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Im März 2021 kündigte Frankreichs Kulturministerin Roselyne Bachelot die nun bevorstehende Rückgabe von Gustav Klimts Gemälde "Rosen unter Bäumen" an.

AP / Alain Jocard

Am Montag vergangener Woche wurde in Frankreich ein Gesetz verabschiedet, das – so begrüßenswert in der Sache – indirekt auch eine fatale Fehlentscheidung des österreichischen Kunstrückgabebeirats zementierte: als man 2001 trotz gewisser Unklarheiten bezüglich der Herkunft die Restitution des Gemäldes Apfelbaum II (1916) von Gustav Klimt aus dem Bestand des Belvedere an die Erbinnen und Erben nach Nora Stiasny empfohlen hat.

Tatsächlich hatte die Tochter des bekannten österreichischen Chirurgen Otto Zuckerkandl, die 1942 nach Polen deportiert und ermordet wurde, ein anderes Klimt-Werk ihr Eigen genannt: Rosen unter Bäumen (1905), das gemäß dem erwähnten Gesetz demnächst aus dem Bestand des Musée d’Orsay restituiert wird.

Damit bekommen die Stiasny-Nachfahren ein zweites Klimt-Bild. Und dieser Umstand lässt die Wogen nicht nur auf der medialen Bühne hochgehen. "Das kann so nicht stehen bleiben", moniert Kunsthistoriker Tobias Natter etwa in der Wiener Zeitung. Es sei "völlig inakzeptabel, die Causa versanden zu lassen", erklärt er auf Anfrage, denn sonst würde "die Restitutionspraxis diskreditiert".

Amtspflichtverletzung

Eine Lösung hat er nicht parat, mahnt sie jedoch in mehreren Medienberichten ein. Adressiert an die Republik, die auch hinter den Kulissen unter Beschuss steht: von Nachfahrinnen und Nachfahren nach August und Szeréna Lederer, die seit 2015 Ansprüche auf das 2001 fehlerhaft restituierte Werk (Apfelbaum) erheben. Teile dieser Erbengruppe fordern jetzt die Sicherstellung des Gemäldes Rosen unter Bäumen in Frankreich. Dies sei im Interesse der Republik, die, einer einstigen Haftungserklärung zufolge, Ansprüche gegenüber den Stiasny-Erben hätte. Würde man diese Ansprüche nicht geltend machen, käme dies einer Amtspflichtverletzung gleich.

Ein entsprechendes Schreiben erging vergangene Woche an Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, wie ihr Sprecher bestätigt. Eine Einmischung Österreichs in die von Frankreich beschlossene Restitution schließt man jedoch kategorisch aus. Das käme einem diplomatischen Affront gleich. Der Ausgang dieser komplexen Causa bleibt trotz Bemühungen Involvierter vorerst ungewiss. Ein Überblick über die Genese und diverse Akteure:

Die Fehlentscheidung

Im Oktober 2000 empfahl der Kunstrückgabebeirat die Restitution des Klimt-Bildes Apfelbaum II an die Erbinnen und Erben nach Nora Stiasny. Noch vor der Rückgabe stieß Belvedere-Provenienzforscherin Monika Mayer bei Recherchen in einer anderen Causa auf Hinweise, die Zweifel an der Stiasny-Herkunft schürten. Sie informierte ihren Vorgesetzten Gerbert Frodl, damals Direktor des Belvedere, sowie Ernst Bacher als Leiter der Kommission für Provenienzforschung und regte zusätzliche Recherche an. Eine Empfehlung, die fatalerweise ignoriert wurde. Ende November 2001 wurde das Gemälde ausgefolgt.

Die Erben nach Lederer

Im April 2015 informierte ein Erbe nach Lederer die Kommission, dass Apfelbaum II einst Elisabeth Bachofen-Echt, der Tochter von August und Szeréna Lederer, gehört habe. Das gehe aus einem Schätzgutachten von April 1938 hervor, in dem eine als "Apfelbaum" titulierte Ölskizze Klimts erwähnt wird. Auf welche Weise und wann das Bild in den Besitz des NS-Propagandaregisseurs Gustav Ucicky gelangte, der es nach seinem Tod an die Österreichische Galerie Belvedere vermachte, konnte bisher nicht geklärt werden.

Die Aufdecker

Der Kunsthistoriker Tobias Natter war im Jahr 2000 Kurator für Kunst des 20. Jahrhunderts im Belvedere. In die Causa sei er damals nicht eingebunden gewesen und auch nie zurate gezogen worden, wie er auf Anfrage erklärt. Im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung verfasste er 2016 ein Gutachten. Laut diesem sei "nahezu ausgeschlossen", dass Nora Stiasny Apfelbaum II besessen habe. Eine Identifikation der von ihr besessenen Version wäre jedoch nicht möglich. Einen entscheidenden Hinweis lieferte Monika Mayer: 1928 wurde in einem Artikel über eine Klimt-Ausstellung ein als Apfelbäume mit den Rosen bezeichnetes Bild der Familie Zuckerkandl erwähnt, wie DER STANDARD im Juli 2016 berichtete und auf das Gemälde im Bestand des Musée d’Orsay verwies.

Das Eingeständnis

Auf Basis der neuen Forschungsergebnisse veröffentlichte der Beirat im Juli 2017 einen Bericht und gestand damit die fehlerhafte Rückgabe ein. Als "Anwalt" der Republik prüfte die Finanzprokuratur die Rechtslage. Sie kam zu dem Schluss, dass man nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatte. Eine Regressforderung an die schwedischen Nachfahrinnen der einst begünstigten Stiasny-Erben wurde als juristisch komplex, womöglich aussichtslos und kostspielig verworfen.

Im März 2018 veröffentlichte der Beirat einen ergänzenden Bericht, der sich detaillierter mit den Forderungen der Erben nach Lederer beschäftigte. Ergebnis: kein Beleg für ein zwischen 1938 und 1945 erfolgtes nichtiges Rechtsgeschäft.

Die Erben nach Stiasny

Die von der Rückgabe 2001 Begünstigten sind mittlerweile verstorben. Sie hatten das Gemälde Apfelbaum II damals für sieben Millionen Euro an Daniella Luxembourg verkauft. Es gelangte später in den Besitz des französischen Milliardärs Bernard Arnault und war zuletzt im Bestand der 2006 von ihm gegründeten Fondation Louis Vuitton. Die gegenwärtige Erbengemeinschaft ist um eine Lösung bemüht. Sie möchten der Stiftung das Gemälde abkaufen und an die Republik retournieren. Finanziert werden soll dieser Deal über den Verkauf von Rosen unter Bäumen. Das schon vor Monaten an die Fondation gerichtete Schreiben blieb bisher jedoch unbeantwortet. (Olga Kronsteiner, 28.2.2022)