Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP, Zweiter von rechts, hinten) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen (rechts vorne) am Montag bei einem Treffen nach der Sitzung des österreichischen Krisenkabinetts zum Krieg in der Ukraine in der Wiener Hofburg.

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Kiew/Moskau – Österreich wird der Ukraine Helme und Schutzausrüstungen für zivile Einsatzkräfte sowie Treibstofflieferungen zur Verfügung stellen. Das teilte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montag nach einer Sitzung des Krisenkabinetts der Bundesregierung mit. "Die Situation in der Ukraine ist weiterhin unberechenbar. Ebenso der russische Präsident Wladimir Putin, wie die gestern angekündigte Alarmbereitschaft für die atomaren Streitkräfte gezeigt hat", sagte Nehammer.

"Wir werden daher alles dafür tun, die Österreicherinnen und Österreicher zu schützen und unser Land bestmöglich auf etwaige Auswirkungen einer Zuspitzung der Lage vorzubereiten", versicherte der Bundeskanzler. "Das bedarf einer engen Abstimmung auf europäischer Ebene sowie auch auf nationaler Ebene."

Keine Jodtabletten

Nehammer warnte die Bevölkerung vor der selbstständiger Einnahme und Bevorratung mit Jodtabletten aus Sorge vor radioaktiver Strahlung. "Derzeit ist keine erhöhte Strahlung in irgendeiner Form feststellbar." Es gebe ganz klare Kriseneinsatzfälle, sollte es überhaupt so weit kommen, "davon sind wir derzeit weit entfernt", sagte Nehammer in einem Pressestatement in der Hofburg.

Nehammer traf anschließend Bundespräsident Alexander Van der Bellen, um ihn über die aktuelle Lage zu informieren. Das Hilfspaket umfasse über 100.000 Liter Treibstoff, sagte der Kanzler.

Flüchtlinge: Österreich "vorbereitet"

In puncto Flüchtlingssituation betonte der Kanzler, das Innenministerium sei in enger Absprache mit Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien, wo es einen zunehmenden Druck an Flüchtlingen gebe. Ukrainer dürften aufgrund des Assoziierungsabkommens visafrei in Europa einreisen und sich drei Monate in der EU aufhalten. Es gebe auch bereits eine höhere Durchfahrt von Ukrainern durch Österreich. "Österreich ist gut vorbereitet", es gebe die klare Zusicherung an die Nachbarstaaten, zu helfen und ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen, wenn notwendig.

Das Büro für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN-OCHA) rechnet mit bis zu 18 Millionen Menschen, die von den Kampfhandlungen betroffen sind, und rund 7,5 Millionen intern Vertriebenen. Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von 1,2 Millionen Menschen aus, die in nächster Zeit jenseits der Landesgrenzen Zuflucht suchen werden. Der Bedarf an humanitärer Hilfe wird jedenfalls rapide ansteigen. Die humanitären Organisationen konzentrieren sich derzeit auf Soforthilfe, das heißt auf die Bereitstellung von Notunterkünften, die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln und die grundlegende medizinische Versorgung. Auch mit einem stark erhöhten Bedarf an medizinischer Versorgung von Verwundeten wird gerechnet.

Österreichische Hilfe

Österreich hat vergangene Woche als erste Hilfsmaßnahme 2,5 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung gestellt. Daraus werden eine Million an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und je 750.000 Euro an das Österreichische Rote Kreuz und die Caritas für humanitäre Soforthilfe ausgeschüttet. Darüber hinaus hat das Innenministerium zwei Konvois mit dringend benötigten Sachspenden entsandt.

Über das Wochenende wurde ein zweites Hilfspaket geschnürt. Aus dem Auslandskatastrophenfonds des Außenministeriums werden weitere 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Mittel werden dem IKRK, UNHCR,Unicef und österreichischen NGOs vor Ort zur Verfügung gestellt. Der Beschluss dafür soll am Mittwoch im Ministerrat erfolgen.

Tanner: Helme für die Zivilbevölkerung

"In den dunkelsten und schwersten Stunden, die die Ukraine derzeit erlebt, stehen wir dem Land und seiner Bevölkerung solidarisch zur Seite", erklärte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in einer Aussendung. "Daher haben wir beschlossen, die Ukraine mit nichttödlicher militärischer Ausrüstung im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität zu unterstützen. Insgesamt 10.000 Helme stellen wir in diesem Rahmen bereit. Im Sinne unserer Kernaufgabe, 'Schutz und Hilfe' zu leisten, wollen wir dies auch im Rahmen der Nachbarschaftshilfe tun und die ukrainische Zivilbevölkerung dabei unterstützen, sich selbst besser zu schützen."

Das Außenministerium gab laut Aussendung des Bundeskanzleramts im Krisenkabinett ein Lageupdate über die Situation der Österreicher, die sich noch in der Ukraine befinden. Alle österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die ausreisen wollen, erhielten logistische Unterstützung. Bisher seien in mehreren begleiteten Konvois Österreicher in Sicherheit gebracht worden. Insgesamt sind laut Außenministerium noch rund 120 Österreicher in der Ukraine, rund 40 davon im Großraum Kiew. "Aufgrund der unabsehbaren Sicherheitssituation in und um die Hauptstadt empfehlen wir den Österreicher:innen in Kiew, ihre Wohnungen möglichst nicht zu verlassen und in ihren Gebäuden Schutz zu suchen. Eine Evakuierung ist derzeit nicht vorgesehen", hieß es aus dem Außenministerium.

Österreich bei Sanktionen im Gleichklang

Österreich werde sich weiter an EU-Sanktionen gegen Russland beteiligen, kündigte Nehammer an. "Ratspräsident Charles Michel hat bereits gesagt, dass weitere Sanktionen gegen die Russische Föderation in Planung sind. Österreich wird sich selbstverständlich weiterhin im europäischen Gleichklang an diesen Maßnahmen beteiligen. Klar ist, dass auch die europäische und österreichische Wirtschaft selbst die Auswirkungen der Sanktionen spüren werden – aber auch darauf sind wir vorbereitet."

Ein Stopp der Gaslieferungen Russlands nach Österreich sei derzeit nicht unmittelbar absehbar, heißt er in der Aussendung weiter. Das Energieministerium habe aber einmal mehr klargestellt, dass die Versorgungssicherheit Österreichs weiterhin gewährleistet sei.

Beratungsangebot

Das Kriseninterventionszentrum in Wien bietet Beratung und Intervention für Menschen an, die durch äußere Belastungen in eine akute psychosoziale Krise geraten sind, auch im Zusammenhang mit der aktuellen Ukraine-Krise. Ein Bedarf an Krisenintervention durch Gespräche sei aktuell festzustellen – sowohl für direkt betroffene Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer verwandtschaftlichen oder anderen sozialen Beziehungen in die Ukraine als auch für indirekt betroffene Personen, die auf die Kriegssituation mit starken Ängsten oder Retraumatisierung reagieren, teilte das Zentrum in einer Aussendung mit. Ein Beratungsgespräch kann telefonisch erfolgen oder persönlich vereinbart werden. Über die Homepage www.kriseninterventionszentrum.at kann auch E-Mail-Beratung in Anspruch genommen werden. (APA, red, 28.2.2022)