Bilder vom Raketentest wurden in Seoul, Südkorea, gezeigt.

Foto: Jung Yeon-je / AFP

Tokio – Inmitten des eskalierenden Ukraine-Konflikts hat Nordkorea nach Erkenntnissen Japans erneut eine Rakete getestet. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Sonntag unter Berufung auf die Regierung in Tokio berichtete, handelte es sich möglicherweise um eine ballistische Rakete. Nach Angaben des südkoreanischen Militärs wurde das Projektil ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) gefeuert, berichtete Kyodo weiter.

Testreihe

Uno-Resolutionen untersagen der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung ballistischer Raketen, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf tragen können. Versuche, den international nahezu vollständig isolierten Staat auf diplomatischem Wege davon abzubringen, sind bisher nicht erfolgreich verlaufen.

Nordkorea hatte seit Beginn des Jahres bereits mehrfach Raketen getestet. Im Jänner hatte das atomar bewaffnete Land eine Rekordzahl von Raketenstarts ausgeführt, einschließlich einer Mittelstreckenrakete, die auch die US-Pazifikinsel Guam treffen könnte. Der letzte Abschuss erfolgte am 30. Jänner mit einer ballistische Mittelstreckenrakete des Typs Hwasong-12.

In Südkorea war befürchtet worden, dass Nordkorea seine Raketentests nach dem Ende der Olympischen Winterspiele in Peking in diesem Monat wieder aufnehmen könnte. Der Nationale Sicherheitsrat in Südkorea äußerte nach einer Dringlichkeitssitzung großes Bedauern und "ernste Besorgnis" wegen des jüngsten Tests. In Südkorea finden am 9. März Präsidentschaftswahlen statt.

Japanischer Protest

Beim Test am Sonntag wurde die Rakete nach Angaben des Generalstabs der südkoreanischen Streitkräfte von Sunan in der Nähe der Hauptstadt Pjöngjang aus in Richtung Osten abgefeuert. Der japanische Verteidigungsminister Nobuo Kishi sagte, die Rakete sei offensichtlich 300 Kilometer weit geflogen, bei einer Flughöhe von bis zu 600 Kilometern. Sie sei außerhalb der "exklusiven Wirtschaftszone" Japans ins Meer gestürzt.

Die Regierung in Tokio legte laut Kishi über die japanische Botschaft in Peking Protest gegen den Raketentest ein. Tokio und Pjöngjang unterhalten keine diplomatischen Beziehungen.

Südkoreas Präsident Moon Jae-in hatte nach dem Test einer Mittelstreckenrakete Ende Jänner davor gewarnt, dass Nordkorea näher an einen Bruch seines im April 2018 selbst auferlegten Teststopps für Atomversuche und Tests von Interkontinentalraketen rücke. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hatte im Jänner angedeutet, solche Versuche wieder aufnehmen zu können.

Mit dem Test einer Mittelstreckenrakete war Nordkorea über die vorangegangen Waffentests in diesem Jahr hinausgegangen. Das Land hatte davor ballistische Raketen von kurzer Reichweite, Marschflugkörper und eigenen Angaben zufolge auch Hyperschallraketen getestet, die mit mehr als fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegen können.

Der Test am Sonntag erfolgte inmitten des eskalierenden Ukraine-Konflikts. Experten spekulieren seit längerem, Nordkorea könnte den Konflikt möglicherweise ausnutzen, um mehr Druck auf die USA auszuüben, damit diese konkrete Vorschläge für neue Verhandlungen vorlegen. Die Gespräche der US-Regierung mit Pjöngjang über sein Atomwaffenprogramm kommen bereits seit drei Jahren nicht mehr voran.

Nordkorea: USA ist für Ukraine-Konflikt verantwortlich

Nordkorea hat am Sonntag die USA für den Ukraine-Konflikt verantwortlich gemacht. "Die Grundursache der Ukraine-Krise liegt in der Selbstherrlichkeit und Willkür der USA", hieß es in einem Beitrag, der am Samstag auf der Website des Außenministeriums in Pjöngjang veröffentlicht wurde. Washington habe "militärische Vorherrschaft unter Missachtung legitimer Forderungen Russlands nach seiner Sicherheit" angestrebt.

Der Text wird einem Forscher der Gesellschaft für internationale Politikstudien namens Ri Ji-song zugeschrieben. Er wirft den USA vor, mit zweierlei Maß zu messen: Die US-Regierung mische sich im Namen von "Frieden und Stabilität" in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein, sie "verurteilt aber ohne triftigen Grund Selbstverteidigungsmaßnahmen, die andere Länder zur Gewährleistung ihrer eigenen nationalen Sicherheit ergreifen".

Der Beitrag sei als "zurückhaltende" offizielle Reaktion Nordkoreas zu werten, sagte Park Wang-gon, Professor für Nordkoreanische Studien an der Ewha-Womans-Universität in Seoul. "Das Fazit ist, dass an allem die USA schuld sind."

Neben China ist Russland einer der wenigen Staaten, die Nordkorea freundschaftlich gesinnt sind. Moskau spricht sich regelmäßig gegen eine Erhöhung des internationalen Drucks auf die Führung in Pjöngjang aus. Zuletzt forderte Russland die Aufhebung von internationalen Sanktionen gegen Nordkorea aus humanitären Gründen. (APA, red, 27.2.2022)