, was zur Folge hätte, dass der U-Ausschuss nicht durchgeführt werden könnte. Der Vergleich mit dem Jahr 1933 habe sich daher ausschließlich auf die Rücktritte von Vorsitzenden und nicht auf das von der Polizei des Dollfuß-Regimes verhinderte Zusammentreffen des Nationalrates bezogen.

U-Ausschuss startet Anfang März

Der 25. parlamentarische Untersuchungsausschuss der Zweiten Republik startet am 2. März. Die anderen politischen Partien warfen dem ÖVP-Politiker Sobotka in der Vergangenheit wiederholt Befangenheit vor und forderten deshalb seine Ablöse als Vorsitzender. Sobotka lehnte dies ab und verwies auf die Geschäftsordnung, die den ersten Nationalratspräsidenten als U-Ausschuss-Vorsitzenden vorsehe. Zuletzt zeigte er sich bemüht, Zweifel an seiner Objektivität auszuräumen. Sollten etwa ehemalige Mitarbeiter befragt werden, will der ehemalige Innenminister den Vorsitz für diese Zeit abgeben. (APA, red, 26.2.2022)